„Der Kölner Saxophonistin und Komponistin Christina Fuchs glückt stets der Spagat, ihre Stücke einerseits komplex zu gestalten, diese andererseits leicht und zugänglich klingen zu lassen.“

Aus der Begründung der Jury zum WDR Jazzpreis 2014

Christina Fuchs – Komponistin, Saxofonistin, Klarinettistin, Dirigentinund Instrumentalpädagogin – wurde 1963 in München geboren und wuchs bei Freiburg im Breisgau auf. Im Alter von 12 Jahren begann ihre musikalische Sozialisation in dem für Süddeutschland üblichen, ländlichen Musikvereinsleben. Nach dem Abitur 1983 begann sie an der Universität Freiburg das Studium der Germanistik und Geschichte.  Sie sparte sich den Abschluss, weil ihre musikalischen Interessen sie 1987 mit Macht nach Köln zogen. Die Hochschule für Musik und die freie Musikszene in Köln setzten zu dieser Zeit enorme künstlerische Impulse für zeitgenössische Musik im europäischen Raum. Der Zugang zur Musikhochschule war ihr allerdings aufgrund der damals noch bestehenden Altersbeschränkungen verwehrt.

Christina Fuchs entscheidet sich für ein selbstbestimmtes Studium und sucht sich ihre Lehrer*innen selbst – ihrem eigenen musikalischen Kompass folgend. Sie studiert Saxofon bei Frank Gratkowski, Steve Lacy und anderen. Kompositionsunterricht nimmt sie bei Joachim Ullrich und Siegfried Koepf in Köln. 1999/2000 geht sie nach New York, um bei Maria Schneider Komposition zu studieren. Im Rahmen des BMI Composers Program lernt sie bei Jim McNeely sowie bei George Russell in Boston.

Portrait Christina Fuchs
© Volker Beushausen

Das lebenslange Lernen begleitet sie bis heute. Der selbstbestimmte Ansatz führte früh dazu, Projekte, Ideen und Ensembles in Eigenregie aufzubauen und langfristig weiterzuentwickeln. Ihre Vorliebe für Großensembles im Jazz resultierte in der Gründung und Co-Leitung des „United Women’s Orchestra“ zusammen mit Hazel Leach (1992-2009). Seit 2019 führt sie diese Arbeit mit dem Fuchsthone Orchestra fort (Co-Leitung: Caroline Thon). Konzertreisen und internationale Vernetzung waren und sind wichtige Elemente ihrer Arbeit und manifestiert sich heute im Musikerkollektiv SONIQ, das den Austausch mit anderen Künsten und Kulturen in den Mittelpunkt stellt. Auch die kleinste Zelle der musikalischen Kommunikationsform, das Duo, ist integraler Bestandteil ihrer Vita: mit der Kontrabassistin Romy Herzberg und dem Duo „KontraSax“ verbindet sie eine inzwischen über 30 Jahre währende Zusammenarbeit und Freundschaft. Mit dem Akkordeonisten Florian Stadler arbeitet sie im Duo „flux“ und im Christina Fuchs „No Tango Quartet“ kontinuierlich zusammen.

Während der letzten 35 Jahre hat Christina Fuchs einen unverwechselbaren Sound und eine eigene Klangsprache in ihren Kompositionen entwickelt. Die musikalische Arbeit umfasst traditionelle Konzertformen ebenso wie die Zusammenarbeit mit anderen Kunstformen wie:

  • Tanz,
  • Literatur,
  • Film,
  • Theater und
  • Performance.

All diese Formen eint der permanente Versuch der Verschmelzung von komponierter und improvisierter Musik.

Als Dirigentin arbeitete sie in Leitungsfunktion mit der NDR- und der WDR Big Band, lange Jahre mit dem United Women’s Orchestra und aktuell mit dem FUCHSTHONE ORCHESTRA.

Christina Fuchs erhielt nationale und internationale Kompositionspreise:

Besonders wichtig war der WDR Jazzpreis Komposition 2014, den sie als erste Frau erhielt. Sie war auch die erste Preisträgerin des Kompositionswettbewerbs „Scrivere in Jazz“ 2016 in Italien, ebenso 2017 beim  „Annual Jazz Competition Contest for Women Composers“ in Seattle/USA. Aktuell ist sie mit dem Fuchsthone Orchestra für den Deutschen Jazzpreis in der Kategorie „Großes Ensemble des Jahres“ nominiert.

