Dass eine Frau eine berufliche Laufbahn als Dirigentin einschlagen könnte, schien noch in den 1970er Jahren außerhalb des (männlichen) Vorstellungsvermögens zu liegen. Mascha Blankenburgs Lehrer Hans Swarowsy (1899-1975) soll ihr jedenfalls geraten haben, dorthin zurückzugehen, wo sie herkäme: „in die Küche“.

Das hat sie natürlich nicht getan, denn die Musik hatte sie schon ihr Leben lang geprägt und begleitet. Im schwäbischen Mindelheim, wo Blankenburg am 13. Dezember 1943 zur Welt kam, begann sie bereits als Sechsjährige Klavier zu spielen. Ihre Mutter war Pianistin und Musikpädagogin. Elke lernte auch Violine und Trompete zu spielen und begann, sich für Gesang, Tanz und Komposition zu interessieren. Sie sang in verschiedenen Chören und wirkte schon während der Schulzeit als Geigerin im Orchester mit.

Klar, dass sie Musik studieren würde. Nachdem zunächst die evangelische Kirchenmusik im Mittelpunkt gestanden hatte, widmete sie sich ab 1970 dem Studium der Chor- und Orchesterleitung in Köln. Als große Verehrerin der Dichterin Mascha Kaléko nannte sie sich künftig Elke Mascha Blankenburg und wurde unter diesem Künstlerinnennamen eine der ersten professionellen Dirigentinnen Deutschlands: „Nie brauche ich so viel Kraft und Konzentration wie beim Dirigieren“, beschrieb sie ihre musikalische Arbeit, „aber nie wird man auch so belohnt. Man hebt den Taktstock, dann kommt der Einsatz – das ist etwas Ungeheures.“

Mascha Blankenburg kam 1970 nach Köln und arbeitete zwanzig Jahre lang als Kantorin an der Christuskirche im Stadtteil Dellbrück. Dort gründete sie auch den Chor Kölner Kurrende, der mit seinem anspruchsvollen Repertoire mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurde. (Der Name Kurrende geht auf die Reformationszeit zurück und bezeichnet den Chor ärmerer evangelischer Schüler, die von Haus zu Haus zogen und für ihren Gesang ein wenig Geld bekamen.) 1980 organisierte sie gegen Widerstände das erste internationale Komponistinnen-Festival in Köln und Bonn.

Die Schwerpunkte ihres Repertoires lagen im sinfonischen Bereich auf den Werken der Klassik und frühen Romantik, im oratorischen Bereich auf allen Ebenen. Die Aufführung der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach erhielt zahlreiche positive Resonanzen.

„Neben hoher Musikalität scheint Elke Mascha Blankenburg eine bezwingende Ausstrahlungskraft zu besitzen, die Sänger und Orchester zu musikalischen Höchstleistungen zu inspirieren vermag. Sie weiß, was sie kann, und sie kann, was sie will.“

Bonner Rundschau am 25. März 1981

Ihr besonderes Interesse aber galt dem Werk längst vergessener Komponistinnen: „Während meines fünfjährigen Studiums war nie auch nur von einer einzigen Komponistin die Rede.“, erzählte sie später in einem Interview. Mit großem Engagement widmete sie sich nun der Sichtbarmachung dieser Frauen und brachte sie so ins öffentliche Bewusstsein: „Mir war bewusst, dass ich eine Korrektur der Musikgeschichte, die Komponistinnen bis dahin unterschlagen hatte, einleite.“ Schließlich hatte sie während ihrer Ausbildung – aber auch später – erfahren, wie schwer es für Frauen in der Musik war und ist, als Musikerin und insbesondere auch als Dirigentin akzeptiert zu werden – gerade von den eigenen Kollegen. Aber Mascha Blankenburg verfügte über genügend Energie, Können und Selbstbewusstsein, um sich davon nicht irritieren zu lassen.

