Sie teilte das tragische Schicksal zahlreicher jüdischer Künstlerinnen und Künstler der NS-Zeit. Die Machtübernahme Hitlers setzte auch der vielversprechenden Karriere der Kostüm- und Bühnenbildnerin Marianne Ahlfeld-Heymann ein plötzliches Ende. Zwar gelang es ihr rechtzeitig, ins französische Exil zu entkommen und weiterhin künstlerisch zu arbeiten, doch an ihre früheren Erfolge konnte sie nicht anknüpfen.

Heute erinnert ein Stolperstein vor ihrem Elternhaus Voigtelstr. 9 in Köln-Braunsfeld an das leidvolle Schicksal der vielseitigen Künstlerin, die am 7. Februar 1905 als Marianne Heymann in Köln geboren wurde. Ihr jüdischer Glaube spielte zunächst keine entscheidende Rolle, das änderte sich erst im Nationalsozialismus: „Da wurde ich von ganzem Herzen Jüdin“, bekannte sie später.

Stolperstein von Marianne Ahlfeld-Heymann
© Geolina163-CC-BY-SA-4.0

Die kleine Marianne ging gerne ins Hänneschen-Theater und amüsierte sich über die witzigen Geschichten mit Kölner Lokalkolorit. Besonders aber faszinierten sie die ausdrucksstarken, kunstvoll geschnitzten Handpuppen, die die Figuren gleichsam lebendig machten. Diese Begeisterung ließ sie nicht mehr los. Daher beschloss sie nach dem Abitur 1922 am Kaiserin-Augusta-Gymnasium, eine Ausbildung zur Holzschnitzerin zu machen. Zunächst besuchte sie die Kölner Kunstgewerbeschule, wechselte aber nach einem Jahr ans Weimarer Bauhaus. Das Bauhaus wurde Heimstätte der künstlerischen Avantgarde und klassischen Moderne. Es rüttelte an Konventionen und Klassenschranken des Kaiserreichs. Schluss mit der Prüderie: Korsetts und Krawatten wurden abgeworfen, der Körper neu entdeckt.

Marianne Ahlfeld-Heymann mit ihrer Mutter
1908, © Erhard Roy Wi

Künstlerisch verfolgte man ein völlig neues Konzept, nämlich die Kombination von Kunst und Handwerk. Gebrauchsgegenstände sollten ebenso zweckmäßig wie formschön sein. Der Gründer Walter Gropius war besorgt über den anfangs hohen Frauenanteil (1919 über die Hälfte!) und forderte bald verschärfte Aufnahmebedingungen, denen Heymann offenbar standhielt.

Es war ihm gelungen, namhafte Künstler für seine Schule zu gewinnen, darunter auch Oskar Schlemmer, der seit 1920 die Klasse für Holz- und Steinbildhauerei leitete.

Besonders inspiriert aber wurde Marianne Heymann von Paul Klee (1879-1940), der seit 1921 am Bauhaus lehrte. Er teilte nämlich ihre Vorliebe für geschnitzte Handpuppen und hatte auch seinem Sohn Felix mehrere selbstgefertigte Puppen geschenkt.

Die Zeit in Weimar ging unwiderruflich zu Ende, als das Bauhaus 1925 aus politischen Gründen nach Dessau umzog. Hier wurde Holzschnitzerei nicht mehr angeboten.

Marianne kehrte noch im gleichen Jahr nach Köln zurück, wo sie die Gelegenheit hatte, für einen Puppenspieler zu arbeiten und mehrere Handpuppen anfertigte. Doch ihr kreativer Radius hatte sich inzwischen erweitert. Bei einem Volontariat an der Kölner Oper lernte sie, Kostüme und Bühnenbilder anzufertigen. Anschließend wechselte sie ans Mannheimer Nationaltheater und war an zahlreichen namhaften Aufführungen beteiligt. Ihre avantgardistischen Kostümentwürfe zeigen turmartige Kopfbedeckungen mit konzentrischen Ringen, trapezförmige Gewänder sowie gesteppte oder wattierte Säume.

Allem Anschein nach stand Marianne Heymann am Beginn einer vielversprechenden Karriere, als Hitler in Deutschland an die Macht kam. Hellsichtig floh sie noch 1933 nach Frankreich, wo sie ihren späteren Ehemann kennenlernte, den Kunsthandwerker Hermann Ahlfeld, der als Mitglied der SPD ebenfalls verfolgt wurde. In Frankreich konnte Marianne Heymann ihre künstlerische Arbeit wieder aufnehmen und erweiterte ihr Repertoire erneut um Holzmasken und Modeschmuck. 1937 erhielt sie auf der Pariser Weltausstellung eine Auszeichnung.

Familienportrait
© Hanan Ahlfeld

Doch das Leben im französischen Exil bot keine dauerhafte Sicherheit. Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs galten alle in Frankreich lebenden Deutschen – auch Jüdinnen und Juden – als potenzielle Spione und feindliche Ausländer. Das Ehepaar Ahlfeld-Heymann bekam das bald zu spüren. Hermann Ahlfeld wurde inhaftiert.  Nach Hitlers Einmarsch in Frankreich im Mai 1940 wurde auch Marianne für mehrere Monate in dem berüchtigten Frauenlager Gurs in den Pyrenäen interniert.

Zum Glück wurden beide wieder freigelassen oder konnten fliehen, doch bis zum Ende des Krieges lebten sie versteckt. Trotz der schwierigen Exilsituation bekamen sie drei Kinder.

Auch nach Kriegsende fühlten sie sich nach den schrecklichen Erfahrungen von Flucht und Internierung in Europa nicht mehr sicher. Anfang 1949 wanderte die Familie daher nach Israel aus und gründete in Tel Aviv eine Werkstatt für Kunsttischlerei und -schnitzerei. Marianne Ahlfeld-Heymann beschloss bald, zu ihren Wurzeln zurückzukehren und wieder Marionetten zu schnitzen. In Tel Aviv stieß sie damit jedoch auf keine große Resonanz, auch wenn sie ihre Kunstwerke auf mehreren Ausstellungen präsentierte.

Nach dem Tod ihrer Mutter, die den Nationalsozialismus ebenfalls im Exil überlebt hatte und 1954 starb, ermöglichte eine kleine Erbschaft der Familie Ahlfeld-Heymann den Umzug nach Haifa, wo Marianne Heymann noch dreißig Jahre lang künstlerisch arbeitete und auch ihre Lebenserinnerungen niederschrieb. Hier starb sie hochbetagt am 26. Juni 2003.

Doch die Erinnerung an sie blieb präsent. 2019 präsentierte das Museum für Angewandte Kunst MAK in ihrer Geburtsstadt Köln zum hundertjährigen Bauhaus-Jubiläum die Ausstellung „Zwei Kölnerinnen am Bauhaus“, in der Werke von Marianne und ihrer Cousine Margarethe Heymann-Loebenstein (1899-1990) gezeigt wurden, einer Keramikerin, die ebenfalls eine Zeitlang in Weimar ausgebildet wurde.

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser

Quellen

  • Marianne Ahlfeld-Heymann, Erhard Roy Wiehn (Hrsg.) Und trotzdem überlebt. Ein jüdisches Schicksal aus Köln durch Frankreich nach Israel 1905–1955. Mit Erinnerungen an Paul Klee. Konstanz : Hartung-Gorre, 1994 ISBN 9783891917305, S. 12