„Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag: für Amore!“

Esther Donkor

Mein Name ist Esther Anne Donkor, und ich wurde 1985 als Tochter eines Ghanaers und einer Deutschen in Köln geboren. Als Arbeiterkind glaube ich, dass meine Eltern immer große Erwartungen in mich gesetzt haben. Lange war ich davon überzeugt, dass ich diese herbe enttäuscht haben muss. Ich erinnere mich noch gut daran, wie mein Vater im Wohnzimmer eine Tafel aufstellte, um meiner Schwester und mir neben der Schule noch etwas beizubringen. Immer wenn er zum Unterricht aufrief, stellten sich mir die Nackenhaare auf, und ich bettelte meine Freundinnen an, mich bei ihnen übernachten zu lassen, nur um dieser Tortur zu entgehen. Wirklich, ich habe es gehasst. Meine Mama war in dieser Hinsicht lockerer. Sie vertraute darauf, dass aus mir etwas Vernünftiges wird, ich die Schule schon packe und mal viel Geld verdienen würde. „Das gebt ihr mir eines Tages zurück!“, sagte sie oft zu mir und meiner Schwester, wenn sie uns etwas finanzierte: neue Klamotten, den Führerschein, Studiengebühren. Und immer hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn Mama sich am frühen Abend wieder zu ihrer Schicht ins Restaurant aufmachte, wo sie von Tisch zu Tisch rannte, um Gäste zu bedienen, bis sie irgendwann anfing zu humpeln. Oder wenn mein Vater in aller Herrgottsfrühe aufstand, in der Küche erstmal eine rauchte, sich sein Butterbrot schmierte und zur Arbeit fuhr, während ich noch im Bett lag, weil die Schule erst um acht begann. Dieses leise Schuldgefühl ist bis heute nicht ganz verschwunden.

Dass ich studieren sollte, war für meine Familie in Stein gemeißelt. Da ich, entgegen den hoffnungsvollen Wünschen meines Vaters, nicht Anwältin oder Ärztin werden wollte, sondern Lesen und Schreiben schon immer meine Leidenschaften waren (2002 erschienen Kurzgeschichten von mir in „Ganz anders als du denkst: Eine Generation meldet sich zu Wort“), studierte ich Deutsche Sprache und Literatur und English Studies. An der Uni war ich fürs Hochschulradio tätig, nahm an Schreibwettbewerben teil und belegte interessante Seminare. Und so kam es, dass ich meine Bachelorarbeit über die Repräsentationsformen von Frauen im U.S. HipHop schrieb und die Bestnote dafür erhielt. 2014 veröffentlichte ich die Arbeit unter dem Titel „Bitches & Queens – Frauen im U.S. HipHop“ und zu meiner Überraschung konnte ich damit eine große Leserschaft erreichen und für eigene Arbeiten inspirieren. 2011 tat ich mich mit einer damaligen Freundin zusammen und mitbegründete das Onlinemagazin KrauseLocke. Als Afrodeutsche waren wir es satt, dass wir in unserem Heimatland nach wie vor nicht in einem herkömmlichen Frisörsalon frisiert werden können, da in der Frisörausbildung der Umgang mit unserem Afrohaar nicht gelehrt wird. Jahrelang war ich unglücklich mit meinen Haaren, ließ sie mir chemisch glätten und trug Haarverlängerungen, um mich dem westlichen Schönheitsideal anzugleichen. Mit KrauseLocke wollten wir damit Schluss machen und einfache Haartipps in deutscher Sprache für Gleichgesinnte bereitstellen. Wir waren die erste deutschsprachige Webseite für afrodeutsche Haarpflege in Deutschland und merkten auf einmal: wir sind nicht allein!  2013 veranstalteten wir ein großes KrauseLocke-Treffen in Köln, zu dem Menschen aus ganz Deutschland anreisten. Mein Vater kochte Essen für alle und ich weiß noch, wie ich mich fühlte, als er zu mir sagte: „Ich bin stolz auf dich!“ Es war unbeschreiblich schön. Auch heute noch setze ich mich im Rahmen von KrauseLocke (mittlerweile gemeinsam mit meiner Schwester Diana Donkor) für die Stärkung des Selbstbewusstseins afrodeutscher Frauen ein. Zusammen mit der Regisseurin Nancy Mac Granaky-Quaye betrieb ich zudem das Filmprojekt eyeswideopen, mit dem wir Kurzfilme zu gesellschaftlichen Nischenthemen realisierten. Wir drehten zum Beispiel einen Film über meinen Vater und meine Großmutter, die, seit ich denken kann, jeden Samstag miteinander kniffeln. Der Film KNIFFEL wurde 2015 beim Kölner Afrika Film Festival präsentiert. Bis dato hatte ich in einem großen Medienkonzern gearbeitet und fühlte mich dort alles andere als wohl. Ich verdiente zwar endlich das langersehnte Geld, nur litt meine psychische Gesundheit in dem oberflächlichen Umfeld. „Mach etwas anderes, mein Kind! Mach dich nicht kaputt! Geld ist nicht alles!“ riet meine Mutter mir zu meiner Überraschung. Und so bin ich seit 2016 als Mitarbeiterin für den Verein FilmInitiativ Köln e. V. tätig, der das Afrika Film Festival Köln organisiert. Zwar verdiene ich in dem kleinen Verein längst nicht so viel wie in dem großen Konzern. Allerdings habe ich das Gefühl, eine Arbeit mit Sinn zu erfüllen.

