„Es war nicht einfach, an die Münchener Vergangenheit an anderem Ort, mit anderen Menschen und an die von Grund auf veränderte Gegenwart anzuknüpfen. Aber es gelang.“

Mit diesen Worten beschrieb Maja Lex ihren beruflichen Einstieg in eine für sie ferne, fremde Welt: die des Sports – jene Welt, die gleichwohl eine neue Entwicklung für ihren Elementaren Tanz ermöglichen sollte. 

© Moll, Archiv El-Ta Köln

Den geschichtlichen Ausgangspunkt für die Entwicklung des Elementaren Tanzes bildete die Günther-Schule – München. Dort waren Mitte der 1920er-Jahre Dorothee Günther und Carl Orff auf der Suche nach einer modernen Tanzerziehung, die, tief im Rhythmus wurzelnd, von einer entsprechend vitalen Musik unterstützt werden sollte. Diese Suche eröffnete die Möglichkeit zum freien Experimentieren.

Es war Maja Lex, die diesen Tanz auf höchster künstlerischer Ebene verwirklichte, musikalisch kongenial unterstützt von Gunild Keetman. Das hohe Ansehen der Günther-Schule, die zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen der „Tanzgruppe Günther – München“ mit ihrer Solotänzerin und leitenden Choreographin Maja Lex und die zeitgenössischen Pressekritiken zeugen davon: „Es ist kein Erfüllen wollen, kein Mitteilen wollen, kein Darstellen wollen, es ist in sich Erfüllung.“ (Fritz Böhme in: Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 565, 4.12.1930)

Diese internationale Anerkennung bot einen gewissen Schutz im eigenen Land, wo der Tanzstil Lex‘ und die Musik Keetmans zunehmend auf Ablehnung stießen, wie in zeitgenössischen Kritiken zu lesen ist.

„Schon 1934 kam es zu einer wachsenden Kritik aus nationalsozialistischen Kreisen am Stil der Tänze und der Musik sowie an den Ausbildungsinhalten der Schule. Galt diese zunächst noch als förderungswürdig und die Mitwirkung im Rahmen der nationalsozialistischen Publikumsorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF) als erwünscht, so wurde in den Kritiken zunehmend von exotischen Einflüssen, undeutschem Stil und N-Musik gesprochen.“ (Barbara Haselbach in: Michael Kugler, 2002, 63, Hervorhebung und Anpassung durch die Autorin).

Günther und Lex entschieden sich 1933, in die NSDAP und in die Fachschaft Tanz der Reichstheaterkammer einzutreten, um die renommierte Schule und ihre Arbeit erhalten. Damit verbunden waren Erwartungen – etwa der Auftrag an Dorothee Günther, einen Olympia-Auftritt für 6.000 Kinder zu organisieren und zu choreographieren. Als Tanzexpertin war Maja Lex hier eng eingebunden und für die Choreografie mitverantwortlich. Die Musik zu dem Auftritt stammte von Gunild Keetman, die auch das Orchester mit Günther-Schülerinnen leitete.

In den Jahren 1927 bis 1943 choreografierte Lex zahlreiche Soli, Gruppentänze und große Tanzsuiten, die auf über 240 Tanzabenden, Matineen und Gastspielen in Deutschland und im Ausland aufgeführt wurden. Diese hohe körperliche Beanspruchung, zusammen mit den kreativen Anforderungen und Unterrichtsverpflichtungen, gingen nicht spurlos an Maja Lex‘ labiler Gesundheit vorbei. Sie musste immer häufiger pausieren, war zum Teil gezwungen, ihre Tanzrollen im Krankenbett einzustudieren – so auch 1937 bei der Einladung zur Teilnahme an den Internationalen Tanzfestspiele der Weltausstellung in Paris, wo ihre Choreografien den Grand Prix errangen. 

Für die Günther-Schülerinnen wurde die Arbeit in den letzten Kriegsjahren zunehmend schwieriger. 1944 wurde schließlich das Schulgebäude beschlagnahmt und bald darauf samt Inventar durch Brandbomben vernichtet. So zerstörten die Wirren des Zweiten Weltkrieges eine zur Legende gewordene Schule.