Mascha Blankenburg dirigiert
© Christel Becker-Rau

Ein musikalischer Höhepunkt in Mascha Blankenburgs Karriere war 1984 die Welt-Uraufführung des Oratoriums nach Bildern der Bibel von Fanny Hensel, geb. Mendelssohn (1805-1847). Nächtelang hatte die Musikerin die Partitur transkribiert und erinnerte sich: „Die Stille der Nacht schenkte mir die höchste Konzentration. Das Bewusstsein, dass ich die Erste bin, die diese Musik nach 153 Jahren hört und für die Uraufführung vorbereitet, verlieh mir das stolze Gefühl der Einmaligkeit.“

1986 folgte die Gründung des Kölner Clara-Schumann-Orchesters, des einzigen professionellen Frauensinfonieorchesters. Mit dem Ensemble führte sie Werke von Komponistinnen der Klassik, Romantik und Moderne auf, z.B. Jeanne Louise Farrenc, Fanny Hensel und Clara Schumann. Mit ihrem Interesse am Werk der Komponistinnen stand Mascha Blankenburg nicht allein. Es entstand ein Kreis von weltweit Engagierten und Musikinteressierten, aus dem die Gründung des Vereins Internationaler Arbeitskreis Frau und Musik (IAK) hervorging. Daraus entwickelte sich auch das einzigartige Archiv Frau und Musik, das seinen Sitz heute in Frankfurt hat.

Mascha Blankenburg dirigiert das Clara Schumann Orchester
Mascha Blankenburg dirigiert das Clara Schumann Orchester, © Christel Becker-Rau

Für ihre künstlerische Leistung und musikwissenschaftliche Forschungsarbeit wurde Mascha Blankenburg 1999 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Doch ausgerechnet jetzt, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, machte ihr ein schwerer Hörsturz unmöglich, weiterhin als Dirigentin zu arbeiten. Doch sie gab nicht auf und machte sich künftig einen Namen als freie Autorin, Referentin und Musikjournalistin. 2003 erschien ihr Werk Dirigentinnen im 20. Jahrhundert. Porträts von Marin Alsop bis Simone Young. Es gilt heute als Standardwerk. Wie sie im Vorwort schreibt, sei es ihr Anliegen gewesen, zu zeigen, wie sich Frauen über „bestehende Vorurteile und Hindernisse hinweggesetzt haben“ und in einem stark männlich geprägten Berufsbild ihren eigenen Weg gegangen sind.

Eine schwere Krankheit beendete Mascha Blankenburgs unermüdliches Schaffen. Sie starb am 9. März 2013 im Alter von 69 Jahren. Die Zeitschrift Mathilde würdigte sie in einem Nachruf:

„Mascha Blankenburg war eine Pionierin für Frauen in (fast) allen Bereichen der Musik. Sie hinterlässt eine aufstrebende Generation von Dirigentinnen, Komponistinnen und Musikwissenschaftlerinnen, die deutlich leichter Musikfestivals und Hochschulen erobern. Für sie hat diese große starke Frau die Wege geebnet.“

MATHILDE-Magazin

Noch im gleichen Monat wurde Mascha Blankenburg posthum zur Ehrenvorsitzenden des Internationalen Arbeitskreises Frau und Musik ernannt, in dessen Archiv sich auch ihr Nachlass befindet. 2017 verlieh ihr die Stadt Köln posthum die Ehrenbürgerschaft.

Kurzbiografie nach dem Originaltext von Anne-Marie Bernhard/Susanne Wosnitzka (2020): Elke Mascha Blankenburg, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv

Textbarbeitung: Karin Feuerstein-Prasser

Auswahl der Auszeichnungen:

  • 1989: Stadtmusikerin der Stadt Unna.
  • 1999: Bundesverdienstkreuz am Bande für ihre künstlerische Leistung und ihre Forschungsarbeit im Bereich der Musikwissenschaft.
  • 2008: Premio Domenico Rea (Neapel), Kulturpreis für das Lebenswerk.
  • 2013: Ehrenvorsitzendes des Internationalen Arbeitskreises Frau und Musik (posthum)
  • 2017: Ehrenbürgerschaft der Stadt Köln (posthum)

Mit ihrem Chor Kölner Kurrende erzielte sie folgende Auszeichnungen:

  • 1981: 1. Preis Chorwettbewerb NRW.
  • 1982: 2. Preis Deutscher Chorwettbewerb und ein Dirigierstipendium des Deutschen Musikrats.
  • 1986: 3. Preis Internationaler Chorwettbewerb Arezzo (Italien).
  • 1994: Silbermedaille Internationaler Chorwettbewerb Riva del Garda (Italien).

