Leben

Maryam Akhondy wuchs in einfachen Verhältnissen in Teheran auf. Als ihr Vater starb, war sie 10 Jahre alt. Fortan zog ihre Mutter die drei Kinder allein groß und verdiente als Schneiderin den Lebensunterhalt der Familie.

Wenn du ins Paradies möchtest, dann komm‘ mit mir in den Weinkeller!

Hafez, persischer Dichter, 1319 bis 1389 n. Chr. 
M.A. mit Rahmentrommel 2008
M.A. mit Rahmentrommel 2008, © Bernd G. Schmitz

Bereits als Schülerin gewann Maryam Akhondy erste Gesangswettbewerbe. Im Alter von 18 Jahren begegnete sie dem bekannten Musiker und Opernregisseur Esmail Mehrtasch, der ihr Gesangstalent förderte und sie unterrichtete. Parallel zum anschließenden Studium der Theaterwissenschaft an der Akademie der Schönen Künste besuchte Maryam Akhondy das renommierte Tschawosch-Institut in Teheran. Dort erhielt sie Unterricht bei Nasrollah Nassehpour, einem bedeutenden Lehrer des klassischen persischen Gesangs, und erlernte bei ihm Radif, die Ordnung und Systematik persischer Musik, und Tahrir, die charakteristische Gesangstechnik in der traditionellen iranischen Kunstmusik. Es folgen erste Konzertauftritte, unter anderem im staatlichen iranischen Rundfunk.

Als Maryam Akhondy 1986 Iran verließ, gehörte die damals 29-Jährige zur ersten Generation der vom Frauengesangsverbot betroffenen Künstlerinnen. Das religiös begründete Verbot war Folge der sogenannten Islamischen Revolution von 1979. Während es viele iranischen Sängerinnen danach in die USA oder nach Kanada zog, ließ sich Maryam Akhondy in Köln nieder, wo es bereits eine kleine iranische Exilgemeinde gab.

Maryam Akhondys künstlerischer Neuanfang gelang als Sängerin der exiliranischen Musikgruppen Nawa und Chakawak, deren Konzertreisen sie bis nach Skandinavien führte. Sie fand auch Kontakt zu nichtiranischen Künstlern, darunter Raimund Kroboth, ein Gründungsmitglied der Initiative Kölner Jazzhaus e.V. Von 1995 bis 1999 war sie die Frontfrau von dessen Kölner Weltmusikorchesters Schäl Sick Brass Band und verband erstmals persische Texte mit westlichen Klängen. Für die mit Maryam Akhondy aufgenommenen Alben „Majnoun“ und „Tschupun“ wurde die Band für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert. Eine vom Goethe-Institut organisierte Tournee führte Akhondy 2004 mit der Musikgruppe in Länder des Nahen Ostens.

Maryam Akhondy ist Mutter eines Sohnes, des ebenfalls in Köln lebenden Musikers Syavash Rastani.

Eigene Projekte

Maryam Akhondy leitet zwei Musikensembles und einen Frauenchor. Das von ihr 1989 gegründete Ensemble Barbad spielt traditionelle persische Kunstmusik, die mit der Klassischen Musik in Europa vergleichbar ist.

Akhondys Vokalgruppe Banu (persisch für „vornehme Dame“) ist das weltweit erste Projekt, in der die Gesänge iranischer Frauen unterschiedlichster ethnischer Gruppen im Mittelpunkt stehen. Für den Charakter des im Jahr 2000 gegründeten Chors war es Maryam Akhondy wichtig, dass die Stimmen der beteiligten Exiliranerinnen nicht wie die ausgebildeter Sängerinnen klingen, sondern wie die Naturstimmen der Frauen, die diese ursprünglich bei Familienfesten, beim Teppichknüpfen und bei der Feldarbeit sangen. Konzertreisen führten Akhondy mit ihrer Chorgruppe bis nach Tunesien, in die Türkei und in die USA.

