Bankgeschäfte waren bis ins späte Zwanzigste Jahrhundert eigentlich reine Männersache. Denkt man zumindest. Die Lebensgeschichte von Therese Oppenheim beweist jedoch das Gegenteil. Wenngleich Mutter von zwölf Kindern leitete sie das berühmte Kölner Bankhaus gemeinsam mit ihrem Ehemann Salomon Oppenheim und führte es nach dessen Tod alleine weiter.

Therese wurde am 9. Juli 1775 in Dülmen in eine jüdische Kaufmannsfamilie hineingeboren. Damals hieß sie noch Deigen Levi. Um die Integration der jüdischen Bevölkerung zu fördern, verlangten gegen Ende des 18. Jahrhunderts alle europäischen Staaten, die jüdischen Namen abzulegen und deutsche bzw. landesübliche Vor- und Nachnamen zu tragen. So wurde aus Deigen Levi Therese Stein.

Therese Oppenheim
©LVR

Sie war noch sehr jung, als sie 1792 den eher mittellosen, aber ehrgeizigen Bonner Juden Salomon Oppenheim (1772-1828) heiratete. Doch Therese brachte eine Aussteuer von 10.000 Talern mit in die Ehe. Salomons Familie hatte sich nach ihrem Herkunftsort benannt, dem rheinland-pfälzischen Oppenheim und war seit dem 18. Jahrhundert im Bankgeschäft tätig.

Salomon Oppenheim hatte 1789 mit gerade mal siebzehn Jahren in Bonn ein Wechsel- und Kommissionsgeschäft gegründet, eine Mischung aus Bank, Handels- und Speditionsunternehmen, das sich schließlich zum Bankhaus Oppenheim entwickelte. Bald verlagerte er den Firmensitz in die benachbarte Großstadt Köln, obwohl die nicht gerade für ihre religiöse Toleranz bekannt war. Nachdem 1424 alle Kölner Juden ausgewiesen worden waren, durften sie erst in der „Franzosenzeit“ (1794-1814) in die Stadt zurückkehren, denn jetzt herrschte endlich Religionsfreiheit. Und Köln galt als bedeutender Bankenplatz. Therese Oppenheim zögerte zunächst, folgte ihrem Mann aber 1801 nach Köln.

Zwölf Kinder gingen aus der Ehe hervor. Trotzdem stand die vielbeschäftigte Therese ihrem Mann bei seinen Bankgeschäften mit Rat und Tat zur Seite und hatte großen Anteil daran, dass sich der Erfolg bald einstellte. Bereits 1810 gehörte das Bankhaus Oppenheim neben Stein und Schaaffhausen zu den wichtigsten Geldinstituten der Stadt. Als einer der Teilhaber 1821 aus dem Unternehmen ausschied, erhielt Therese Oppenheim die Wechselfähigkeit. Das heißt: Künftig konnte man mit einem Schriftstück, das ihre Unterschrift trug, in vielen Ländern Geld abheben. Das waren die höchsten Weihen des Bankgeschäfts, erst recht für eine Frau. Als Salomon Oppenheim 1828 starb, hatte die verwitwete Therese längst das nötige Wissen, um das Unternehmen weiterzuführen, zusammen mit ihren Söhnen Simon und Abraham Oppenheim.

Dass eine Frau an der Spitze eines Bankhauses stand, war damals höchst ungewöhnlich. Allerdings hatten sich durchaus zahlreiche – meist verwitwete – Jüdinnen als Zinsnehmerinnen und Pfandleiherinnen betätigt. Therese Oppenheim stand jedenfalls vor großen Herausforderungen. Nach dem Ende der Franzosenzeit erlebte das preußisch gewordene Köln einen Wirtschaftsboom. Denn die Franzosenzeit hatte trotz allem auch ihr Gutes gehabt. Das Wirtschaftsleben der Stadt erfuhr durch die Aufhebung der Zünfte, die zuletzt mehr hemmend als fördernd gewirkt hatten, frischen Auftrieb. An ihre Stelle traten Gewerbefreiheit und Freizügigkeit.

Zahlreiche Firmen, die sich in der Stadt niederließen, benötigten Kredite, und auch die Versicherungen, die jetzt wie Pilze aus dem Boden schossen, brauchten Kapital. Köln wurde Zentrum vieler Industriezweige: Baumwollspinnereien, Webereien, Brauereien, Zuckerraffinerien, Mühlen und vor allem Metallwerke.

Therese Oppenheim führte die Geschäfte mit sicherer Hand. Sie beteiligte ihre Söhne mit jeweils zehn Prozent an Gewinn und Verlust, während die Töchter eine stattliche Aussteuer erhielten. Denn auch wenn ihr strenger Führungsstil gefürchtet war, so brachte die Bankerin das Unternehmen durch alle schwierigen Phasen und stellte es für die Zukunft auf.

Zusammen mit ihren Söhnen grün­de­te sie ab den 1830er Jah­ren ei­ne Viel­zahl von Un­ter­neh­men: Ei­sen­bah­nen, Ver­si­che­run­gen, schwer­in­dus­tri­el­le Be­trie­be und Ban­ken. Sie waren die in­no­va­tions- und ri­si­ko­freu­digs­ten Ban­kiers ih­rer Zeit. Geo­gra­phi­sche Schwer­punk­te ih­rer Grün­der- und In­ves­ti­ti­ons­tä­tig­keit wa­ren das Aa­che­ner Re­vier, das Ruhr­ge­biet und Köln. Zu den Un­ter­neh­men, die un­ter ih­rer Mit­wir­kung ent­stan­den, zäh­len die Rhei­ni­sche Ei­sen­bahn und die Köln-Min­de­ner Ei­sen­bahn, die Co­lo­nia Feu­er­ver­si­che­rung (heu­te: AXA Ver­si­che­rung), die Köl­ni­sche Rück­ver­si­che­rungs-AG als ers­ter Rück­ver­si­che­rer der Welt (heu­te: Ge­ne­ral Re), die Con­cor­dia Le­bens­ver­si­che­rung, die Stol­ber­ger Zink AG, die Pho­enix AG, der Eschwei­ler Berg­werks­ver­ein, Bu­de­rus, die Dort­mun­der Uni­on, die Guss­stahl Wit­ten AG und die Har­pe­ner Berg­bau AG.

Noch bis 2009 gehörte Familie Oppenheim zu den bedeutendsten deutschen Bankiersfamilien. Die Privatbank Sal. Oppenheim war eines der größten unabhängigen Bankhäuser Europas, bevor es von der Deutschen Bank übernommen wurde. Seit 2018 ist der Geschäftsbetrieb eingestellt.

Therese Oppenheim starb am 25. März 1842 im Alter von 66 Jahren. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Deutz beigesetzt, und ihr aufwendig gestaltetes Grab erinnert noch heute an diese bemerkenswerte Frau.


Quellen:

  1. Material Kölner Frauengeschichtsverein        
  2. APP: Orte Jüdischen Lebens in Köln
  3. Teichmann, Gabriele, Familie Oppenheim, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-oppenheim/DE-2086/lido/57c956cd98b2c7.39961812 (abgerufen am 15.09.2025)
  4. https://www.lvr.de/media/pressemodul/therese_oppenheim.jpg