Als ich nach Deutschland kam, war ich ein Ein-Frau-Zirkus.

Aus dem Interview mit ihrer Nachfolgerin Britta Petersen im Stiftungs-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Lahore, Pakistan.

Roshan Dhunjibhoy wurde 1931 in Kalkutta in eine Parsen-Familie hineingeboren. Ihr Vater hatte in Europa Medizin studiert und arbeitete als Psychiater im Provinzort Ranchi, ihre indische Mutter war von höherem Stand und besaß die deutsche Staatsangehörigkeit, da ihr Vater als Professor für Persische Kultur für einige Jahre an einer Berliner Universität unterrichtet hatte. Roshan Dhunjibhoy besuchte eine katholische Nonnenschule, wo sie die Liebe zur Literatur und Kunst entdeckte sowie auch erste feministische Ideen entwickelte. Sie bemerkte schon als Kind die große Ungleichheit in ihrem Land und empfand das Bedürfnis, diese zu überwinden. Von der Schwester im marxistischen Denken geschult, soll sie in jungen Jahren der KP Indiens beigetreten sein.

Portrait Roshan Dhunjibhoy
© Heinrich-Böll-Stiftung

Ihr vorrangiger Berufswunsch war es, Schauspielerin zu werden, was der Vater jedoch verbot. Sie ging dann zum Studium in die USA an die Universität Boston um Journalismus zu studieren, besuchte dort aber auch heimlich eine Schauspielschule. Durch die Verfolgungen der Linken unter McCarthy erwachte ihr politisches Bewusstsein erneut, sie musste in der Folge dann aber als politisch aktive Ausländerin die USA verlassen. Sie zog nach Frankreich, studierte dort unter anderem Politische Wissenschaften und promovierte an der Sorbonne in Paris. In Frankreich verfasste sie erste Bücher, unter anderem über die Frauen ihres Heimatlandes.

Ab 1951 arbeitete sie in Frankreich bei UNESCO Radio Division, später für die anerkannte Agentur „Agende France Press“. In Paris begann auch ihre Karriere als Filmemacherin, Regisseurin und Produzentin. Anfang der Sechziger Jahre zog Roshan Dhunjibhoy nach Köln. Hier wurde sie aktives Mitglied des Republikanischen Club Köln e. V. und 1969 als erste Frau in dessen Vorstand gewählt. Im Club und in Schriften regte sie angesichts der anwachsenden Arbeitsmigration nach Deutschland Diskussionen zur Lage der benachteiligten „Gastarbeiter“ an. Als Journalistin fand sie Zugang zu Ländern, die anderen Journalist*innen nicht unbedingt offen gestanden hätten, sei es in Ägypten unter Nasser, in China oder auch Nord-Korea. Sie drehte in Venezuela, Nicaragua und in gefährlichen Kriegsgebieten wie Angola und Vietnam, interviewte Mao Tse Tung ebenso wie Bob Marley, Kim Jong III oder den Schah von Iran. Viele Sendungen entstanden gemeinsam mit ihrem Mann. Dhunjibhoys differenzierte Beiträge zum Weltgeschehen wurden über 27 Jahre in den Programmen der ARD sowie im ZDF ausgestrahlt oder waren im Radio bei der Deutschen Welle zu hören. Seit den 60er Jahren war sie „das indische Gesicht“ im Deutschen Fernsehen. Ihre Auftritte in Werner Höfers „Internationalem Frühschoppen“ waren legendär. Wie keine andere Frau hat sie politische, kulturelle und religiöse Interessen und Sichtweisen der Dritten Welt in deutsche und internationale Debatten einzubringen vermocht. Sie war damit eine Pionierin und Vorbild für viele junge Frauen in der Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem habe sie „bis zum letzten Tag in Deutschland Rassismus gespürt“, so ihr Rückblick in einem späteren Interview.

Anfang der Neunziger Jahre stieg sie wegen des Niveauverlustes im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aus dem deutschen Journalismus aus und wandte sich der politischen Praxis zu. Ihr politisches Augenmerk galt dabei der sozialen und internationalen Gerechtigkeit. Motiv ihres Denkens und Handelns war immer der Kampf gegen Unrecht und Willkür. Im Alter von 60 Jahren trat sie der Partei Die Grünen bei und gründete die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung in Köln mit, bei der sie erst ehren- und dann hauptamtlich tätig war. 1993 gründete sie im pakistanischen Lahore das erste Büro der Heinrich-Böll-Stiftung für Süd- und Südostasien und koordinierte die Arbeit in der gesamten Region, einschließlich der Unterstützung lokaler Frauenprojekte. 2001 gab Roshan Dhunjibhoy die Leitung des Asienbüros ab, ging in den Ruhestand und ließ sich in Chiang Mai, Nord-Thailand nieder. Sie konvertierte zum Buddhismus und gründete 2003 eine NGO, die sich für Straßenhunde und gegen die weit verbreitete Tollwut einsetzte. Am 24. April 2011 starb sie kurz nach ihrem 80. Geburtstag.

Autorin: Susanne Zickler