Vermutlich lag es an ihrem frühen Tod, dass diese bemerkenswerte Historikerin weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Dabei war Ermentrude von Ranke die erste Frau, die sich 1922 an einer deutschen Universität habilitierte und etwas später auf einen Lehrstuhl berufen wurde.

Als Ermentrude von Ranke am 21. November 1892 im schlesischen Görlitz geboren wurde, waren Deutschlands Universitäten noch reine „Männerbastionen“. Erst ab 1900 wurden an den ersten Hochschulen auch Studentinnen offiziell zugelassen.

Ermentrude von Ranke
Ermentrude Bäcker-von Ranke um 1920, © Stadtarchiv Köln

Ermentrude von Ranke besuchte mit Sondergenehmigung die Höhere Schule in Rudolstadt und machte 1911 als einziges Mädchen Abitur, gefolgt von einer Ausbildung an einem Lehrerinnenseminar. Dann aber beschloss sie, Geschichte zu studieren und damit in die Fußstapfen ihres berühmten Großvaters zu treten, des preußischen Historikers Leopold von Ranke, einer der Gründungsväter der modernen Geschichtswissenschaft.

Ihr Studium an der Martin-Luther-Universität in Halle an der Saale schloss Ermentrude von Ranke 1915 mit der Promotion zur Dr. phil, ab. Die Arbeit Das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Der Landstreit gegen die fürstliche Willkür vor Reichskammergericht und Reichshof wurde mit Summa cum laude ausgezeichnet.

Ermentrude von Ranke wollte weiterhin wissenschaftlich arbeiten und entschloss sich, eine Stelle als Volontärin beim Stadtarchiv in Köln anzunehmen. Joseph Hansen, der Direktor des Archivs, beauftragte sie mit der Arbeit an einer Quellenpublikation zur Kölner Wirtschaftsgeschichte 1500-1650. Durch Hansen und seine Frau Johanna, die sich beide engagiert für die Weiterbildung von Frauen einsetzten und zum Gründerteam des ersten Kölner Mädchengymnasiums gehörten, lernte Ermentrude von Ranke vermutlich auch Mathilde von Mevissen kennen, der die Mädchenbildung ganz besonders am Herzen lag.

Seit 1920 war es an deutschen Universitäten möglich, dass sich auch Frauen habilitieren konnten. Nachdem Ermentrude von Ranke 1921 eine Stelle als wissenschaftliche Assistentin am Historischen Seminar der Universität Köln angetreten hatte, verfasste sie nur ein Jahr später ihre Habilitationsschrift zum Thema Die Kölner Handelsbeziehungen im 16. und 17. Jahrhundert, bei dem sie sich auf ihre Arbeiten beim Stadtarchiv stützen konnte.

Obwohl sie nun Deutschlands erste habilitierte Historikerin war, so lag ihre Zukunft doch im Ungewissen. 1923 wurde sie in Köln Privatdozentin für Geschichte. Erst 1926 erhielt sie den Ruf an die Christian-Albrechts-Universität Kiel und lehrte dort drei Jahre lang Mittlere und Neuere Geschichte. Seit ihrer Heirat 1928 trug sie den Namen Ermentrude Bäcker von Ranke, unter dem sie auch publizierte.

1929 gingen beide nach Dortmund, wo sie jeweils einen Lehrstuhl an der neu gegründeten Pädagogischen Akademie erhielten. Im gleichen Jahr kam Sohn Gisbert zur Welt. Die Pionierin der Geschichtswissenschaft bewältigte ihre Doppelbelastung.

Seminarfest Juni 1925
Seminarfest Juni 1925, © Stadtarchiv Köln

Neben ihrer Lehrtätigkeit veröffentlichte Ermentrude von Ranke zahlreiche sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Arbeiten, darunter Forschungen zur politischen Haltung des deutschen Bürgertums im 16. Jahrhundert. So konnte sie entgegen anders lautender Lehrmeinung nachweisen, dass die Bürgerinnen und Bürger damals sehr wohl über die politischen Entwicklungen in Europa informiert waren, sich aber nur dann wirklich dafür interessierten, wenn es das Wohlergehen ihrer Stadt oder näheren Umgebung betraf. Dazu hatte Ermentrude von Ranke zahllose Briefe, Haus- und Gedenkbücher ausgewertet. So war sie auch auf einen weiteren interessanten Aspekt gestoßen: Während das politische Interesse in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückging, rückte das Familienleben stärker in den Fokus. Das betraf auch und vor allem die Rolle der (bürgerlichen) Frauen, denen Ende des 16. Jahrhunderts spürbar mehr Wertschätzung entgegengebracht wurde. Das hatte gewiss auch mit der Reformation zu tun, denn die Mütter, denen die Kindererziehung überwiegend oblag, mussten in der Lage sein, dem Nachwuchs aus der Bibel vorzulesen und damit selbst eine gewisse Bildung vorweisen. Insofern war auch ein größerer Handlungsspielraum möglich geworden.

Überhaupt interessierte sich Ermentrude von Ranke sehr stark für die Geschichte der Frauen. Bereits 1922 hatte sie die Monografie „Kölner Frauenarbeit einst und jetzt“ veröffentlicht. Seit ihrem Ruf an die Pädagogische Akademie Dortmund beschäftigte sie sich auch mit didaktischen Fragen. Eines der wichtigsten Ziele des Geschichtsunterrichts war für sie, dass sich Schülerinnen und Schüler mit den verschiedenen politischen Haltungen auseinandersetzten und sich bemühten, auch die „andere Seite“ zu verstehen. Toleranz fand für Ermentrude von Ranke, die in der Weimarer Republik zur Minderheit demokratisch gesinnter überwiegend männlicher Hochschullehrer gehörte, auch im täglichen Miteinander unabdingbar.

Die fortschrittlichen Gedanken der Ermentrude von Ranke fielen leider nicht auf fruchtbaren Boden. Deutschlands erste habilitierte Historikerin starb bereits am 27. April 1931 bei der Geburt ihres zweiten Kindes.

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser

Quellen

  • Paletschek. Sylvia, Ermentrude und ihre Schwestern. Die ersten habilitierten Historikerinnen in Deutschland, in: Politische Gesellschaftsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Festgabe für Barbara Vogel, hg. Von Henning Albrecht u.a., Hamburg 2006, S. 174-187
  • dies., Die Geschichte der Historikerinnen. Zum Verhältnis von Historiografie und Geschlecht, in: Freiburger Frauenstudien 20
  • Ute Planert (Hrsg.), Alberts Töchter – Kölner Frauen zwischen Stadt, Universität und Republik (2019)