Dass ihr Name in Köln heute mit der Kirche St. Maria im Kapitol in Verbindung gebracht wird, ist eher einem Zufall zu verdanken, aus Sicht von Plektrudis einem unglücklichen Zufall. Tatsächlich lagen ihre Qualitäten nämlich auf dem Gebiet der (Macht-)Politik, die sie vor allem nach dem Tod ihres Ehemanns, des Hausmeiers Pippin des Mittleren (um 635-714) mit zähem Ehrgeiz betrieben hat.

Damals ging das Zeitalter der Könige aus der Dynastie der Merowinger dem Ende entgegen. Die eigentliche Macht im Frankenreich lag in den Händen der obersten Hofbeamten, der Hausmeier. So hatte sich auch Pippin der Mittlere aus dem Geschlecht der Arnulfinger (die man später Karolinger nannte), an die Spitze des Reichs gestellt. Er wusste eine starke Frau an seiner Seite: Plektrudis, die er zwischen 670 und 675 geheiratet hatte. Diese „edle und überaus kluge Gemahlin“ – so die Quellen – brachte nicht nur umfangreiche Ländereinen in die Ehe ein, sodass Pippin sein Herrschaftsgebiet über die Eifel bis an die mittlere Mosel ausdehnen konnte. Sie stand ihm auch als gleichberechtigte Partnerin mit Rat und Tat zur Seite. Das beweist die höchst ungewöhnliche Tatsache, dass alle noch erhaltenen Urkunden Pippins nicht nur in seinem, sondern auch in Plektrudis´ Namen unterzeichnet wurden.

Ratsturm Köln Erdgeschoss Stadtkonservator Köln
Ratsturm Köln, © Bildhauer Thomas Torkler, 1992

Gemeinsam stifteten sie zudem zahlreiche Klöster und Kirchen, darunter womöglich schon 690 die Kölner Marienkirche, die später den Namen St. Maria im Kapitol erhielt. Als hier nämlich noch die Römer herrschten, hatten sie auf der kleinen Erhebung in Rheinnähe einen Tempel errichtet, der ihren bedeutenden Göttern Jupiter, Juno und Minerva gewidmet war. Als Vorbild galt der Kapitolstempel in Rom, benannt nach seinem Standort auf dem gleichnamigen Hügel.

Die Machtstellung des Hausmeiers schien auch über Pippins Tod hinaus gefestigt zu sein, doch als beide Söhne frühzeitig starben, stand sie in Frage. Als er selbst 714 starb, gab es keinen regierungsfähigen Nachfolger. Plektrudis führte die Interims-Regentschaft für ihren einzigen erst sechsjährigen Enkel. Es ist allerdings unklar, ob das von Pippin testamentarisch so verfügt worden war oder ob sie selbst die Initiative ergriff. Vermutlich wäre sie eine gute Herrscherin geworden, hätte es nicht einen ernstzunehmenden Konkurrenten gegeben. Aus der Verbindung Pippins mit seiner Konkubine Chalpaida war nämlich ein Sohn namens Karl hervorgegangen, der nun seinerseits Erbansprüche stellte. Damals war eine außereheliche Geburt noch kein Grund, jemanden von der Nachfolge auszuschließen. Der inzwischen 25-jährige Karl konnte aber Plektrudis nicht einschüchtern. Sie organisierte einen wohlvorbereiteten Überraschungscoup, ließ ihn überwältigen und gefangen setzen.

Das jedoch brachte die Parteigänger Karls auf den Plan, die nunmehr begannen, Front gegen die ambitionierte Plektrudis zu machen. Jetzt mussten die Waffen entscheiden. Im „Kohlenwald“ südöstlich von Compiègne, kam es 715 zu einem „schrecklichen Gemetzel“, bei dem Plektrudis´ Gegner den Sieg davontrugen. Sie selbst hatte sich inzwischen in Köln in Sicherheit gebracht, wo sie bei einflussreichen Freunden unterkam. Wirklich sicher war sie hier allerdings nicht, zumal sich Stiefsohn Karl inzwischen aus dem Kerker befreien konnte. Er rückte mit seinem überlegenen Aufgebot nach Köln vor, und Plektrudis blieb letztlich keine andere Wahl, als sich zu ergeben und den Schatz, den sie sich zuvor gesichert hatte, ihrem Stiefsohn zu überlassen. Nun war Karl, der später den Beinamen „Martell“ (Hammer) erhielt, neuer fränkischer Hausmeier, während über Plektrudis die Geschichte allmählich hinwegging.

Grabplatte in St. Maria im Kapitol
Grabplatte in St. Maria im Kapitol, © wikipedia commons

Vermutlich verbrachte sie den Rest ihres Lebens im Damenstift St. Maria im Kapitol, das sie vermutlich 690 gegründet hatte. Als Räumlichkeit muss sie den alten römischen Tempel weiterbenutzt haben, denn bei späteren Ausgrabungen hat man keine Anzeichen von einem fränkischen Umbau oder gar Neubau entdecken können. 717 gründete Plektrudis die Kirche St. Maria im Kapitol, die seither mit dem Wirken mächtiger Frauen in Köln verbunden wird. Bis zu ihrem Tod, vermutlich 725/26 führte Plektudis ein ruhiges und zurückgezogenes Leben, das sicherlich nicht ihrem Charakter entsprach.

In St. Maria im Kapitol wurde sie auch beigesetzt. Bei den Ausgrabungen fand man in der Mitte der Kirche einen – allerdings leeren – Sarkophag aus Kalkstein, in dem vermutlich Plektrudis ihre letzte Ruhe gefunden hatte. Seitdem ist ihr Name untrennbar mit St. Maria im Kapitol verbunden und Plektrudis wurde schon bald als Heilige verehrt. Sie erhielt immer wieder neue Grabplatten, von denen eine aus dem 12. Jahrhundert stammt (mit Spruchband), eine andere aus dem 13. Jahrhundert (mit Kirchenmodell). Beide sind heute in der von ihr gestifteten Kirche zu sehen, die ihre jetzige frühromanische Gestalt aber erst im 11. Jahrhundert unter Äbtissin Ida (1025-1060) erhalten hat.

Seit 1992 erinnert auch am Kölner Rathausturm die Figur der Plektrudis an eine der interessantesten Frauen, die das frühe Mittelalter hervorgebracht hat. Es hätte ihr allerdings nicht gefallen, dass man sie ausgerechnet neben Karl den Großen platziert hat, den Enkel ihres erbitterten Feindes Karl Martell.

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser

Quellen

  • Hiltrud Kier, Die romanischen Kirchen in Köln, Köln 2014
  • Irene Franken, Frauen in Köln – der historische Stadtführer (2008)
  • Rudolf Schiffer, Die Karolinger, Stuttgart 2006
  • ders. Plektrudis in Neue Deutsche Biografie (NDB) Bd. 20, Berlin 2001