Hindernisse waren für sie stets dazu da, überwunden zu werden. Von Geburt an blind, meisterte die Schriftstellerin Pilar Baumeister ihr Leben mit viel Mut, großer Zuversicht und einer unglaublichen Energie. Neben ihrem „Brotberuf“ als Verwaltungsangestellte verfasste sie zahlreiche Werke, vorwiegend Kurzgeschichten, aber auch Lyrik, Romane und literarische Essays. Gleichzeitig engagierte sich die gebürtige Spanierin für andere Schriftstellerinnen mit multikulturellen Wurzeln.

Das „Licht der Welt“ hat Pilar Andreo Vila nie erblickt. Am 25. August 1948 wurde sie in Barcelona bereits blind geboren. Im Alter von sechs Jahren lernte sie die Blindenschrift und begann ab 1960, erste Gedichte und Erzählungen zu verfassen. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete sie als Telefonistin in einem Krankenhaus. Diese Tätigkeit füllte die junge Pilar jedoch nicht aus. In ihrer Freizeit begann sie, mehrere Fremdsprachen zu erlernen, Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Deutsch. Vielleicht war das ihr persönlicher Zugang zu einer Welt, die sie nicht mit eigenen Augen sehen konnte.

Pilar Baumeister
© Pilar Baumeister

Das Schreiben spielte in ihrem Leben auch weiterhin eine wichtige Rolle. 1967 veröffentlichte Pilar Andreo Vila ihren ersten Gedichtband. Die Arbeit als Telefonistin legte sie 1970 nieder, um noch einmal die Schulbank zu drücken. Nachdem sie zwei Jahre später ihr Abitur in der Tasche hatte, begann sie an der Universität Barcelona Germanistik zu studieren und ihre Erzählungen und Gedichte nunmehr auch auf Deutsch zu verfassen. Vermutlich lernte sie während des Studiums ihren späteren Ehemann kennen. 1975 folgte sie ihm nach Deutschland, heiratete und trug seitdem den Namen Pilar Baumeister.

In Deutschland setzte sie ihr Studium fort und belegte die Fächer Deutsch und Englisch zunächst an der Universität Bonn, dann in Marburg und schließlich in Köln. Hier bestand sie 1981 das erste Staatsexamen.

Um (noch) besser mit ihrer Einschränkung zurechtzukommen, hatte Pilar Baumeister bereits 1980 das BFW in Düren besucht, ein renommiertes Berufsförderungswerk für blinde und sehbehinderte Menschen. Das dort Erlernte machte es ihr offensichtlich leicht, sich im Alltag zurechtzufinden. Seit 1981 arbeitete sie zunächst als freie Dozentin für Spanisch an der VHS Köln und absolvierte danach ihr Referendariat.

Anschließend ging sie jedoch nicht an eine Schule, sondern nahm 1984, vermutlich um mehr Zeit zum Schreiben zu haben, eine Stelle als Telefonistin bei der Rechtsrheinischen Gas- und Wasserversorgung Köln an. Gleichzeitig schrieb sie an ihrer Dissertation „Die literarische Gestalt des Blinden im 19. und 20. Jahrhundert. Klischees, Vorurteile und realistische Darstellungen des Blindenschicksals“, mit der sie 1991 promoviert wurde.

Ihr eigenes Schicksal thematisierte Dr. Pilar Baumeister auch in ihren Geschichten mit autobiografischem Hintergrund. So beschrieb sie in „Blind, aber nicht unfruchtbar“ die teils erschreckende Ahnungslosigkeit ihrer Mitmenschen, die einfach nicht wahrhaben wollten, dass sie auch ohne zu sehen ein ganz „normales Leben“ führen konnte. Auf Kinder hat sie allerdings bewusst verzichtet. Sie wollte nicht das Risiko eingehen, ihre Blindheit zu vererben.

