Ein besonders erfolgreich schmuggelndes „Frauenzimmer“ gehört heute zu den unvergessenen Kölner Originalen: et Bolze-Lott (1825 -1902).[i] Geboren in einem der ärmeren Stadtteile, wurde sie dennoch auf den vielversprechenden Namen Scholastika Bolz getauft. Der Vater war gelegentlicher Rheinarbeiter, von der Mutter ist kein Gewerbe bekannt. Frau Bolzens Ehe, die sie mit 21 Jahren schloss, währte nur kurz: Der Ehemann, ein berüchtigter Schläger, wanderte bald ins Gefängnis bzw. Arbeitshaus und starb dort jung. Witwe Scholastika war nun darauf angewiesen, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Dabei erwies sie sich als äußerst kreativ: Zuerst arbeitete sie als sogenannte „Kääzemöhn“ (Kerzenmuhme). Das ist eine „meist ältere oder alte Frau“, die am Eingang einer Kirche Kerzen verkaufte und anbot, sie an einer festgelegten Stelle in der Kirche anzuzünden, letzteres aber auch gerne einmal vergaß.[ii] Das war auch bei Bolze-Lott der Fall, und da ihre Berufspraxis bald allzu bekannt war, wandte sie sich neuen Gewerbezweigen zu, etwa dem Schmuggeln. Sie nutzte die damalige Mode, den Reifrock, um darunter einen Sack Mehl oder ein paar Kilo Fleisch zu transportieren. Unter der Last watschelnd lief sie über die Brücke und haute bei Versuchen der Zollbeamten, den Rockinhalt zu überprüfen, mit kräftigem Schlag zu. Auch mit dem Mundwerk war sie schnell dabei und stellte sich dann als unschuldiges Opfer männlicher Behördenwillkür dar. Diese forsche Frau ist in Kölner Liedern und auf Bierdeckeln verewigt. In Zeiten der Hexenverfolgung hätte ihr „unflätiges Sprechen“ tödliche Folgen haben können.

Bierdeckel „Et, Bolze Lott“
Bierdeckel „Et, Bolze Lott“, © Kölner Frauengeschichtsverein

Viele „Originale“ sind bei näherer Betrachtung Menschen, deren krankheits- oder sozialisationsbedingte Eigenheiten („Verwachsene“, AlkoholikerInnen, Eigenbrödler) und bisweilen hinterlistige Einnahmequellen verulkt werden. Diese „Straßenfiguren“ übertraten bürgerliche Tabus. Auch heute noch sehen wir die schreiende Alte im U-Bahnhof, den herunter gekommenen Akademiker-Penner, der sich die offene Hose zuhält, weil der Gürtel verloren ging, die seit Jahren aggressiv schimpfende Bettlerin, aber niemand schreibt mehr ihre Biografien oder Spitz-Namen in die Stadtgeschichte ein.

Autorin: Irene Franken


[i] vgl. zum folgenden Louis 1985 – Kölner Originale, S. 126 ff.

[ii] vgl. Wrede (1965) – Neuer kölnischer Sprachschatz, Bd. 2, S. 27.

Quellen

Franken, Irene, Scholastika Bolz, in: Frauen in Köln, Der historische Stadtführer, J.P. Bachem Verlag, 1. Auflage 2008, S. 194