Zwar hatte sich die erste Frau an einer deutschen Universität bereits 1922 habilitiert, doch es dauerte Jahrzehnte, bis sich Professorinnen an den Hochschulen tatsächlich durchsetzten. An der Universität Köln war die Entwicklungsbiologin Claudia Harte die erste, auch wenn sie zunächst noch als Privatdozentin berufen worden war.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es keineswegs üblich, dass Eltern ihre Töchter zu einem naturwissenschaftlichen Studium ermutigten. Cornelia Hartes Eltern hingegen förderten ihre wissbegierige Tochter von Anfang an. Geboren wurde das Mädchen am 6. Juni 1914 in Altona (seit 1938 Stadtteil von Hamburg), doch die Familie siedelte schon bald nach Berlin über. Hier besuchte Cornelia Harte die Liebfrauenschule in Charlottenburg und legte dort ihr Abitur ab. Sie begann ein Studium der Botanik und Chemie, zunächst in Berlin, später in München. Die Forschung machte ihr große Freude und sie entschied sich schon früh für die akademische Laufbahn. In dem bekannten Botaniker Prof. Friedrich Oehlkers (1890-1971) fand sie einen aufgeschossenen Doktorvater, der auch Studentinnen schätzte. Seinetwegen wechselte Cornelia Harte 1936 an die Albert-Ludwigs-Universität nach Freiburg. Hier promovierte sie 1941 mit dem Thema: „Meiosis und crossing-over. Weitere Beiträge zur Zytogenetik von Oenothera“. Gemeint ist die Gemeine Nachtkerze, über die Cornelia Harte noch bis 1994 geforscht hat.
Nach der Promotion blieb Cornelia Harte in Freiburg und arbeitete dort als Assistentin am Botanischen Institut im Bereich Entwicklungsbiologie. 1948 erfolgte die Habilitation mit der Arbeit „Cytologisch-genetische Untersuchungen an spaltenden Oenothera-Bastarden“. Doch auf eine Professur musste sie noch warten.
Anfang der 1950er Jahre lag der Frauenanteil bei den Hochschullehrenden an den westdeutschen Universitäten bei gerade einmal 3,2 Prozent. Davon war nur jede zehnte in einem naturwissenschaftlichen Fach tätig. Für eine akademische Karriere benötigten Frauen nicht nur Ehrgeiz und überdurchschnittliche fachliche Kompetenz, sondern auch ein Umfeld, das sie unterstützte. Das hat Cornelia Harte später auch in einem Interview betont: „Die entscheidenden Faktoren bis zu diesem Zeitpunkt (gemeint ist die Promotion) waren die Unterstützung durch das Elternhaus, in dem die Entscheidung für Studium und Beruf selbstverständlich war. Schulen, in denen das Interesse am Lernen, Einsatzbereitschaft und Pflichtbewusstsein keine Diskussionspunkte waren und ein Professor, der als hervorragender Gelehrter Frauen in der Wissenschaft nicht als Bedrohung seiner Existenz betrachtete.“
Tatsächlich ging Cornelia Harte ganz in ihrer wissenschaftlichen Arbeit auf. Eine mögliche Ehe scheint sie nie in Erwägung gezogen zu haben. Allerdings ist über ihr Privatleben nichts weiter bekannt.
Drei Jahre nach ihrer Habilitation wurde Cornelia Harte eine Professur für Entwicklungsphysiologie an der Universität Köln angeboten. Zwar war es nur eine Stelle als Privatdozentin, also ohne ein festes Dienstverhältnis, doch sie griff sofort zu und wechselte von Freiburg nach Köln. Damit war sie 1951 die erste Professorin an der Kölner Universität. Bis sie jedoch einen Lehrstuhl erhielt, also eine planmäßige Stelle als Hochschullehrerin, dauerte es noch fünfzehn Jahre.
Cornelia Hartes Forschungsschwerpunkt war die Zyto- oder Zellgenetik der höheren Pflanzen und zu diesem Thema verfasste sie auch mehrere Lehrbücher. Daneben lag ihr aber auch etwas anderes am Herzen, nämlich die Förderung von Frauen in der Wissenschaft. Dazu war es unerlässlich, dass diese – analog zu ihren männlichen Kollegen – weibliche Netzwerke bildeten. Als Vorsitzende der Ortsgruppe Köln im deutschen Akademikerinnenbund gründete Cornelia Harte den Arbeitskreis Hochschullehrerinnen, um die Vernetzung der Frauen voranzutreiben. Dieses frauenpolitische Engagement ist nicht minder erwähnenswert als ihre Forschungstätigkeit.
Ihrem Fachgebiet blieb Cornelia Harte auch nach ihrer Emeritierung 1982 treu. Sie stiftete der Universität Köln einen mit (umgerechnet) 5000 € dotierten Preis für hervorragende wissenschaftliche Untersuchungen auf dem Gebiet der Entwicklungsbiologie. 2002 wurde der „Cornelia-Harte-Preis“ zum ersten Mal vergeben.
In Erinnerung an die erste Professorin der Universität Köln betreibt die Hochschule seit 2001 zudem mit eigenen Mitteln ein Programm zur Förderung von Studentinnen, Promovierenden und Habilitationen. Seit Sommer 2012 bietet die Universität Köln mit dem Cornelia-Harte-Mentoring MINT ihren Absolventinnen der Naturwissenschaften eine Art Patenschaft zwischen jungen Berufsanfängerinnen und erfahrenen Mentor*innen, also einen direkten und persönlichen Kontakt zu Firmen aus dem MINT-Bereich. (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik)
Diese späte Ehrung hat Cornelia Harte allerdings nicht mehr erlebt. Sie starb am 14. Juni 1998 und wurde auf dem Kölner Melatenfriedhof beigesetzt.
Nachdem es in ihrer Geburtsstadt Hamburg bereits eine Cornelia-Harte-Straße gibt, wäre es wünschenswert, wenn auch in Köln so an die erste Professorin der hiesigen Universität erinnert würde.
Autorin: Karin Feuerstein-Prasser
- Tröntle-Weintritt, Isolde, Herkert, Petra (Hg.), „Nun gehen Sie hin und heiraten Sie!“ Die Töchter der Alma Mater in 20. Jahrhundert, Kore Verlag Freiburg 1997