Portrait Esther Donkor
© Esther Donkor

2014 reiste ich im Alter von 29 Jahren endlich nach Ghana ins Heimatland meines Vaters. 2015 veröffentlichte ich den autobiografischen Reisebericht „Wurzelbehandlung – Deutschland, Ghana und ich“, der sich mit dieser Reise auseinandersetzt und für den Deutschen Selfpublisher Preis 2017 nominiert war. Ich veröffentlichte weitere Bücher, zum Beispiel 2020 gemeinsam mit meiner Schwester Diana Donkor den Ratgeber „Keep it kraus! Das Basisbuch für Krauselocken“, der sich nicht nur mit der Pflege von Afrohaaren, sondern auch mit der Stärkung des Selbstvertrauens Afrodeutscher auseinandersetzt. 2021 erschien mit „Globales Lernen – Inspirationen für den transformativen Unterricht“ ein Praxisbuch, welches ich gemeinsam mit einem Autorenteam verwirklicht habe.

Seit Mai 2017 bin ich verheiratet, seit Mai 2021 Mutter eines Sohnes und verarbeite meine Erfahrungen mit dem Leben als Mutter in einem Blog und einem neuen Buchprojekt. In meinem Blog esthersiesta.com vereine ich meine Freude am Schreiben mit Musik und Kunst und bezeichne mich selbst gern als freie Kreative – immer offen für neue, künstlerische Projekte.  Außerdem arbeite ich gemeinsam mit meinem Vater an einem biografischen Text über seine Migration nach Deutschland. Denn auch wenn ich meine Eltern bis heute finanziell nicht das zurückzahlen kann, was sie für mich ausgegeben haben, so habe ich sie inspiriert und weiß heute, dass sie mich lieben und ich liebenswert bin, so wie ich bin.  

Einige Werke

Bücher

  • Donkor Esther, Carpus e. V.(Hg.) „Globales Lernen – Inspirationen für den transformativen Unterricht“ (wbv Verlag) 2021
  • Donkor, Diana und Esther, Keep it kraus!: Das Basisbuch für Krauselocken, Verlag KrauseLocke
  • Donkor, Esther, Wurzelbehandlung: Deutschland, Ghana und ich, Verlag KrauseLocke
  • Donkor, Esther, Bitches  Queens: Frauen im U.S. HipHop, Selbstverlag
  • Donkor, Esther, Sessions – und parallel geht die Welt unter, Selbstverlag

Filme

  • AFRO.DEUTSCHLAND, 2016 (Darsteller)
  • KNIFFEL, 2013 (Regie, Drehbuch)

Autorin: Esther Donkor