Niemand weiß wirklich, wer sie war und welches Schicksal sie und Ihre Gefährtinnen nach Köln verschlug. Dennoch hat die Stadt Köln sie nicht nur zur Stadtpatronin ernannt, sondern sie auch unübersehbar für alle Zeiten sichtbar auf ihre Flagge gesetzt:  11 schwarze Flammen (oder Tropfen) zieren das Kölner Wappen seit dem 16. Jahrhundert. Sie verweisen auf das blutige Schicksal, das die gottesfürchtige Tochter eines Königs aus der Bretagne und ihre elf (bis elftausend) Gefährtinnen hier in Köln ereilte. Aber da zeigen sich schon die ersten Unsicherheiten: War sie wirklich die Tochter von Maurus, dem bretonischen König, oder war sie Winnosa (Pinnosa), Tochter eines englischen Königs? Lebte sie tatsächlich im 4. Jahrhundert, zog sie mit elf oder mit elftausend Jungfrauen nach Rom und starb sie 389 n.Ch. als Märtyrerin in Köln durch die Hand des Hunnenkönigs Attila?

Köln, Dom, Marienkapelle, Altar der Stadtpatrone, geöffnet, Detail, linker Flügel, Detail: Hl. Ursula © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk
Kölner Dom, Altar der Stadtpatrone, linker Flügel, © Foto Matz und Schenk

Einig sind sich alle Legenden und Erzählungen darin, dass Ursula den englischen Königssohn Aetherius heiraten sollte, diesem aber einige ungewöhnlich Hürden auferlegte: Als erstes sollte er sich binnen drei Jahre taufen lassen, und vorab wollte sie mit einer Schar von vermutlich 11 Gefährtinnen (im Laufe der Jahrhunderte wurden daraus 11.000) eine Pilgerfahrt nach Rom unternehmen. Sie fuhren unbehelligt den Rhein hinauf bis Basel, dann wanderte die Jungfrauenschar über Land nach Rom, was einer Alpenüberquerung gleichkam. In Rom empfing sie der – historisch nicht belegte – Papst Cyriacus (möglicherweise Papst Siricius)  und schloss sich auf dem Rückweg der Pilgergesellschaft an. Ungewöhnlich genug für einen Papst – und gleichfalls unbewiesen…

In Mainz wartete Ursulas Verlobter Aetherius schon ungeduldig auf sie und wurde getauft, so dass einer baldigen Hochzeit nichts mehr im Wege stand. Dann zog die Gesellschaft weiter den Rhein hinab. Ursula hatte in einem Traum von dem bevorstehenden Martyrium erfahren, das schreckte sie aber nicht ab. Unbeirrt ließ sie die Schiffe weiter gen Köln steuern. Die Hunnen hatten leichtes Spiel mit den unbewaffneten Schiffen der christlichen Jungfrauen, sie richteten ein Blutbad an.  Ursula hätte sich und ihre Gefolgschaft durch eine Ehe mit dem nichtchristlichen Hunnenkönig Attila retten können, aber das kam für die christliche Jungfrau selbstverständlich nicht in Frage. So starb sie durch die Pfeile der Belagerer; Aetherius soll das gleiche Schicksal erlitten haben. Der Legende zufolge erschien nach dem Massaker eine Schar von 11.000 Engeln, die die verstörten Hunnen in die Flucht trieb.

Das grausige Geschehen lässt sich im Chor der Ursula-Kirche an einem Bilderzyklus verfolgen: Auf 24 Tafeln wird der Reiseverlauf bis zum bitteren Ende sehr detailliert dargestellt. Die Bilder der Maler (aus der Schule von Stefan Lochner) erscheinen wie Vorläufer der graphic novels. 

Hl. Ursula als Schutzmantel Madonna, Malerei auf Holz, Nördliche Niederlande, um 1495, heute Museum Schnütgen, Köln
Tafelbild aus Privatbesitz im Museum Schnütgen, © Rheinisches Bildarchiv Köln Marion Mennicken

Die Ursula-Legende erwies sich als äußerst vorteilhaft für das wirtschaftliche Gedeihen Kölns. Die unerschrockene Märtyrerin zog große Pilgerscharen in die Stadt. Erfreulicherweise gab es unzählige Knochenfunde im Umkreis der Basilika, sie wurden ohne Zögern der Heiligen Ursula und ihren Gefährtinnen zugeschrieben, so dass der Reliquienhandel blühen konnte. Dass aus den eigentlich elf Jungfrauen plötzlich 11 000 Gefährtinnen wurden, kann auch mit einem Schreibfehler zu tun haben. Aus der Abkürzung „M“ für Märtyerinnen wurde das lateinische „milia“, also tausend. Jedenfalls war das reiche Knochenmaterial von großem Vorteil.

Nach heutigen Erkenntnissen handelt es sich bei den Knochenfunden, die in der „Goldenen Kammer“ von Sankt Ursula, im „größten Beinhaus nördlich der Alpen“ äußerst dekorativ sortiert sind, um Überreste von Menschen, die vor etwa 2000 Jahren gelebt haben. Sie wurden damals auf diesem Gebiet – das außerhalb der Römermauern lag – bestattet. Als rund 1000 Jahre später die Stadt aus allen Nähten platzte, wurden die Stadtmauern versetzt, um mehr Wohnraum zu schaffen; bei den Arbeiten stieß man dann auf das antike Gräberfeld, wahrscheinlich aus der Römerzeit.   

Der Baubeginn der romanischen Damenstiftskirche St. Ursula wird auf das Jahr 1135 datiert. Sie hatte Vorgängerbauten aus ottonischer Zeit. Dass es sich schon damals um eine Verehrungsstätte für die Jungfrauen gehandelt haben könnte, ist möglich, aber – wie so vieles in der Geschichte – unbewiesen:  

Es gibt einen steinernen Hinweis, die Clematius-Inschrift, die vielleicht aus dem 9. oder 10. Jahrhundert stammt, (aber auch um das Jahr 400 entstanden sein könnte…). Aus ihr lässt sich ablesen, dass an diesem Ort nur die Gebeine der Heiligen Jungfrauen bestattet werden sollen – unter Androhung des Höllenfeuers bei Zuwiderhandlung. Allerdings werden keine Namen genannt, auch keine Zahl.  Die Echtheit dieser Inschrift ist nicht gesichert.  

In der Kirche lagen die Reliquien zunächst unter dem Kreuzaltar vor dem Chor in einer gewölbten Reliquienkammer. 1643, mitten im Dreißigjährigen Krieg, wurde die berühmte „Goldene Kammer“ in die – mittlerweile dem Zeitgeschmack angepasste und umgestaltete – Kirche gebaut. Ein reicher Kaufmann und kaiserlicher Reichshofrat, Johann Krane, und seine Frau Verena Hegemihler, finanzierten den Aufbau samt Ausstattung, um der Ursula-Verehrung einen zentralen Raum zu geben.  

Was immer auch heutige Besucher*innen in diese Grabkammer lockt, Sankt Ursula ist – nach dem Dom – die meistbesuchte Kirche Kölns.

Eine Legende, erzählt von Gerda Laufenberg

Quellen

  • Hiltrud Kier, Ulrich Krings: Die Romanischen Kirchen in Köln. Vista Point Verlag, Köln 1991. ISBN 3-88973-601-7.
  • Albert Gereon Stein Die heilige Ursula und ihre Gesellschaft, 23. Oktober 2017/Nachdruck der Ausgabe von 1879, Hansebooks   
  • Tilman Röhrig: Sagen und Legenden von Köln( Wienand-Verlag 1984/ Illustrationen Gerda Laufenberg)