Sie war viel mehr als die „First Lady“ des Bundespräsidenten Walter Scheel. Mit der Gründung der Deutschen Krebshilfe 1974 holte sie das Tabu-Thema „Krebs“ an die Öffentlichkeit und warb für Vorsorgeuntersuchungen. Mildred Scheel starb ausgerechnet an der Krankheit, die sie so energisch bekämpft hat, mit nur 53 Jahre.

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Am 31. Dezember 1931 erblickte Mildred Wirtz am Schillingsrotter Platz in Köln-Marienburg das Licht der Welt. Schon früh entschloss sie sich, später einmal in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, der als renommierter Röntgenarzt praktizierte. 1950 absolvierte sie ihr Abitur im oberpfälzischen Amberg, wohin die Familie aus dem kriegszerstörten Köln umgezogen war.

Mildred Wirtz studierte an der medizinischen Fakultät der Universität München und begann nach dem Staatsexamen als Assistenzärztin mit Fachrichtung Radiologie zu arbeiten. Anfang der 1960er Jahre ging sie vorübergehend nach Berlin, wo 1963 ihre Tochter Cornelia geboren wurde. Das Leben in München als alleinerziehende und berufstätige Mutter war keineswegs leicht, doch sie schaffte den Spagat mit Bravour.

1967 – Mildred Witz arbeitete zu der Zeit in einem Sanatorium in Bad Wiessee – kam der FDP-Politiker Walter Scheel (1919-2016), der nach einer Nierensteinoperation unter Komplikationen litt, in ihre Sprechstunde. Mit sicherem Blick erkannte die junge Ärztin, dass Lebensgefahr bestand und ließ ihn sofort in ein Krankenhaus einweisen, wo Scheel erfolgreich operiert wurde.

Zunächst verloren sie sich aus den Augen – bis sie sich wenige Monate später auf einer Münchner Party zufällig wiedertrafen. Sie fanden zunehmend Gefallen aneinander und heiraten 1969 auf dem Schwabinger Standesamt.

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Damit ging das Leben in Bayern zu Ende, doch Mildred Scheel freute sich auf den Neustart in Bonn, nicht ahnend, dass sich ihr Leben völlig auf den Kopf stellen würde. Zum einen fand sie nicht die gewünschte Anstellung in einer Röntgenpraxis, zum anderen wurde Walter Scheel noch im gleichen Jahr Außenminister unter Bundeskanzler Willy Brandt.

Nun musste sich Mildred Scheel daran gewöhnen, künftig im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen. Das lag ihr eigentlich überhaupt nicht, denn sie liebte ein eher legeres Leben und war zudem völlig uneitel.

In dieser Zeit vergrößerte sich auch die Familie. Cornelia, die Walter Scheel inzwischen adoptiert hatte, bekam noch zwei Geschwister: 1970 wurde Andrea geboren und ein Jahr später brachten die Eltern von einer Brasilienreise einen indigenen Waisenjungen mit, den sie Simon Martin nannten. Die Kinder standen in Mildred Scheels Leben immer an erster Stelle und obwohl sie viel unterwegs war, verbrachte sie mit ihnen so viel Zeit wie möglich.

Das turbulente Leben mit Familie, zahlreichen Empfängen und Staatsbesuchen füllte Mildred Scheel nicht aus. Nachdem Walter Scheel 1974 zum Bundespräsidenten ernannt worden war, beschloss sie, eine „Aktion gegen Krebs“ zu starten, damals noch ein Tabuthema, über das in der Öffentlichkeit nicht gesprochen wurde. Am 25. September 1974 gründete Mildred Scheel die Deutsche Krebshilfe mit Sitz in Bonn. Damit hatte sie sich ein Mammutprogramm vorgenommen: Forschung, Therapiemaßnahmen, Vorsorge, Krankenbetreuung und Registrierung der Erkrankten. Das alles kostete viel Geld, doch Mildred Scheel gelang es mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit, die benötigten Summen durch Spenden und andere Finanzierungsmodelle einzutreiben. Auch konnte sie die Ärzteschaft für eine Zusammenarbeit gewinnen und wissenschaftliche Tagungen mit Krebsexpert*innen aus aller Welt organisieren. Für ihr unermüdliches Engagement erhielt Mildred Scheel zahlreiche Auszeichnungen und wurde wiederholt zur „Frau des Jahres“ gewählt.

Als Walter Scheel im März 1979 erklärte, er strebe keine zweite Amtszeit an, war dies für Mildred Scheel nach eigener Aussage ein Segen. Endlich raus aus dem „goldenen Käfig“! Ein neues Zuhause fand die Familie in Köln-Marienburg, Lindenallee 23, nur einen Steinwurf entfernt von Mildred Scheels Geburtshaus.

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Mit unverändertem Elan arbeitete Mildred Scheel auch weiterhin für die Deutsche Krebshilfe und konnte erreichen, dass zahllose Menschen von den Vorsorgeuntersuchungen Gebrauch machten. Doch dann änderte sich ihr Leben auf dramatische Weise. Als sie am 7. Juli 1983 nach Hause kam, erklärte sie, sie sei selbst an Krebs erkrankt. Doch er sei im frühen Stadium entdeckt worden und sie wolle sich unverzüglich operieren lassen. Sie verdonnerte ihre Familie zum Stillschweigen. Allem Anschein nach hatte die Präsidentin der Krebshilfe Angst davor, dass ihre Erkrankung andere Menschen entmutigen und den Spendenfluss zum Erliegen bringen könnte. Als trotzdem etwas an die Öffentlichkeit durchsickerte, sprach man offiziell von einer „Vorsorgeoperation“.

Kaum zurück aus der Klinik stürzte sich Mildred Scheel gleich wieder in die Arbeit und schlug den ärztlichen Rat, sich zu schonen, offensichtlich in den Wind. Vielleicht ahnte sie bereits, dass sie die Krankheit keineswegs besiegt hatte. Tatsächlich musste sie in der Universitätsklinik Köln ein weiteres Mal operiert werden. Doch sie kämpfte weiter und hämmerte sich selbst ein: „Nur nicht aufgeben!“

Anfang 1985 zeichnete sich jedoch ab, dass sie nicht mehr lange leben würde. Trotz einer weiteren Operation konnten die Ärzte ihr Leben nicht retten. Mildred Scheel starb am 13. Mai 1985 im Alter von 53 Jahren und fand auf dem alten Bonner Friedhof, auf dem ihrem Mann als Ehrenbürger der Stadt eine Grabstätte zustand, ihre letzte Ruhe.

Doch sie bleibt unvergessen. 1992 wurde auf dem Gelände der Kölner Universitätsklinik das Mildred-Scheel-Haus eröffnet, eine Palliativstation, in der bundesweit erstmalig Kriterien für den Umgang mit sterbenden Menschen und ihren Angehörigen entwickelt wurden.

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser

Quellen

  • Cornelia Scheel, Mildred Scheel. Erinnerungen an meine Mutter, Rowohlt Reinbek 2015
  • Heike Specht, Ihre Seite der Geschichte. Deutschland und seine First Ladys von 1949 bis heute, Piper München 2019