Leider weiß man nur wenig über Sela Jude, der Stifterin des ersten deutschen Beginenkonvents in Köln. Doch ihre Bedeutung lässt sich schon allein daran ermessen, dass eine ihr nachempfundene steinerne Statue seit 1990 den Rathausturm schmückt.

Als Ehefrau von Daniel Jude gehörte sie zur Schicht der Kölner Patrizier, also der politischen und wirtschaftlichen Führungsriege der Stadt. Der ungewöhnliche Nachname ist darauf zurückzuführen, dass die Familie ihren Stammsitz im Haus „Zum Juden“ hatte, selbst jedoch christlichen Glaubens war. Der frommen Kölnerin Sela Jude war es ein Herzensanliegen, Gutes zu tun, wie die Stiftung des Beginenkonvents beweist. Doch worum handelte es sich dabei eigentlich?

Rathausturm Koeln - Sela Jude
© Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Werfen wir zunächst einen Blick ins hohe Mittelalter. Als Papst Urban II. 1095 die abendländische Christenheit zum 1. Kreuzzug aufrief, löste er damit eine gewaltige Frömmigkeitsbewegung aus, die gleichermaßen die Frauen erfasste. Um ein gottgefälliges Leben zu führen, drängten sie nun verstärkt in die Klöster, die dem plötzlichen Ansturm gar nicht gewachsen waren. Ohnehin nahmen sie in der Regel nur adlige Novizinnen auf, die eine ansehnliche „Mitgift“ aufzuweisen hatten. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich im 13. Jahrhundert, ausgehend von den Niederlanden, die „Alternativbewegung“ der Beginen (die Herkunft des Namens ist ungeklärt), die schon bald eine ungewöhnliche Blüte erlebte.

Bei aller Frömmigkeit wollten nämlich nicht alle Frauen mit klösterlichen Neigungen die „Tür zur Welt“ endgültig hinter sich zuschlagen, auch wenn ihnen ein enthaltsames Leben in der Nachfolge Christi vorschwebte. Bei den Beginen hatten sie diese Möglichkeit. Sie brauchten weder eine Mitgift, noch mussten sie die ewigen Gelübde ablegen, an die Nonnen bis zu ihrem Tod gebunden waren. Ihren Lebensunterhalt verdienten sich die Beginen selbst, sei es mit Nähen, Spinnen und Weben oder durch Krankenpflege. Es waren überwiegend junge Frauen, die sich zu dieser Lebensweise entschlossen, aber auch Witwen, die zwar ein religiöses, aber doch selbstbestimmtes Leben führen wollten. Sie konnten durchaus bei ihrer Familie wohnen, doch die meisten bevorzugten die Gemeinschaft Gleichgesinnter in einem Beginenkonvent, das in der Regel etwa zwölf Frauen umfasste.

Sela Jude muss von diesem Konzept überzeugt gewesen zu sein. Als ihr Ehemann 1227 starb und ein reiches Erbe hinterließ, kaufte sie noch im gleichen Jahr ein Anwesen in der Kölner Stolkgasse. 1230 schenkte sie das Gebäude dem benachbarten Dominikanerkloster, allerdings mit der Auflage an den dort wirkenden Magister Bonifatius, ein Konvent für fromme Jungfrauen und Witwen einzurichten. Bonifatius erfüllte die Anforderung der Stifterin und etablierte das erste Kölner Beginenkonvent, das bis 1398 existierte.

Köln wurde zu einer Hochburg des Beginenwesens. Um 1350 lebten hier 1170 Frauen allein in Konventen – eine unbekannte Zahl Alleinlebender kommt noch hinzu. Doch die Blütezeit war nur von kurzer Dauer und endete, als die Phase wirtschaftlichen Wohnstands zu Ende ging. Jetzt nämlich wehrten sich die Zünfte gegen die „Schwarzarbeit“ der frommen Frauen. Gleichzeitig trat die Kirche auf den Plan. Hatte man die Beginen aufgrund ihrer untadeligen Lebensweise zunächst noch hochgeachtet, so begegnete man ihnen inzwischen mit zunehmendem Misstrauen, weil sie so ganz ohne Regel und Kontrolle lebten. Mehr und mehr gerieten die frommen Frauen in den Verdacht der Ketzerei, und viele entschlossen sich unter dem Druck der Inquisition, auf die gewählte Lebensform lieber zu verzichten. Das hatte zur Folge, dass etliche Beginenkonvente in Frauenklöster umgewandelt wurden – auch wenn sie nie ganz ausstarben und die Idee heute wieder mit neuem Leben erfüllt wird.

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser