Als ich 1958 mit meinem Mann für ein Studienjahr aus Wien nach Köln kam, hatte ich eigentlich ziemlich umgehend das Bedürfnis, mit dem nächsten Zug wieder nach Hause zu fahren. Eine in solchem Ausmaß zerstörte Stadt wie Köln, das durch Flächenbombardements betroffen war, hatte ich mir nicht vorstellen können. Aus dem einen Studienjahr wurden aus familiären Gründen Jahrzehnte, und so langsam hatte ich Zuneigung zu der geschundenen Stadt gefunden, deren wichtige alte Baudenkmäler bewahrt und wiederaufgebaut wurden.

Kinderführung Romanische Kirchen (1983), © Hiltrud Kier

Allerdings war das Verständnis für die Qualität der Architektur des 19. Jahrhunderts hier in Köln nicht vorhanden, weil diese Epoche als preußische „Besetzung“ rundweg abgelehnt wurde. Das erklärt zum Beispiel den Abriss des alten Opernhauses noch 1958 und den fortdauernden Abbruch schöner historistischer Wohnhäuser vor allem an den Ringen. Dies zu ändern, nahm ich mir seit 1973 vor und stieß dabei auf breite Zustimmung, so dass ich auch den politischen Auftrag zur Erstellung der neuen Denkmalliste bekam, die dann etwa 9000 Objekte umfasste.

Als ich mich 1978 um die Leitung des Denkmalpflegeamtes in Köln bewarb, beabsichtigte ich die Architektur des 19. sowie der 1.Hälfte des 20. Jahrhunderts als Stadtkonservatorin zu erhalten. Und dies war tagesfüllend, weil es die Auseinandersetzung mit in Köln wichtigen Menschen und Institutionen brachte.

Die Forderung an den WDR, das Reichardhaus zu erhalten, bedeutete ein mehr als ein Jahr dauerndes Ringen, das schließlich nur mit einer Rekonstruktion endete.  Dies war aber für die allgemeine Denkmalpflegepraxis von großer Bedeutung, weil hiermit öffentlich und sehr heftig demonstriert worden war, dass auch ein so gewichtiger Gegner wie der WDR, der bis dato keinen Widerstand aus der Stadtverwaltung gewöhnt war, sich an bestimmte Regeln halten musste. Die Bewahrung der historistischen Wohnhäuser wurde ein Erfolg, da die Kölner Tageszeitungen und die Bevölkerung das Thema sehr unterstützten. Zusätzlich war das 1980 in Kraft getretene Denkmalschutzgesetz NRW, worum ich mich ebenfalls intensiv bemüht hatte, eine wichtige Hilfe.

Kölner Narrengilde (1992), © Zik

Nicht gerechnet hatte ich vor Beginn meiner Tätigkeit damit, dass auch die romanischen Kirchen ein Schwerpunkt werden sollten. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass ihr Wiederaufbau planmäßig vonstatten gehen und ohnehin vonseiten des Erzbistums ausreichend betreut würde. Allerdings war der erste Rundgang 1978 mit Erzdiözesanbaumeister Wilhelm Schlombs dann sehr ernüchternd, weil die absolute Gefahr bestand, dass ihre Fertigstellung auf unbestimmte Zeit verschoben würde. Dies betraf insbesondere St. Kunibert, aber auch die Baustellen von St. Gereon, St. Maria im Kapitol und Groß St. Martin, die hinter ihren Bauzäunen weitgehend aus dem Gedächtnis von Köln verschwunden waren. Hier waren viel Aufklärungsarbeit und schließlich die Gründung des Fördervereins Romanische Kirchen Köln e.V. (mit schnell etwa 5000 Mitgliedern) nötig. Es gab Tage, an denen ich neben mir stand und mir bei der soundsovielten Führung durch die Kirchen selbst zuhörte. Es ging zwar in erster Linie um die genannten Baustellen, aber wir hatten alle zwölf romanischen Altstadtkirchen (und später auch die kleinen der Vororte) zusammengefasst – die Kölner:innen lieben Superlative, und es gibt keine Stadt der Welt mit so vielen Kirchen dieser Epoche und dies auch noch von überwiegend monumentaler Größe. Wilhelm Schlombs und ich hatten das Jahr 1985, 40 Jahre nach Kriegsende, als Jahr der Romanischen Kirchen Köln mit dem Ziel propagiert, dann bei allen Kirchen die Kriegsschädenbeseitigung abgeschlossen zu haben. Dies gelang tatsächlich, nur das Westquerhaus mit Turm von St. Kunibert war noch im Bau (aber finanziert und 1993 vollendet).