Publikationen

CD- und LP-Veröffentlichungen als Dirigentin:

  • Georg Friedrich Händel: Chöre Aus Dem Messias. Orchester und Chor der Kölner Kurrende. Dirigentin: Elke Mascha Blankenburg. Köln 1977, Polyphonia, F 666.490.
  • Fanny Mendelssohn-Hensel: Oratorium nach Bildern der Bibel. Orchester und Chor der Kölner Kurrende. Dirigentin: Elke Mascha Blankenburg. Gesangssolisten: Annemarie Fischer-Kunz, Thomas Thomaschke, Isabel Lippitz, Hitoshi Hatano, Köln 1984, classic production osnabrück, Barcode: 76120390092.
  • Fanny Mendelssohn-Hensel: Gartenlieder. A-cappella-Chöre. Leonarda-Ensemble Köln. Dirigentin: Elke Mascha Blankenburg. Gesangssolisten: Edina Leue, Gabriele Peters, Herlind Wartenberg, Jörg Hannes Kuhn, Florian Giertzuch, Köln 1986, classic production osnabrück, Barcode: 76120390122.
  • Geistliche und weltliche Chormusik. Werke von Francis Poulenc, Anton Bruckner, Heinrich Schütz, Zoltán Kodály, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms, Robert Schumann. Orchester und Chor der Kölner Kurrende, Dirigentin: Elke Mascha Blankenburg. LP, Hübert 1986.
  • Albert Lortzing: Ali Pascha von Janina / Don Juan und Faust / Szenen aus Mozarts Leben. Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Dirigent: Jan Stulen / Eberhard Bäumler. Chor der Kölner Kurrende, Dirigentin: Elke Mascha Blankenburg. Rezitation: Gert Westphal, und weitere Beteiligte. CD, Musikproduktion Dabringhaus und Grimm 1991
  • Gioachino Rossini: Petite Messe solennelle. Kölner Kurrende, Dirigentin: Elke Mascha Blankenburg. Gesangssolisten: Jutta Potthoff, Ingeborg Most, Béla Mavràk, Instrumentalsolisten: Phillip Langshaw, Ursula Döll, Andreas Schönhage, Koch International 1993

Artikel von oder zu Mascha Blankenburg in der Zeitschrift ‚Emma‘

  • Blankenburg, Mascha, Die Unerhörtheit, Dirigentin zu sein, Emma 1977, Nr. 11 Heft: 11
  • Blankenburg, Mascha, Vergessene Komponistinnen, Emma 1977, Nr. 11, S. 44-46
  • Blankenburg, Mascha, Sein Beruf, ihre Zierde, Emma 1998, Heft 6, S. 66-68
  • Blankenburg, Mascha, Das Dirigieren hart gelernt, Emma 2003, Heft 4, S. 83
  • Blankenburg, Mascha, Den Takt sanft vermitteln, Emma 2003, Heft 4, S. 76-77
  • Blankenburg, Mascha, Sie ist nicht vergessen!, Emma 2003, Heft 4, S. 74
  • Strobl, Ingrid, Die Unerhörtheit, Dirigentin zu sein!, Emma 1980, Heft 11, S. 30-35
  • Dünnebier, Anna, Das vergessene Oratorium, Emma 1990, Heft 6, S. 52-53
  • Dünnebier, Anna, Das Frauenorchester, Emma 1990, Heft 6, S. 52-53
Quellen