In 35 Jahren aktiver Karriere als Musikerin und Komponistin hat sie als Frau unterschiedliche Bedingungen vorgefunden und deren Veränderung mitgestaltet. Um die Jahrtausendwende war sie oft die einzige Frau in musikalischen Zusammenhängen, speziell im Jazz. Im Laufe der Zeit wurden Frauen zunehmend sichtbar. Von der angestrebten Parität sind wir auch heute noch weit entfernt, ganz zu schweigen von dem Spagat, den die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Frauen erfordert.  Die Gründung des „United Women’s Orchestra“ war in den 1990er Jahren eine Antwort auf die Unterrepräsentation von Frauen im Jazz und damit ein aktiver Schritt, selbst Role Model zu sein. Heute strebt Christina Fuchs in ihren Ensembles eine paritätische Geschlechterverteilung an. Sie freut sich auf eine Zeit selbstverständlicher Gleichverteilung von Macht, Geld und Position in der breiten Gesellschaft.

Christina Fuchs ist Mitglied im Vorstand der Deutschen Jazzunion und arbeitet konkret an den Themen europäischer Vernetzung und Gender/Diversity mit.

Aktuell beschäftigt sie sich mit Verbindungen von Komposition und elektronischer Musik und führt dazu Recherchen durch. Nach wie vor ist es ihr gleichermaßen wichtig, als Instrumentalistin und Komponistin zu agieren, auch in diesem Feld.

Preise und Stipendien

  • Studienaufenthalt in Kanada am Banff Centre for the Arts, 1997
  • Stipendiatin des BMI Composers Program in NYC, 1999/2000
  • Preisträgerin des Kompositionswettbewerbs jazzart NRW 2001
  • Preisträgerin des Julius Hemphill Composition Awards, USA 2002
  • Stipendiatin des Music Program Art Omi, New York, USA, 2003
  • Stipendatin in Nairs, Art in Engadina Bassa, Schweiz, 2004
  • Kompositionsauftrag und Projektleitung für die NDR Big Band, Hamburg, 2005
  • Stipendiatin des Künstlerhaus Lukas, Ahrenshoop/Ostsee, 2007
  • Konzerttournee nach Australien mit dem No Tango Quartet, Goethe Institut, 2012
  • Preisträgerin WDR Jazzpreis Komposition 2014
  • Stipendiatin, Banff Centre for the Arts, Canada 2014
  • Konzerttourneen nach Marokko mit dem No Tango Quartet, Goethe Institut, 2014/15
  • Preisträgerin „Scrivere in Jazz“, Komposition, Italien, Sassari 2016
  • Preisträgerin des Seattle Annual Jazz Composition Contest for Women Composers USA, 2017
  • StipendiatinimKünstlerhaus Lyseloth, Basel/Schweiz, 2018
  • Finalistin “Neuer Deutscher Jazzpreis” für Komposition, Kurator: Renaud Garcia-Fons, 2019
  • Finalistin “Neuer Deutscher Jazzpreis” für Komposition, Kurator: Frank Möbus, 2020
  • Nominierung für den Deutschen Jazzpreis in der Kategorie „Großes Ensemble des Jahres“, 2021

Ausgewählte Werke

  • Christina Fuchs & WDR Big Band live Newton’s Cradle, NRWRec, 2018
  • Christina Fuchs No Tango Quartet Eleven, WismArt 113/ 2017
  • Dietmar Bonnen Marginalien, Obst-Music 2016
  • 25 Jahre KontraSax & Friends live, Jazzhausmusik Köln 2016
  • Saad Thamir Von Allen für Alle- Suite, El Hanaa Musik 2013
  • Scott Fields & Multiple Joyce Orchestra Moersbow/OZZO, clean feed 2011
  • Georg Ruby-Blue Art Orchestra Sketches of a Working Band, JazzHausMusik 2010
  • Lagash unterwegs Neue Musik aus Mesopotamien, El Hanaa Musik 2010
  • Christina Fuchs & NDR Big Band live Soundscapes, NDR CoProduktion 2006
  • KontraSax Zanshin, Jazzhausmusik, Köln 2003/04
  • United Women’s Orchestra Virgo Supercluster WDR CO-Produktion, 2002/03
  • United Women’s Orchestra The Blue One , Jazzhausmusik, Köln 1999
  • KontraSax plays Gertrude Stein, Jazzhausmusik, Köln 1998
  • United Women’s Orchestra, KlangRäume Berlin 1996
  • KontraSax KontraSax Jazzhausmusik, Köln 1995

Autorin: Christina Fuchs