Begegnung mit Orna Porat

Im Jahr 1998 lernte ich Orna Porat in Tel Aviv persönlich kennen. Die „berühmte Schauspielerin“ lud mich in ihr Haus nahe Tel Aviv ein. Erst ein Jahr zuvor war ihr Mann gestorben. Sie erzählte mir von ihrer Kindheit in Porz, verbunden mit vielen Erinnerungen, z. B. an die Lukaskirche, den jüdischen Friedhof in Zündorf oder das Porzer Rheinufer, aber auch über ihre Anfänge in Israel, ihrer neuen Heimat. Sie sei vor ihrer Einreise 1947 sehr unsicher gewesen, wie man sie dort als Deutsche, Nichtjüdin und Schauspielerin aufnehmen würde. Heute sagt sie, sie sei so herzlich aufgenommen worden, als ob man auf sie gewartet hätte.

Orna Porat
© National Photo Collection of Israel

Ihre Persönlichkeit und ihr wechselvolles Leben beeindruckten mich, und der Städtepartnerschaftsverein Köln-Tel Aviv lud sie 2005 anlässlich des 40-jährigen Bestehens diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel nach Köln ein. Am 31. Mai stellte sich die Künstlerin in der Piazzetta des Historischen Rathauses den Fragen des WDR-Redakteurs Arnd Henze über ihr bewegtes Leben.

Meine letzte Begegnung mit Orna fand 2009 im Tel Aviver Rathaus statt.

Aus dem bewegten Leben der Porzer Schauspielerin Irene Klein

Geboren wurde Orna Porat am 6.6.1924 als Irene Klein in Köln-Kalk, aufgewachsen ist sie in Köln-Porz. Als sie zehn Jahre alt war, zogen ihre Eltern nach Porz in die Wilhelmstraße 10. Ihr Vater war katholisch, die Mutter protestantisch, und Irene wurde protestantisch erzogen. Sie besuchte die damalige Höhere Schule in Porz an der Hauptstraße 102, aus der später das Stadtgymnasium an der Humboldtstraße hervorging. In der Porzer Lukaskirche, die sie oft und gern besuchte, wurde sie konfirmiert.

Gegen den Willen der Eltern, die sozialistisch geprägt waren, wurde sie mit zehn Jahren Mitglied bei den Jungmädeln der Hitlerjugend. Mit 17 aber las sie Brecht, Marx und Engels.

Das auslösende Moment für den Schritt in die Schauspielerei war für die 14jährige Irene der Besuch des Schillerdramas „Wilhelm Tell“ im damaligen Kölner Schauspielhaus. Für sie eröffnete sich damit eine neue Welt, die sie faszinierte und nicht wieder losließ.

Sie besorgte sich ein Stipendium für die Kölner Schauspielschule, wo sie eine zweijährige Schauspielausbildung absolvierte. Ihr erstes Engagement erhielt sie 1942 am Staatstheater Schleswig, das jedoch 1944 aufgrund der Kriegssituation schließen musste. In dieser Zeit entdeckte sie die Bücher von Thomas Mann, Jakob Wassermann und Franz Werfel, die ihr über die NS-Diktatur die Augen öffneten, und sie schloss sich einem Kreis von Antifaschisten an. Nachdem der idealistischen jungen Schauspielerin bei Kriegsende das ganze Ausmaß der Nazi-Verbrechen bewusst wurde, entschloss sich die 20Jährige, Deutschland zu verlassen. Sie wollte nicht weiter auf der Bühne stehen mit dem Gefühl, dass unter den Zuschauern Mörder sitzen könnten.

Ihr Ausreiseersuchen in die Sowjetunion fiel dem britischen Geheimdienstoffizier Joseph Proter in die Hände, der ebenfalls aus Köln stammte, als Jude aber schon 1937 nach Palästina geflohen war. Dort kämpfte er in der britischen Armee als Angehöriger der „Jüdischen Brigaden“. 1945 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er 1946 in Schleswig Irene Klein kennenlernte, deren Ausreisegesuch er genehmigen sollte. Sie sagt später, in ihrem Tagebuch habe sie dazu vermerkt, „ich habe mein Schicksal getroffen.“ Irene wanderte mit ihm nach Palästina aus. Es gab zwei Trauungen, nach deutschem Recht in Schleswig und nach militärischem in Hamburg. Ab 1947 lebten Irene und ihr Mann in einem Kibbuz. Die deutschen Namen des Paares Proter wurden hebräisiert in Porat. Irene erhielt den Vornamen Orna, d. h. Föhre.