Eine erste provisorische Bleibe fanden Dorothee Günther und Maja Lex in Lex‘ Elternhaus am Tegernsee. Ende 1947 folgen sie der Einladung einer Freundin und Günther-Schulabsolventin nach Rom, wo sie über Jahre ein neues Zuhause fanden.

Erst 1957 gelang es Maja Lex, nun an der Deutschen Sporthochschule Köln, ihr künstlerisches und pädagogisches Konzept erneut unter Beweis zu stellen, allerdings unter den Erfordernissen einer von Sport geprägten Umwelt.

An die Sporthochschule geholt hatte sie Liselott Diem. Diem hatte Lex‘ Unterricht bei den Berliner Sommerkursen der Günther-Schule kennen- und schätzen gelernt. Sie begann daraufhin ein einjähriges Gaststudium an der Berliner Günther-Schule und war – als sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft väterlicherseits ihre Stelle an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen Berlin verlor – nach München gezogen. Hier wurde sie, besonders in den Kriegsjahren, die weitsichtige Organisatorin der Tanzgruppentourneen. Das bot ihr auch die Chance, im Orchester Gunild Keetmans einen Platz mit ihrer Altflöte einzunehmen. 

Graziela Padilla und Maja Lex
© Otto Wagner, Köln, Archiv El-Ta Köln        

Im Gegensatz zu der in den 1920er-Jahren dominierenden Hauptströmung war die Tanzwelt Maja Lex‘ nicht von gefühlsgewaltigen, dramatischen Aussagen bestimmt. Maja Lex liebte den Tanz zutiefst nur in seiner absoluten Gestaltung, ohne anderen Sinngehalt als den der Formung seiner ureigensten Inhalte: Raum – Rhythmus – Dynamik– Form. Nicht, dass ihren Tänzen die leidenschaftliche Bewegtheit gefehlt hätte; sie äußerte sich nur anders: objektiver, abstrakter. Die Quelle der Bewegungsintensitäten entsprang dem Vitalbereich des Rhythmus‘. In ihren Tänzen dominierte daher der pulsierende, lebensbejahende Elan, der jedoch die ferne, aber substanzielle Bindung an die Urwurzel des Tanzes – den Kult – stets aufrechterhält.

Der erstgenannte Aspekt ihrer Tanzauffassung, die rhythmische Komponente, ermöglichte einen bruchlosen Übergang in der neuen Heimat Köln; der zweite bedurfte einer subtileren Hand in der eher nüchternen und zweckgebundenen Sporthochschulumgebung. In dieser zweiten Schaffensperiode entwickelte und kristallisierte sich immer mehr die künstlerisch-pädagogische Konzeption des Elementaren Tanzes heraus. Sie ist im Film festgehalten und auch in drei Bänden schriftlich fixiert. Letztere sind in enger Zusammenarbeit mit Graziela Padilla entstanden, Schülerin Maja Lex‘ und später ihre engste Mitarbeiterin und Nachfolgerin.

Im Gegensatz zu den stilgebundenen Tanzformen, die ihre Prägung durch ein bestimmtes Bewegungsvokabular erhalten, steht im Mittelpunkt der pädagogischen Idee des Elementaren Tanzes die Mobilisierung der individuellen kreativen Kräfte sowie die Sensibilisierung des künstlerischen Einfühlungsvermögens.

Aus historischer Perspektive setzt die Arbeit von Maja Lex neue Maßstäbe und muss als wegweisend im Bereich des absoluten Tanzes gesehen werden.

2014 wurde der Moderne Tanz von der Deutschen UNESCO-Kommission als Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Einer der Träger dieser Auszeichnung ist auch das Konzept „Elementarer Tanz“ von Maja Lex.

Graziela Padilla

Schriften:

Mit Graziela Padilla: Elementarer Tanz. Noetzel, Wilhelmshaven 1988.

Weiterführender Link:

Graziela Padilla & Maja Lex: Ekstatischer Kreis /
Ecstatic Circle (1979)