Welche Stadt kann schon von sich behaupten, von einer Frau mitgegründet worden zu sein?  Köln kann es. Wäre Agrippina die Jüngere, damals Frau des römischen Kaisers Claudius, nicht auf den Gedanken verfallen, ihren Geburtsort, die römische Siedlung Oppidum Ubiorum im Gebiet der Ubier*innen am linken Rheinufer im Jahre 50 n. Chr. zu einer colonia civium Romanorum erheben lassen zu wollen, wäre Köln heute womöglich so bedeutungsvoll wie Monheim oder Neuß. Aber Agrippina machte durch den kaiserlichen Akt die Einwohner der Siedlung zu römischen Bürgern. Als Frau – und Nichte – des Kaisers Claudius lebte sie damals längst im fernen Rom, sie war mit den Schalthebeln der Macht vertraut, doch muss es ihr wichtig erschienen sein, ihrem Geburtsort mehr Bedeutung zu verleihen. Sie erreichte, dass aus der römischen Legionärssiedlung die „Colonia Claudia Ara Agrippinensium“ wurde (auch CCAA, deutsch „Claudische Kolonie“ mit einem Altar der Agrippinenser für die Göttin Roma und den römischen Kaiser) – heute Köln genannt. Im gleichen Jahr begann auch der Bau der römischen Stadtmauer, die bis ins hohe Mittelalter bestand.  Diese Colonia wurde zu einer der bedeutendsten Städte des römischen Imperiums und war lange dessen größte Stadt nördlich der Alpen. 

Agrippina die Jüngere, Künstlerin: Gerd Laufenberg
Agrippina die Jüngere, Künstlerin: Gerd Laufenberg, © Gerda Laufenberg

Über Agrippinas frühe Jugend ist kaum etwas bekannt. Agrippinas Vater war der römische Feldherr Germanicus. Er residierte als Oberbefehlshaber im Krieg gegen die rechtsrheinischen Germanen im Oppidum Ubiorum. Zur Unterscheidung von Agrippina, ihrer als heißblütig, herrschsüchtig, aber auch als mutig und zäh geltenden Mutter, nannte man die Tochter Agrippina die Jüngere (Agrippina minor). Sie war in direkter Abstammung Uren­kelin des zum Gott erhobenen Augustus und die älteste von drei Schwestern. Einen ihrer Brüder, Gaius Julius Cäsar, später Caligula genannt, beschreiben antike Quellen einhellig als wahnsinnigen Gewaltherrscher, ein Wesenszug, der auch andere Mitglieder dieser Familie auszeichnete. Von 37 – 41 wurde Caligula römischer Kaiser. Als solcher verlieh er seinen Schwestern anfänglich einen Status, der sie Göttinnen gleichen ließ. Dann glaubte er, dass Agrippina sich gegen ihn verschworen habe und verbannte sie 39 n.Chr. auf die Felseninsel Pontia. Als er 41 n. Chr. ermordet wurde, konnte sie nach Rom zurückkehren.

Aus Agrippinas erster Ehe entstammt ihr einziger Sohn, Lucius Domitius Ahenobarbus, der spätere Kaiser Nero. Sie heiratete in zweiter Ehe einen Gaius Sallustius Crispus Passienus. Er starb früh, zwischen 44 – 48, was der römische Schriftsteller Sueton einer Tücke Agrippinas zuschreibt. Sueton kann allerdings nicht unbedingt als objektiver Beobachter betrachtet werden; von ihm stammt auch die Behauptung, sie sei ein „heftiges und herrschsüchtiges Weib“ gewesen. Der Historiker Tacitus ging noch weiter und beschrieb sie als „entbrannt in völligem Verlangen nach Schreckensherrschaft“. Da er aber erst um 58 geboren wurde – Agrippina war ein Jahr später tot und abqualifiziert – kann auch er nur Gerüchte wiedergegeben haben. Der wahre Aufstieg Agrippinas begann 49, als sie ihren Onkel Claudius heiratete. Für diese Ehe zwischen Onkel und Nichte musste eigens ein Gesetz geändert werden. Agrippina wusste, dass sie als Frau des Kaisers zwar selbst keine politische Rolle spielte, aber sie hatte die Gelegenheit, ihre eigene Position und die ihres Sohnes auszubauen. Der Kaiser ließ zu, dass sie ihre Position am Hofe so stark festigte, dass sie für ihren Sohn aus erster Ehe die Thronfolge sichern konnte, der nun als Nero Claudius Caesar Drusus Germanicus rangmäßig vor seinem jüngeren Stiefbruder stand.

Köln, Rathausturm (Nordseite),  Agrippina d.J. (Tuff, 1989) des Kölner Bildhauers Heribert Calleen
Köln, Rathausturm (Nordseite),
Agrippina d.J. (Tuff, 1989) des Kölner Bildhauers Heribert Calleen, © Stadt Köln

Außerdem verlieh der Kaiser seiner Frau Agrippina den Ehrentitel Augusta, womit sie auch eine politische Machtposition erhielt. Die spätere Stadtgründerin Kölns war die erste römische Kaiserin, der dieser Titel schon zu Lebzeiten verliehen wurde. Sie erwarb damit auch das Recht zur eigenen Münzprägung; reichsweit erschien ihr Porträt auf Geldstücken. Zielstrebig bereitete sie Neros künftige Herrschaft vor, an der sie teilzuhaben hoffte. Ob Kaiser Claudius dabei im Weg stand oder nicht ist bis heute unklar. Jedenfalls starb er im Oktober 54 unversehens an einem vergifteten Pilzgericht. Die Darstellungen der Geschichtsschreiber jener Zeit variieren deutlich. Letztlich ist der Tod des Claudius ein ungeklärter Todesfall, der viele Mordgerüchte nach sich zog.

Nach dem Ableben von Claudius wurde Agrippinas Sohn zum Kaiser ausgerufen. In den ersten Jahren seiner Regierungszeit konnte die Mutter den noch sehr jungen Herrscher in ihrem Sinne lenken, aber er wurde der Manipulationen überdrüssig. Im Jahr 59 n.Chr. ließ Nero seine Mutter ermorden. Bei einem fingierten Schiffsunglück konnte sie sich unverletzt retten. Für Nero blieb nur noch der offene Mord durch Dolchstoß, den er von Flottensoldaten ausführen ließ. Der Hass des Sohnes muss unbändig gewesen sein: Agrippinas Leichnam wurde verbrannt, ihr Geburtstag zum Unglückstag erklärt. Immerhin ist ihre Figur seit 1994 im Skulpturenprogramm des Kölner Rathausturms im Erdgeschoss zu sehen (Bildhauer Heribert Calleen).  

Agrippina ging ihren Mördern übrigens nicht ungewarnt entgegen:

„Nero wird herrschen“, lautete der Spruch des Orakels, um den Agrippina gebeten hatte, „aber er wird seine Mutter töten.“

Das schreckte die vierte Ehefrau von Kaiser Claudius nicht ab.

„Mag er mich töten, wenn er nur herrschen wird“, soll ihre Reaktion gewesen sein.

Autorin: Gerda Laufenberg

Quellen

  • Plinius, Naturalis Historia/Naturgeschichten
  • Sueton, De Vitis Caesarum/Die Kaiserviten
  • Tacitus, Annales/Annalen.
  • Schmitz, Dirk, Agrippina die Jüngere, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/agrippina-die-juengere/DE-2086/lido/57a9dcf66c7362.93193527
  • Kramp, Mario,  Köln und seine Agrippina: Vom Monstrum zur Mutter. Zum 2000. Geburtstag der römischen Kaiserin, Emons Verlag Köln 2015.
  • Barrett, Anthony A.: Agrippina: Mother of Nero, Batsford, London 1996.
  • Eck, Werner: Agrippina, die Stadtgründerin Kölns. Eine Frau in der frühkaiserzeitlichen Politik. Greven, Köln 1993
  • Vogt-Lüerssen, Maike:  Agrippina die Jüngere : die große römische Politikerin und ihre Zeit, Norderstedt : Books on Demand GmbH 2006.
  • Franken, Irene: “Sie besaß größere Macht als Claudius selbst.” – Julia Agrippina die Jüngere. In: DAS KÖLN DER FRAUEN. Ein Stadtwanderungs- und Lesebuch, Hrsg*innen: Irene Franken und Christiane Kling-Mathey, VolksBlatt Verlag, Köln 1991, S. 13-24.