In ihrer neuen Heimat hielt sich Orna zunächst mit Putz- und Schreibarbeiten über Wasser und lernte gleichzeitig hebräisch. Sie stellte sich bei der berühmten „Habimah“, dem israelischen Nationaltheater in Tel Aviv vor. Dort wurde sie zunächst abgewiesen. Stattdessen fand sie Aufnahme am Tel Aviver „Cameri-Theater“, wo sie nach nur einem Jahr Sprachunterricht ihre erste Rolle in hebräischer Sprache spielte. Auf dieser Bühne war sie 40 Jahre lang in Rollen der klassischen Bühnenliteratur zu sehen. Später trat sie auch in der „Habimah“ und im „Jiddischen Theater“ auf.

1947 konvertierte Orna zum Judentum und heiratete Joseph zum dritten Mal nach jüdischem Ritus, damit sie und ihr Mann zwei Kinder adoptieren konnten.

© wikimedia common

1965 gründete das Paar mit dem Segen der israelischen Regierung eine Art Wanderbühne. Daraus ging 1970 das „Nationale Kinder- und Jugendtheater“ hervor, das Ornas Namen trägt und das sie bis 1989 selbst leitete. Sie wollte damit allen Kindern und Jugendlichen eine gemeinsame kulturelle Identität bieten. Über das Motiv für den Aufbau des Kindertheaters sagte sie: „Was die Menschen in Israel mir an Liebe entgegengebracht haben, wollte ich zurückgeben“.

Orna Porat wurde zur gefeierten Schauspielerin, die weltweit Gastspiele gab und in zahlreichen Film- und Fernsehrollen zu sehen war. In Köln war sie 2001 beim Mittelmeer-Filmfestival mit dem Film „Weiße Lügen“ zu sehen. In Israel wurde sie mit vielen Preisen überhäuft, u. a. der höchsten Auszeichnung des Landes, dem „Israel-Preis“ im Jahr 1979. Staatschefin Golda Meir schätzte sie so sehr, dass sie in ihrem Testament verfügte, Orna, die gebürtige Deutsche, solle nach ihrem Tod beim Staatsakt in der Knesset aus ihren Tagebüchern lesen.

Im Alter von 82 Jahren wurde Orna Porat zur Ehrenbürgerin von Tel Aviv ernannt, wo sie sich in illustrer Gesellschaft mit Albert Einstein, Arturo Toscanini, Pablo Casals und Itzchak Rabin befindet.

Über ihr Theaterengagement hinaus machte sich Orna Porat auch als Naturschützerin einen Namen. Sie brachte die Gründung eines Natur-Lehrpfades nach Schweizer Vorbild erfolgreich auf den Weg und entwickelte ein Konzept, nachdem Kinder schon im Kindergarten ermutigt werden, für den Naturschutz einzutreten.

Orna Porat starb am 8. August 2015 in Ramat Gan, einem Vorort von Tel Aviv. Der Städtepartnerschaftsverein Köln-Tel Aviv bemüht sich um die Benennung einer Straße oder eines Platzes in Porz nach Orna Porat.

Autorin: Monika Möller, Vorsitzende des Städtepartnerschaftsverein Köln-Tel Aviv

Quellen

  • Filmdokumentation: „Wohin verschwand Irene Klein?“; WDR 1981
  • Filmdokumentation von Jürgen Schumann im Auftrag des Städtepartnerschaftsverein Köln-Tel Aviv: „Orna Porat in Köln“; 2005
  • Recherchearbeit von Benzion Wieber: „Kölner Spurensuche nach unseren unbekannten Helden“; Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Köln, Nr. 3/2020
  • Persönliche Mitteilungen
  • div. Artikel im KStA