Fygen Lutzenkirchen war eine der bedeutendsten Seidmacherinnen in Köln. Von 1474 bis 1497 war sie Hauptseidmacherin und bildete 25 junge Frauen (Lehrtöchter) zu Seidenweberinnen aus.

Köln war im Spätmittelalter die einzige Stadt in Deutschland, die spezielle Frauenzünfte zuließ:

  • die Garnmacherinnen,
  • die Goldspinnerinnen,
  • die Seidenweberinnen und
  • die Seidenspinnerinnen.
Statue der Fygen Lutzenkirchen am Kölner Rathausturm.
© Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Die sogenannten Seidmacherinnen wurden 1437 durch den Amtsbrief in Köln als Zunft anerkannt. Hauptseidmacherinnen durften bis zu vier Lehrtöchter gleichzeitig ausbilden. Diese wurden in das Lehrtöchterbuch eingetragen. Die Ausbildung dauerte zuerst drei Jahre, später vier Jahre. Zusätzlich durften eigene Töchter ausgebildet werden. Die Hauptseidmacherinnen wählten einmal im Jahr zwei Zunftmeisterinnen und zwei Zunftmeister, die den Vorstand der Zunft bildeten. 

Zunftmeister konnten nur die Ehemänner von Seidmacherinnen werden. Sie vertraten die Zunft nach außen, weil Frauen in politischen Ämtern noch nicht akzeptiert wurden. Ihr Gewerbe organisierten die Seidenmacherinnen aber selbstständig.

Fygen Lutzenkirchen war verheiratet mit dem Kaufmann Peter Lutzenkirchen. Das Ehepaar hatte fünf Töchter. Fygen leitete die Seidenmacherei und den großen Haushalt. Ihr Mann Peter kaufte auf Messen in Antwerpen und in Frankfurt Rohseide und verkaufte die Seidenprodukte seiner Frau, auch im Austausch gegen Tuchware aus England. Das Ehepaar ergänzte sich in seinen Tätigkeiten gewinnbringend. Beide hatten sich viele Jahre im Vorstand der Seidenmacher-Zunft engagiert und in Köln viel Einfluss gewonnen. Fygen Lutzenkirchen war darüber hinaus an dem Handelsbetrieb ihres Mannes beteiligt und übernahm nach seinem Tod die Handelsgeschäfte, unter anderem die Vertretung der Große Ravensburger Handelsgesellschaft in Köln. 1496 übergab die Meisterin ihrer Tochter Lysbeth, inzwischen auch Hauptseidmacherin, die Seidenweberei. Sie weitete den Handel mit Wein und Luxusprodukten aus. Als sie 1515 starb, war sie eine der sechs reichsten Frauen Kölns. Ihr gehörten unter anderem Immobilien wie die Wolkenburg am Mauritiussteinweg.

Die Kölner Kauffrau trägt mit Tuchrolle und Schere Attribute ihrer Tätigkeit als Meisterin der Seidenweberzunft, die Geldkatze erinnert an ihr wirtschaftlich erfolgreiches Engagement im Handel, und der Schlüssel weist sie als Hausbesitzerin und Besorgerin ihres Haushalts aus.

Angesichts des jahrhundertelang überlieferten Frauenberufes der Seidmacherin und der Unabhängigkeit, die die Textilhandwerkerinnen mit ihrer Zunft im späten Mittelalter genossen, fanden die Historikerinnen des Kölner Frauengeschichtsvereins die Straßennamen „Unter Seidmacher“ beziehungsweise „Seidmachergässchen“ irreführend. Sie schlugen der Bezirksverwaltung der Stadt Köln vor, die Straße in „Seidmacherinnengässchen“ umzubenennen, was 1986 umgesetzt wurde. In Köln-Niehl ist eine Straße nach Fygen Lutzenkirchen benannt. Der Kölner Frauengeschichtsverein kämpfte auch dafür, dass nicht nur fünf, sondern immerhin 18 Frauenfiguren am Ratsturm ihren Platz fanden. Eine von ihnen ist Fygen Lutzenkirchen, die „Karrierefrau des Mittelalters“, wie Bettina Janecek sie im Kölner Stadtanzeiger vom 31. Juli 2020 titulierte.

Autorin: Maria Beckermann

Quellen

  • Frauen in Köln – Der historische Stadtführer, Irene Franken, 2008, J.P. Bachem Verlag, Köln.
  • Fygen Lützenkirchen, in: Hiltrud Kier, Bernd Ernsting, Ulrich Krings (Hrsg.): Köln: der Ratsturm – seine Geschichte und sein Figurenprogramm. 1. Auflage. Band 21. Bachem, Köln 1996, Seite 461 folgende.
  • Die Kölner Frauenzünfte im Spätmittelalter, Margret Wensky, aus: Geschichte in Köln H.Z: 1980.
  • Die Stel­lung der Frau in der stadt­köl­ni­schen Wirt­schaft im Spät­mit­tel­al­ter, Wens­ky, Mar­g­ret, Köln/Wien 1980. Fygen Lutzenkirchen | Portal Rheinische Geschichte abgerufen 4. Juni 2021.
  • Die Karrierefrau des Mittelalters, Bettina Janecek, Kölner Stadtanzeiger vom 31. Juli 2020.