Seit Oktober 2020 erinnert ein Stolperstein an die Jüdin Else Falk, die lange mit ihrer Familie im Haus Novalisstr. 2 in Köln-Bayenthal gelebt hat. Über Jahrzehnte hatte die Frauenrechtlerin zahlreiche soziale Projekte auf den Weg gebracht, bevor sie 1933 vom NS-Regime gezwungen wurde, ihre segensreiche Arbeit zu beenden.

Novalisstraße 2
Novalisstraße 2, © dav köln

Geboren wurde sie als Else Wahl am 25. April 1872 in Barmen, das heute zu Wuppertal gehört. Sie war das vierte von sieben Kindern und wuchs in gesicherten Verhältnissen auf. Ihr Vater Hermann Wahl, ein erfolgreicher Textilkaufmann, war 1910 wegen seiner verdienstvollen Tätigkeit zum königlich-preußischen Kommerzienrat ernannt worden. 

Über Elses Jugend ist kaum etwas bekannt. Am 3. April 1894 heiratete sie den Juristen Bernhard Falk (1867-1944), der ebenfalls jüdischer Herkunft war. Zunächst war Else Falk mit der Erziehung ihrer vier Söhne voll ausgelastet.

Nachdem Bernhard Falk die Zulassung als Rechtsanwalt am Kölner Oberlandesgericht erhalten hatte, zog die Familie nach Köln und lebte zunächst in der Christophstr. 39. Man verkehrte im assimilierten jüdischen Milieu, pflegte eine linksliberale Haltung und engagierte sich auch in der Politik. Während ihr Mann 1908 in den Kölner Stadtrat gewählt wurde, setzte sich Else Falk schon früh für das Frauenwahlrecht ein – unterstützt von ihren Mitstreiterinnen Rosa Bodenheimer, Mathilde von Mevissen und Klara Caro.

© AKF

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs und das damit verbundene Leid der Bevölkerung setzte neue Prioritäten. In den nächsten Jahren kümmerte sich Else Falk vorwiegend um bedürftige Witwen mit ihren Kindern sowie ehemalige Soldaten, die schwer verletzt an Leib und Seele aus dem Krieg zurück nach Köln gekommen waren. Auch ihr ältester Sohn wurde an der Front getötet.

Weil viele Männer auf dem Schlachtfeld ihr Augenlicht verloren hatten, richtete sie 1918 eine Blindenbibliothek ein, die mit Büchern in der Brailleschrift ausgestattet wurde. Gleichzeitig initiierte Else Falk die Einrichtung einer Schusterwerkstatt, die den Kriegsinvaliden ein ausreichendes Einkommen sichern sollte.

Else Falk engagierte sich auch politisch. Noch 1918 trat sie zusammen mit ihrem Mann in die neu gegründete linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) ein und vertrat künftig im Kölner Stadtrat die Interessen der ärmeren Bevölkerung.

Damit rückten auch die Frauen in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit. 1919 wurde Else Falk zur Vorsitzenden des im Vorjahr gegründeten Stadtverbandes Kölner Frauenvereine gewählt, einer gemeinnützigen, konfessionell und parteipolitisch unabhängigen Dachorganisation. Auch nach dem Ende des Krieges blieb die Situation angespannt, denn die junge Weimarer Republik war mit einer schweren Hypothek belastet, nicht nur politisch, auch wirtschaftlich. Die galoppierende Inflation der frühen zwanziger Jahre führte erneut zu großer Not zahlreicher Familien, die mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden mussten. Auch als das Schlimmste überstanden war, gab es noch alle Hände voll zu tun. Viele Witwen kamen mit ihrer kleinen Rente kaum über die Runden. Auf Initiative Else Falks wurden in den nächsten zehn Jahren in Köln vier Altersheime gebaut, darunter die 1927 von Hertha Kraus initiierten Riehler Heimstätten, die auf einem ehemaligen Kasernengelände entstanden.

Aber auch jüngere Frauen benötigten dringend Unterstützung, vor allem einkommensschwache berufstätige Mütter, die, überarbeitet und völlig erschöpft, unter der Doppelbelastung litten und dringend eine „Atempause“ benötigten. Mitte der 1920er Jahre gründete Else Falk den Verein für Müttererholung und Mütterschulung, um diesen Frauen am Rande ihrer Kräfte Erholungskuren zu ermöglichen. Für berufstätige Frauen schuf sie ein kollektives Wohnhaus innerhalb einer schönen GAG-Siedlung in Zollstock, das ihren Namen trägt – Bornheimer Str. 4.