Maryam Akhondy Ensemble Barbad 2010
Maryam Akhondy Ensemble Barbad 2010, © Bernd G. Schmitz

Maryam Akhondys musikalische Arbeit umfasst auch die Beschäftigung mit anderen Epochen und Genres iranischer Musik, darunter ein Konzert-Projekt mit zoroastrischen Klängen und Gesängen aus vorislamischer Zeit, das 2012 beim Festival Musica Sacra International uraufgeführt wurde. Für dasselbe Festival erarbeitete sie 2016 ein Bühnenprogramm über die Zaar-Musik südiranischer Stämme, die von arabisch-afrikanischer Trancemusik beeinflusst ist.

2013 gründete Maryam Akhondy ihre dritte Musikgruppe, Maryam Akhondy’s Paaz. Das international besetzte Quintett spielt neu arrangierte Chansons aus der Blütezeit des iranischen Rundfunks von 1950 bis zur Islamischen Revolution und von Jazz und Klassik beeinflusste Kompositionen der beteiligten Musiker.

CD-Produktionen

Die von Maryam Akhondy produzierten Tonträger sind meist Konzeptalben. So hatte ihr 2004 veröffentlichtes Werk „Banu – Songs of Persian Women“ die Gesangskultur der Frauen im Iran zum Inhalt. In dem 2006 mit dem Ensemble Barbad aufgenommenen Album „Sarmast – Iranian Art Music for Texts of Persian Poets“ ging es um die Vertonung von Texten bedeutender persischer Dichter. „Maryam Akhondys Paaz – Live at WDR erschien im Jahr 2016 und behandelt eine auch von westlicher Musik beeinflusste Epoche in der Geschichte des Iranischen Rundfunks.

2021 veröffentlichte Maryam Akhondy die CD „Unwaghta (Damals)“ mit alten iranischen Küchenliedern und Gassenhauern, die sie für dieses Projekt neu eingesungen hat. Es sind bekannte Lieder mit eingängigen Melodien und Texten aus Akhondys Jugend. Der Titel „Maschine Maschti Mamdali“ ist z.B. im Iran noch heute namensgebend für ungepflegte und meist verkehrsuntüchtige Kraftfahrzeuge.

Kooperationen

Als Solistin hat Maryam Akhondy mit zahlreichen Kolleg*innen aus unterschiedlichsten Genres zusammengearbeitet, darunter der Opernsänger Holger Falk, mit dem sie klassischen persischen Gesang und deutsche Kunstlieder präsentierte. Mit der belgische Lautenistin Sophie van den Eynde trat sie 2018 bei den Händel-Festspielen auf. Bereits 2009 stand Akhondy mit Bobby McFerrin bei der Europa-Premiere von dessen Projekt „Bobble“ in Basel auf der Bühne. 2016 fanden sie und der Jazz-Pianist und Weltmusiker Mike Herting zum Duo Akhondy & Herting – Interkontinentale Musik zusammen.

Banu Köln 2015
Banu Köln 2015, © Bernd G. Schmitz

Lehrtätigkeit

Maryam Akhondy engagiert sich als Musikpädagogin im Feld der traditionellen iranischen Musik und bei interkulturellen Musikprojekten. Sie gab Workshops beim Kulturfestival ‚Women of the World‘ in Aarhus, der Stimmenwerkstatt in Lörrach und der Bayerischen Musikakademie in Marktoberdorf. Maryam Akhondy ist auch Dozentin für interkulturelles Singen beim Landesmusikrat NRW.

Musikpreis

Als Sängerin und Initiatorin von Musikprojekten ist Maryam Akhondy eine der vielseitigsten iranischen Kulturschaffenden. Dafür erhielt sie 2023 als erste Frau den WDR-Jazzpreis in der Kategorie Musikkulturen. In der Begründung zur Preisvergabe wird ihr Engagement für iranische Frauen im Bereich der Musik und ihre Rolle als „aktive Brückenbauerin zwischen den verschiedenen Musikkulturen, persischen und europäischen, klassischen und modernen Spielweisen“ hervorgehoben.

Die Auszeichnung für Maryam Akhondy ist eine große Ehre für alle Iraner:innen, insbesondere für die in Deutschland lebenden iranischen Künstlerinnen, weil wir sehen konnten, dass, wenn man sich engagiert, dann wird man auch von anderen Kulturkreisen anerkannt und gehört.

Yalda Yazdani, iranische Musikwissenschaftlerin und Kuratorin des Berliner Festivals „Female Voice of Iran“

Autor: Bernd G. Schmitz