Ich kam am 03. Juni 1953 im Kölner Severinsklösterchen zur Welt. Nach meiner Geburt sind wir mehrmals umgezogen und lebten bis 1962 in eher ländlicher Umgebung. Keine leichten Bedingungen für eine geschiedene, alleinerziehende Frau damals. In diesem Jahr, in dem auch mein Vater starb, fanden wir ein neues Zuhause in Brühl, wo ich später das Erzbischöfliche Ursula-Lyzeum besuchte.

Meine Erziehung war streng, was körperliche Gewalt scheinbar selbstverständlich miteinschloss. Für meine Mutter war Gehorsamkeit die Tugend schlechthin. Ein Thema, das mich schon sehr früh beschäftigt hat, war die Zeit des Nationalsozialismus, die meine Mutter geprägt hat und von der sie sich nie wirklich distanzierte. Als ich zum ersten Mal an einer Mahnwache zur Pogromnacht im November teilnahm, kam es zu heftigen Spannungen.

Welchen beruflichen Weg ich einschlagen würde – meine Träume entwickelten sich von der Balletttänzerin in Richtung Journalismus – war zunächst unklar. Fest stand jedoch, dass ich stets berufstätig und finanziell unabhängig sein wollte.

1970 begann ich eine Ausbildung zur Schaufenstergestalterin und besuchte von 1971 bis 1973 die Fachoberschule, die ich mit der Fachhochschulreife abschloss. Weil ich glaubte, auf diese Weise eine Art „Wiedergutmachung“ für die Verbrechen des Nationalsozialismus leisten zu können, brach ich meine Ausbildung ab und begann an der Staatlichen Fachhochschule Köln ein Studium der Sozialpädagogik und Sozialarbeit.  Zwar erwies sich die Möglichkeit der „Wiedergutmachung“ als Irrtum, trotzdem war es für mich die richtige Entscheidung. In Köln, wo ich mit einer Bekannten in einer Zweck-WG wohnte, fand ich Zugang zur Frauenbewegung und stellte fest: Das ist meine Heimat! Heute lebe ich mit meiner Lebensgefährtin in eingetragener Partnerschaft zusammen.

Seit damals sind meine persönliche und berufliche Entwicklung praktisch nicht mehr voneinander zu trennen. Während des Studiums schloss ich mich einer Initiative an, die sich mit dem Thema Gewalt gegen Frauen auseinandersetzte, später den Verein „Frauen helfen Frauen“ gründete und das erste Frauenhaus der Bundesrepublik aufbaute. Auch privat verbrachte ich meine Zeit im Frauenzentrum Eifelstraße 33 mit Diskussionsgruppen, Frauenschwoof und Frauendemos. Nach dem Abschluss meines Studiums 1976 absolvierte ich bei „Frauen helfen Frauen“ mein Anerkennungsjahr und bekam anschließend eine Stelle in der Altenarbeit beim Clarenbachwerk.

Die Frauenbewegung blieb jedoch mein großes Thema. Es war mir immer wichtig, Menschen für meine Überzeugungen zu gewinnen, frauen- und menschenverachtende Aussagen und Haltungen nicht unwidersprochen zu lassen und für eine geschlechtergerechte humane Gesellschaft einzutreten.

Frauke Mahr (li) und Lie Selter 1995
Frauke Mahr und Lie Selter 1995, © Frauke Mahr

Auf diese Weise bin ich oft stärker wahrgenommen worden als manche andere Frauen, die ebenso engagiert waren wie ich. Sich deutlich einzumischen, macht eben sichtbar. Ich habe mich seit Studentinnentagen immer wieder als Feministin zu Wort gemeldet, Aktionen gegen Sexismus mitgemacht oder initiiert und mit anderen Frauen Vereine aufgebaut, die inzwischen seit Jahrzehnten erfolgreich in Köln arbeiten und die Rechte von Frauen und Mädchen einklagen – gesellschaftlich wie politisch.