Ein anderes großes Thema war der oft übermäßige Alkoholkonsum zahlreicher Familienväter, gerade im Arbeitermilieu ein gravierendes Problem. Else Falk setzte sich daher für Gaststätten ein, die keine alkoholischen Getränke anboten. Die GOA (Gaststätte ohne Alkohol) wurde ein florierendes Unternehmen mit mobilem Catering.

1925 war sie Mitbegründerin des Kölner Zweigs des Fünften Wohlfahrtsverbandes, dem Vorläufer des ‚Paritätischen Köln‘ (DPWV), der versuchte, die existenzielle Not der Menschen nach dem Ersten Weltkrieg zu verringern.

Aufruf zur Durchsetzung des Wahlrechts 1932
Aufruf zur Durchsetzung des Wahlrechts 1932, © Raimond Spekking

Nachdem ihre jüdische Herkunft lange Zeit keine Rolle gespielt hatte, begann sich die politische Situation gegen Ende der Weimarer Republik dramatisch zu verändern. 1932 unterzeichnete Else Falk einen Aufruf der Kölner Frauenvereine gegen die Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Noch im gleichen Jahr emigrierte ihr jüngster Sohn Hermann nach Australien.

Im März 1933 wurde Else Falk als Jüdin von den Nazis gezwungen, den Vorsitz des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine niederzulegen. Zwei Tage nach der für 12 Jahre letzten (!) Wahl betraten die lokale Frauenführerin der NSDAP und ein SA Mann das Büro in der Hohen Straße 38 und erklärten den Vorstand für abgesetzt. Um Schaden vom Verband abzuwenden, trat Else Falk von allen Ämtern zurück.

Sie engagierte sich nun notgedrungen in der Jüdischen Kunstgemeinschaft, in der sich die aus der GEDOK Ausgeschlossenen zusammengetan hatten.

Ihr Mann konnte als ehemaliger Frontkämpfer und Vater eines im Krieg gefallenen Sohnes noch bis 1938 als Anwalt praktizieren. Hingegen verlor Sohn Fritz seine Zulassung als Jurist und nahm sich im September 1933 das Leben.

Frauke Mahr, die erste Else-Falk-Preisträgerin 2020
Frauke Mahr, die erste Else-Falk-Preisträgerin 2020, © AKF

Im Frühjahr 1939 emigrierten Else und Bernhard Falk nach Belgien, wo sie bei guten Freunden Schutz und Unterschlupf fanden. Tatsächlich überlebten sie den Terror der Besatzungszeit, doch Bernhard Falk starb kurz nach der Befreiung durch die Alliierten im Dezember 1944.

Nachdem Else Falk fast ihre ganze Familie verloren hatte, verbrachte sie den Rest ihres Lebens in Brasilien, wohin ihr Sohn Ernst noch rechtzeitig emigriert war. Hier starb sie am 8. Januar 1956 in São Paolo.

Else Falk ist ein Stolperstein in der Novalisstraße 2 gewidmet, und in Köln Longerich gibt es eine Else-Falk-Straße.

Die Stadt Köln hat den Kölner Frauenpreis nach ihr benannt. Er wurde 2020 zum ersten Mal feierlich verliehen. Preisträgerin 2020 war Frauke Mahr für ihr außergewöhnliches Engagement für Frauen und Mädchen in Köln.

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser

Quellen

  • Ellscheid, Rosemarie, Der Stadtverband Kölner Frauenvereine. Ein Kapitel Frauenbewegung und Zeitgeschichte 1909-1933, Köln 1983
  • Franken, Irene, Else Falk – Ein Quell der Frauenenergien, in: Irene Franken (Hg.), Frauen in Köln. Der historische Stadtführer, Köln 2008
  • Roecken, Sully, Else Falk in: 10 Uhr pünktlich Gürzenich, Kölner Frauengeschichtsverein S. 220-22, agenda-Verlag Münster 1995
  • www.koeln-lotse.de