Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus wird meist mit dem Namen Stauffenberg und dessen gescheitertem Attentat auf Adolf Hitler verbunden. Ein wenig im Schatten hingegen steht der „Kreisauer Kreis“, jene Gruppe um Helmuth James von Moltke, die heimlich Pläne für ein neues Nachkriegsdeutschland ausarbeitete. Seine Ehefrau Freya, eine geborene Kölnerin, war an allen Plänen beteiligt.

Auf der „Millionenallee“ des Melatenfriedhofs befindet sich die imposante Grabanlage der Familie Deichmann. Auch Freya von Moltke, geb. Deichmann, wird in einer Inschrift erwähnt.

Freya Deichmann erblickte am 29. März 1911 als drittes Kind das Licht der Welt. Ihr Geburtshaus in der Trankgasse 7a existiert heute nicht mehr. Es wurde 1913 abgerissen und durch das „Deichmannhaus“ am Bahnhofsvorplatz ersetzt. Hier erinnert auch eine Stele, die wegen ihrer Unscheinbarkeit öffentlich kritisiert wurde, an das Leben und Wirken der Freya von Moltke.

Freya und Helmuth J. von Moltke, © forwertz GbR

Die Deichmanns gehörten als alteingesessene Bankiersdynastie vorübergehend zu den reichsten Kölner Familien. 1913 bezog die Familie eine Villa am Georgsplatz 16, ganz in der Nähe der Kaiserin-Augusta-Schule, die Freya bis zur Mittleren Reife besuchte. Durch Privatunterricht war es ihr möglich, 1930 das Abitur zu machen und mit dem Jurastudium zu beginnen.

Im gleichen Jahr lernte sie bei einer Ferienfreizeit den 1907 geborenen Jurastudenten Helmuth James von Moltke kennen, Sprössling eines mecklenburgischen Adelsgeschlechts. Der junge Mann lebte im schlesischen Kreisau, rund 900 Kilometer von Köln entfernt.

Die beiden führten eine intensive Korrespondenz und heirateten 1931in Köln. Freyas Vater starb drei Tage später. Von ihrem neuen Lebensmittelpunkt Gut Kreisau setzte sie ihr Jurastudium fort und schloss es mit der Promotion ab.

Inzwischen waren die NSDAP an die Macht gekommen, weswegen Helmut J. von Moltke vermutlich keine Kinder in die Welt setzen wollte. Anders Freya! 1937 wurde Sohn Helmuth Caspar geboren, 1941 folgte Konrad.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte man Moltke als Kriegsverwaltungsrat bei der Wehrmacht dienstverpflichtet. Doch er war ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Gemeinsam mit einem Kreis Vertrauter, unter ihnen Marion und Peter Yorck von Wartenburg, begannen die Moltkes heimlich eine Gruppe aufzubauen, die Pläne für ein neues Nachkriegsdeutschland ausarbeitete. Freya organisierte dreimal Zusammenkünfte, im Mai und Oktober 1942 und im Juni 1943, meist auf Gut Kreisau, das der Widerstandsgruppe ihren Namen gab: Kreisauer Kreis. Er umfasste im inneren Zirkel etwa 20 Personen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten: Arbeiterbewegung, kirchliche Zusammenhänge, Adel und Bürgertum.

Freya von Moltke war in alle Pläne einbezogen. Helmuth J. von Moltke wurde im Januar 1944 verhaftet, weil er einen befreundeten Diplomaten vor Spitzeln gewarnt hatte. Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 deckte die Gestapo die Aktivitäten des Kreisauer Kreises auf. Die Akteure wurden verhaftet. Dank des risikobereiten Gefängnispfarrers Poelchau konnte das Paar 1600 (!) Briefe, an der Zensur vorbeigeschmuggelt, austauschen. Nach Freyas Tod durften sie veröffentlicht werden. Am 23. Januar 1945 wurde Helmut James von Moltke in der Haftanstalt von Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Freya von Moltke 2008 in Vermont, „Hellmut Schlingensiepen im Gespräch mit Freya von Moltke, © forwertz GbR

Freya war der bevorstehende Verlust von Gut Kreisau klar. Ihr bot sich die Chance, ein Leben fern des kriegszerstörten Deutschlands in Südafrika aufzubauen, wo die Herkunftsfamilie ihres Mannes Vermögen hinterlassen hatte. Von 1947 bis 1956 lebte sie mit ihren Kindern in Kapstadt und kehrt dann zurück nach Deutschland.

Hier nahm Freyas Leben noch einmal eine unvorhergesehene Wendung. Sie begegnete in Berlin Eugen Rosenstock-Huessy, dem früheren Juraprofessor ihres Mannes. Vier Jahre später, nach dem Tod seiner Ehefrau, zog Freya zu ihm in die USA in das Örtchen Norwich. Dort verbrachte mit ihm zwölf glückliche Jahre, bis ihr Lebensgefährte 1973 starb.

Freya gab Helmuth J. Moltkes Briefe heraus und verfasste selbst ihre „Erinnerungen an Kreisau“. Nach der „Wiedervereinigung“ Deutschlands engagierte sie sich für die deutsch-polnische Versöhnung und konnte – mit Unterstützung – erreichen, dass das ehemalige Gut Kreisau (heute Kryzowa) 1992 eine internationale Jugendbegegnungsstätte wurde. Kreisau steht für einen Neuanfang der deutsch-polnischen Beziehungen.
2004 wurde die Freya von Moltke Stiftung gegründet, um die Erinnerung an den Kreisauer Kreis zu bewahren und die Arbeit der Internationalen Gedenk- und Begegnungsstätte zu fördern. Heute ist Kreisau ein Ort des Dialogs, wo jährlich viele Tausend Menschen zusammenkommen.
Freya von Moltke starb am 1. Januar 2010 im Alter von 98 Jahren.

Zu ihrem 100. Geburtstag wurde in Köln mit der Veranstaltung „Ein Leben im Dienst der Menschlichkeit“ an sie erinnert. Die Kölner Antoniterkirche und die Melanchton-Akademie waren beteiligt. Ihr zu Ehren wurde ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert.

2016 kam ein Dokumentarfilm über sie in die Kinos: Geschichte einer Liebe – Freya.
2018 wurde in Köln Deutz eine Straße nach ihr benannt.

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser und Ina Hoerner

Quellen

  • Frauke Geyken, Freya von Moltke. Ein Jahrhundertleben 1911-2010, München 2011
  • Sylke Tempel, Freya von Moltke. Ein Leben. Ein Jahrhundert, Reinbek 2010
  • Freya von Moltke (Hg.) Helmuth von Moltke, Briefe an Freya 1933-1945, München 2005
  • Freya von Moltke, Erinnerungen an Kreisau 1930-1945, München 2003
  • Freya und Helmuth James von Moltke, Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel September 1944 bis Januar 1945, München 2011