1992 gründete Pilar Baumeister zusammen mit anderen Autor*innen den bundesweiten „Verein blinde und sehbehinderte Schriftsteller und ihre Freunde e.V.“. Der löste sich zwar schon bald wieder auf, lebte aber in dem Projekt „Lyrikbrücken“ weiter. Um ihrem – sehenden – Publikum die Welt und das Erleben blinder Menschen näherzubringen, veranstaltete Pilar Baumeister Lesungen im Dunkeln, die von zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern besucht wurden. Überhaupt gehörten Inklusion und Barrierefreiheit zu ihren Herzensangelegenheiten.

Doch Blindheit war keineswegs ihr einziger literarischer Schwerpunkt. Ebenso thematisierte sie Lebenskrisen, Fremdheit und Multikulturalität. Seit 1999 war Pilar Baumeister Sprecherin der Schriftstellerinnen mit multikulturellen Wurzeln im VS NRW (Verband deutscher Schriftsteller und Schriftstellerinnen in verdi). Ab 2006 leitete sie das bundesweite Projekt: ‚Lesungen von Autorinnen mit Migrationshintergrund in deutscher Sprache‘, seit 2019 das Projekt: ‚Worte gegen Rechts‘. 2015 organisierte sie das „Festival der multikulturellen Literatur in NRW“ in Köln.

Doch auch von Schicksalsschlägen blieb Pilar Baumeisters Leben nicht verschont. Nachdem ihr Mann im Juli 2012 gestorben war, half ihr die Arbeit am Buch „Das Zittern der Witwen“, Trauer und Schmerz zu verarbeiten. Der Tod war auch schon das Thema in ihrem 2010 erschienenen Werk „Wir schreiben Freitod. Schriftstellersuizide in vier Jahrhunderten“ gewesen.

Pilar Baumeister in der Auferstehungskirche Köln Buchforst
In der Auferstehungskirche Köln Buchforst © Pilar Baumeister

Nachdem Pilar Baumeister als Verwaltungsangestellte nach rund dreißig Jahren 2013 in den Ruhestand ging, veröffentlichte sie noch mehrere Bücher, sowohl in deutscher als auch in spanischer Sprache. Sie hielt weiterhin Vorträge und Lesungen, wurde 2018 Mitglied der Schriftstellervereinigung PEN und war ab 2019 Mitglied des Bundesverbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller.

Pilar Baumeister starb am 19. Dezember 2021 im Alter von 73 Jahren und wurde auf dem Alten Kalker Friedhof in Köln-Merheim beigesetzt.

Auswahl aus Werken von Pilar Bauermeister:

  • De vivos y muertos y otros misterios, Madrid, Editorial Nuevos Ekkos, colec. La palabra inquieta 2021
  • Dos países que se quieren, historias de España y Alemania, Toledo, 2018
  • Leichte psychische Störungen, Norderstedt, 2016
  • Getrübte Beziehungen – Erzählungen, Norderstedt, 2015
  • Die Gedankenleserin – Eine fantastische Novelle, Norderstedt, 2015
  • Me escondí, pero gritaba para que me oyesen – Poemas de Minerva y otras voces, (spanisch), Norderstedt, 2015
  • A pesar de Franco – Los mejores momentos, (spanisch), Norderstedt, 2015
  • Bis Morgen – Geschichten über Wiederholungsrituale, Norderstedt, 2015
  • Exotische Geschichten – Wo komme ich her?, Norderstedt, 2014
  • Wir schreiben Freitod … Schriftstellersuizide in vier Jahrhunderten, Frankfurt am Main. 2010
  • Lyrikbrücken, Zehn blinde Dichter aus zehn Ländern Europas, mehrsprachige Anthologie, Berlin, 2009
  • Zwei Länder, die sich lieben, Geschichten aus Spanien und Deutschland, Bonn, 2006
  • Die Erfindung des Erlebten. Geschichten über Behinderung, Erotik, Jenseits, Essen, 2000
  • Frauenstimmen im Weltraum, Norderstedt, 2016
  • Das Zittern der Witwen, Norderstedt, 2016
  • Ich versteckte mich, aber schrie, damit man mich hörte, Hamburg/Freiburg, 2022

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser

Quellen