Als Diplomtheologin, MA und Lehrerin für die Sekundarstufe II arbeite ich bis zum baldigen Renteneintritt an einem Kölner Gymnasium. Davor habe ich neben verschiedenen Stellen an Schulen in Köln und außerhalb auch in der Fort– und Weiterbildung gearbeitet, sowie freiberuflich im journalistischen Bereich.  

Ich bin verheiratet und habe drei Kinder und zwei Enkel. Ein wichtiger Teil meines Lebens sind für mich die Fotographie und das aktive Musikmachen. Derzeit bin ich Bürgermeisterin der Stadt Köln und seit vielen Jahren kulturpolitische Sprecherin der Grünen Ratsfraktion.

Brigitta von Bülow
© Brigitta von Bülow

Geboren und aufgewachsen bin ich in der niedersächsischen Kleinstadt Goslar in einem konservativen Umfeld als mittleres von drei Kindern. Mein Schulbesuch war von der Trennung von Mädchen und Jungen bestimmt. Es gab von alters her das Mädchen- und das Jungengymnasium – leider ohne die Chance zur Stärkung von Mädchen wahrzunehmen.  Kurz vor meinem Abitur wurde die Koedukation eingeführt.

Früh erkannte ich, dass Männer es leichter haben, interessante Dinge zu tun und dass sie mehr Einflussmöglichkeiten haben. Das erschien mir unfair und nicht in Ordnung. Ich haderte früh mit Rollenklischees und wollte nicht viel mit ihnen anfangen.

In meiner Kindheit galt in meinem Umfeld, dass Frauen zwar auch eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren sollten, aber gleichzeitig wurde verdeutlicht, dass es dabei darum geht, für den Notfall abgesichert zu sein. Frauen waren vor allem für Familie und Kinderversorgung zuständig – das war ungeschriebener Konsens. Für mich stand außerfrage, dass die Frage von Kinderversorgung auch anders zu lösen sein musste: als ich meine drei Kinder bekam, führte das zur Gründung von Elterninitiativen zur Kinderversorgung.

In der Schule kam ich in Kontakt kam mit den Ideen der Aufklärung. Sie verhießen mir nicht nur Freiheiten, sondern forderten auch Verantwortung. Seither war ich politisch interessiert und engagiert.  Ich wollte Dinge mitgestalten, solidarisch sein und Verantwortung übernehmen. Meine politischen Wurzeln lagen in außerparlamentarischen Bewegungen: neben dem Feminismus unter anderem „Frieden“, „Dritte Welt“, Solidarität weltweit, Ökologie, „Anti AKW“. Ich wurde Gewerkschaftsmitgliedschaft, machte Industriepraktika und war am Göttinger Betriebsexpress beteiligt. Ebenso wichtig war mir der interkulturelle und interreligiöser Dialog.

Brigitta von Bülow
© Michael Wagener

Die „Frauenfrage“, später erweitert zur sogenannten Gender-Debatte, begleitet mich theoretisch und praktisch seit meiner frühesten Jugend. Während meiner Studien- und Berufszeit war die Thematik für mich immer relevant, sowohl in der persönlichen Entwicklung und Politisierung als auch als inhaltlicher Schwerpunkt. Die Zeit des Studiums war für mich auch die Zeit der Frauengruppen und des Feminismus am Ende der 1970er und in den 1980er Jahren, der Frauenfriedensgruppen, der Frauenzentren, Frauenlieder und der lila Hosen.

Frauengruppen boten mir Möglichkeiten zur Selbstvergewisserung. Im Studium selbst gab es theoretische Reflexionen zu feministischer Frauenforschung, feministischer Theologie, Auseinandersetzungen mit Rollenbildern und -klischees sowie mit Frauenidentitäten. Die Bücher der Reihe „Rowohlt Neue Frau“, die Zeitschrift „Courage“ und die Auseinandersetzung mit dem §218 prägten mich nachhaltig. Ich erlebte ein befreiendes Umfeld mit eigenen Entwicklungsmöglichkeiten und gegenseitigem Empowerment.