Als hätten wir bei der Kölner Denkmalpflege nicht ohnehin genug zu tun, kam dann zu Beginn der 1980er Jahre auch die Sorge um den Erhalt der qualitätvollen Beispiele der Wiederaufbauzeit: der Spanische Bau des Rathauses, das Treppenhaus des Gürzenich, das neue Ensemble von Opern- und Schauspielhaus, Bürobauten, zahlreiche Schulen, Kirchen sowie Siedlungen und Wohnhäuser (vor allem auch das Griechenmarktviertel). Die Fortschreibung der Denkmalliste (um zunächst etwa 1000 Objekte) war somit erforderlich.

Promotion Garleff, Heuter, Nielius (2003), © Hiltrud Kier

Dazu kam die Sorge um die Erhaltung der Verteidigungsanlagen, die in Köln (auch ein Superlativ!) als einziger Stadt der Welt von der Römerzeit über das Mittelalter und die Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert bestehen. Vor allem die preußischen Forts erforderten viel Arbeitseinsatz. Zusätzlich hatte Köln auf seinen Friedhöfen die Ewigkeitsregel abgeschafft. So wurden die seinerzeit für ewig angekauften Gräber, insbesondere auf Melaten, für die Denkmalpflege zum Problem. Das konnte aber vielfach mithilfe von Patenschaften gelöst werden. Ein besonders spannendes Thema war die Diskussion um die Ratsturmfiguren und die zeitraubende (erfolgreiche) Suche nach Stifter:innen. Die vergnügliche Aktion „Wiederaufbau des Bayenturmes“ mit Alice Schwarzer für das Feministische Archiv habe ich gerne ausführlich in einem Artikel beschrieben (in: Turm der Frauen. Der Kölner Bayenturm, Schwarzer Alice (Hrsg.) Köln 1994, S.81-89)

All diese Aufgaben waren nur im Team zu lösen, wovon besonders Dr. Wolfram Hagspiel für die Architektur des 20. Jahrhunderts, Dr. Ulrich Krings für die Kirchen, Dr. Henriette Meynen für Grünanlagen und vor allem die Forts, Dr. Johannes Ralf Beines für die Friedhöfe oder Dr. Bernd Ernsting für die Ratsturmfiguren zu nennen wären, abgesehen von denen, die nur die Betreuung der Renovierungen von Wohnhäusern leisteten. Über allem schwebte der pragmatische Verwaltungsleiter Jörg Borning, ohne dessen Einfallsreichtum unter anderem die besonders knifflige Erhaltung des Staatenhauses oder die Aufstellung des Heumarktdenkmals nicht möglich gewesen wären. Ja, und für die gute Stimmung im Amt sorgte Brigitte Kambeck als Sekretärin, deren helles Lachen mir immer noch im Ohr ist.

© Hiltrud Kier

1990 wechselte ich (bis 1993) als Generaldirektorin zu den Museen, wobei relativ schnell klar wurde, dass zwischen den Direktor:innen der acht Häuser und dem Kulturdezernat für mich, die weniger repräsentieren, sondern gestalten wollte, kaum Möglichkeiten bestanden. Auch die Einwerbung von größeren Geldsummen erfolgt auf höchster Verwaltungsebene, weil die jeweiligen Sponsoren ja durchaus an anderer Stelle ein Entgegenkommen der Stadt erwarten. Zusätzlich hatte auch der große Mäzen Peter Ludwig andere Vorstellungen von der Reihenfolge der Baumaßnahmen als ich. Vermutlich spürte er, dass er nicht mehr so viel Zeit hatte, um seinem Museum die ihm wichtige Dominanz zu verschaffen (er starb bereits 1996) und dann durch eine Stiftung auch die Leihgaben in fast allen anderen Museen der Stadt abzusichern.

Ich zog mich auf die Leitung des wissenschaftlichen Forschungsreferates der Museen zurück und konnte viel Zeit in meine seit 1978 bestehende Lehrtätigkeit an der Universität Bonn investieren. Köln blieb aber Schwerpunkt meiner Publikationen und, als überaus motivierende Stadt, auch meiner Zuneigung.

Autobiografie

Auszeichnungen

  • 1982 Ehrenplakette des Architekten- und Ingenieur-Vereines für Verdienste um die gebaute Umwelt
  • 1983 Bundesverdienstkreuzes am Bande
  • 2013 Rheinlandtaler