1990 beendete ich meine Arbeit am Clarenbachwerk und wechselte ein Jahr später zum Verein Mädchenhaus Köln, heute LOBBY FÜR MÄDCHEN – Mädchenhaus Köln e. V.

Von „Frauen helfen Frauen“ hin zu LOBBY FÜR MÄDCHEN – Mädchenhaus Köln e. V. und anderen Initiativen, aus denen vielleicht noch der eine oder andere Verein werden könnte, ist es mein Anliegen, Tabus aufzuzeigen, zum Beispiel sexualisierte Gewalt im Sport oder Verharmlosung von Ausbeutung wie zum Beispiel die Aussage: „Prostitution ist ein Beruf wie jeder andere.“ Solcherlei hat mich regelmäßig dazu gebracht, Stellung zu beziehen und zu widersprechen.

Doch neben dem Zorn war auch viel Freude damit verbunden, etwas nicht einfach so stehenzulassen, Arroganz und Frauenverachtung zu entlarven und den FrauenfeindInnen keinen Raum zu geben.

Eine besonders schöne Erfahrung war es, mit Frauen wie Astrid Peter und anderen den Inge-von-Bönninghausen-Preis ins Leben zu rufen: die Sternschnuppe. Er wurde verliehen für Zivilcourage, Unbestechlichkeit und besonderes feministisches Engagement.

Preisträgerinnen:

  • Dr. Inge von Bönninghausen 1998
  • Ingund Mewes 2000
  • Delia Evers 2002
  • Irene Franken 2004
  • Rike Kappler 2006
  • LAG Autonome Frauenhäuser 2008
  • Dr. Birgit Palzkill 2010

In Bielefeld habe ich die Idee zu einem Runden Tisch von gewählten Ratsfrauen und autonomen feministischen Frauenorganisationen kennengelernt und mit Unterstützung der SPD-Bürgermeisterin Renate Canisius auch in Köln eingeführt. Ziel war es, miteinander ins Gespräch zu kommen und etwas von der Arbeit der jeweils anderen zu erfahren. Diesen Runden Tisch hat es mehrere Jahre lang gegeben.

Gemeinsam mit Irmgard Kopetzky, Christine Kronenberg und anderen habe ich die „Aktion Christa“ initiiert. Dabei haben wir in Köln geparkte Autos mit Bordellwerbung in Plastikfolie verpackt. Ein großer medienwirksamer Spaß! Gemeinsam waren wir auch gegen die Bordell-Werbung auf Kölner Taxen aktiv und haben zusammen mit dem AK Respekt gegen sexuelle Werbung überhaupt gekämpft. Auch Bürgermeisterin Angela Spitzig war mit von der Partie.

Preisträgerin des Else-Falk Preises 2020 der Stadt Köln
Verleihung des Else-Falk Preises 2020, © Pascal Nordmann, Stadt Köln

Durch die Journalistin Uta Glaubitz kam ich einem Projekt auf die Spur, das der Fanclub des 1. FC Köln mit der Bar Tabledance im Bordell Pascha geplant hat. Durch öffentlichen Druck auf die Kölner Politik und den Aufsichtsrat des FC konnte dieser Vertrag zum Glück verhindert werden.

Umso größer war mein Zorn, als bei einer Podiumsdiskussion im Kölner Filmhaus, an der auch ich teilnahm, die These aufgestellt wurde, das Bordell könne ein Kulturort sein. Das war vom Sommerblut-Festival 2007 propagiert worden. Ich fand die Menschenverachtung in der Bordellwerbung des „Paschas“ einfach ungeheuerlich.

Alle Aktionen und Initiativen der letzten 45 Jahre kann ich hier gar nicht aufzählen. Aber eines kann ich ganz klar sagen: Es lohnt sich! Immer! Denn selbst, wenn ein konkretes Ziel (noch) nicht erreicht wird, gerät doch immer etwas in Bewegung.

Manuskript: Frauke Mahr

Bearbeitung: Karin Feuerstein-Prasser

Frauke Mahr im Gespräch – YouTube