In der weiteren beruflichen Entwicklung setzte ich dieses Engagement und den Diskurs dazu auf unterschiedliche Weise theoretisch und praktisch fort: in kleinen Frauenteams als Dozentinnen zu feministischen Themen in der Volkshochschule und in der Melanchthon-Akademie, aber auch in autonomen Frauenprojekten und in deren Netzwerken.

Als ich 1984 nach Köln kam, wurde ich aktives Mitglied des Notrufs für vergewaltigte Frauen. Dort arbeitete ich 14 Jahre im Vorstand. Wir verstanden unsere Beratungen als Teil unserer politischen Arbeit, daher ohne Bezahlung. Neben dem Notruftelefon legten wir unseren Schwerpunkt auf die Aufklärung über und die Bekämpfung der patriarchalen Gewaltstrukturen, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen hervorbringen. Es war und ist unser größtes Anliegen, dieses Thema öffentlich zu machen und es als gesellschaftliches statt als individuelles Problem zu begreifen und anzuprangern. 

Durch die Notruf-Arbeit war ich eingebunden in das Netzwerk autonomer Frauenprojekte und Vereine und in die feministische Bildungsarbeit mit den Themenschwerpunkten: Gewalt gegen Frauen, sexueller Missbrauch, Gen – und Reproduktionstechnologie, die Genderdebatte, der interreligiöse Dialog sowie internationale Frauenprojektarbeit. Da für mich auch die Einbindung der Thematik in internationalen Zusammenhängen wichtig ist, wurde ich Mitglied bei Unifem, später UN -Women Mitglied.

Schließlich trat ich der Grünen Partei bei, denn ich wollte Politik noch einmal anders gestalten. Mindestens die Hälfte des Himmels – so werden bei den Grünen Listen aufgestellt, Posten besetzt, Redebeiträge quotiert. Das ist aktives Empowerment, schafft Bewusstsein und führt zu gleichberechtigter Teilhabe, auch wenn die Frage, wie das ehrenamtliche Ratsmandat mit Berufstätigkeit und Familienarbeit in Einklang zu bringen ist, nach wie vor nicht wirklich gelöst ist.

Für Bündnis 90/Die Grünen war ich zunächst 6 Jahre lang Fraktionsvorsitzende in der Bezirksvertretung Ehrenfeld. Seit 2005 bin ich im Rat der Stadt Köln. Ich startete dort als Frauenpolitische Sprecherin und war entsprechend auch im Ausschuss allgemeine Verwaltung und Recht zuständig für Personalpolitik und Frauenförderung. In der Ratsfraktion war ich in unterschiedlichen Rollen unterwegs: als Mitglied des Vorstandes, als stellvertretende Fraktionsvorsitzende, als Vorsitzende und seit 2020 als Bürgermeisterin.

Brigitta von Bülow
© Cornelis Gollhardt

Auch wenn mein politischer Schwerpunkt seit längerem nicht mehr die Frauenpolitik und Genderdebatte ist, so sind doch meine Haltung und mein Blick auf die Ratsarbeit ganz klar davon geprägt. Die Themen bleiben ständig virulent, als Querschnittsthemen – sei es bei gendergerechter Sprache, bei Fragen des Haushaltes und des Genderbudgeting, oder wenn es um die Förderkulissen im Kulturbereich geht – um nur 3 Bereiche kurz anzureißen.

Aus meiner feministischen Haltung heraus gestaltet sich auch mein schulischer Alltag. Hier sehe ich wichtige Anknüpfungspunkte, aber auch noch viel Handlungsbedarf.

Ein letzter Bereich, der mir ebenfalls sehr am Herzen liegt und mir wichtiger erscheint denn je, ist meine Sprecher*innentätigkeit im Bündnis „Köln stellt sich quer“. Denn gerade für Feministinnen ist der Kampf gegen rechts fundamental.

Es bleibt viel zu tun – aber es hat sich auch schon viel entwickelt. Ich hoffe, dass sich das Bewusstsein für die Gleichstellung von Frauen und Männern fortsetzt, auch wenn der politische Gegenwind derzeit eher wieder stärker wird.

Autorin: Brigitta von Bülow