Christa Päffgen wurde am 16. Oktober 1938 in Köln als Tochter der Schneiderin Margarete Schulz und des Soldaten Wilhelm Päffgen, der dem gleichnamigen Brauerei-Clan entstammte, geboren. Seine wohlhabende Familie soll ihn genötigt haben, die ‚Mesalliance‘ zu annullieren. Die schwierige Beziehung zur väterlichen Herkunftsfamilie drückte Nico selbstironisch später so aus: „Das Bier liegt mir im Blut. Ich liebe Bier. Solange es mich nicht an meine Herkunft erinnert.“ Mit ihrer Mutter zog sie nach einigen Jahren aus dem bombardierten Köln zur Tante nach Berlin, wo sie bereits als Teenager das erste deutsche „Supermodel“ wurde. Nach Berlin war Paris die erste internationale Station, der Dior-Fotograf Willy Maywald förderte sie. Sie nannte sich jetzt Nico und verkehrte in den späten 1950ern mit ExistentialistInnen und Beatniks und hörte schrägen Jazz. Weitere Arbeitsorte waren Rom, London und New York. In diesem Milieu kam Nico erstmals in Kontakt mit Drogen: um schlank und wach zu bleiben, nahm sie wie andere Models Aufputschtabletten, später folgte Härteres. In Rom spielte sie sich selbst in Fellinis berühmten Film ‚La Dolce Vita‘. Eine Nacht mit Alain Delon hatte eine Schwangerschaft zur Folge, am 11. August 1962 kam Sohn Aaron (Ari) zur Welt; der Vater erkannte ihn nicht an. Nico zog es ins ‚Swinging London‘, zunächst betreute ihre Mutter den kleinen Sohn, später lebte Nico wieder selbst mit ihm zusammen. Als ihr Stern als Model sank (jüngere Frauen wie Twiggy repräsentierten jetzt das angesagte Frauenbild), blieb sie dennoch ein „It-Girl“; sie lernte alle wichtigen Rockmusiker in GB und USA kennen – und deren jeweilige Drogen.
1965 nahm sie ihre erste Single auf (I’m Not Sayin’) – wichtiger als die Musik war dabei das Musikvideo in Schwarzweiß, das die Sängerin auf den Straßen von London und am Themse-Ufer zeigt: es gehört zu den ersten Musikvideos überhaupt. Bob Dylan machte sie mit Andy Warhol bekannt – und Nico wurde Mitglied der New Yorker ‚Factory‘. Warhol definierte sie als seine ‚Mondgöttin‘ und stellte sie der Band Velvet Underground vor, mit denen sie eine zeit lang auftrat und drei von Lou Reed für sie geschriebene Lieder aufnahm. Zu hören sind sie auf dem 1967 veröffentlichten Kult-Album „The Velvet Underground & Nico“, das als „Bananen-Album“ bekannt wurde und zu den bedeutendsten Alben der Musikgeschichte zählt. „Sie interpretierte ihre Songs in Slow Motion und setzte damit einen Kontrapunkt zu dem hämmernden, hektischen, Amphetamin-getriebenen Sound der Band. Velvet Underground waren eine Sensation. Velvet Undergound plus Nico waren umwerfend“ (Ingrid Strobl). Der Fotograf Nat Finkelstein schrieb über Nico: „Sie trat in Andys Sphäre als ein erwachsener Mensch ein. Sie handelte selbständig, sie traf ihre eigenen Einschätzungen, sie war nicht jemand, der nur dazu gehörte. Nico war eine starke Frau. Sie war ein menschliches Wesen in einer Welt der Symbole.“ 1967 nahm sie in New York ihr erstes Solo-Album ‚Chelsea Girl‘ auf, wofür Bob Dylan, Lou Reed, Jackson Browne, John Cale und Tim Hardin ihr Lieder geschrieben hatten.
Sie wurde es zunehmend leid, „als Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Fantasien und Begierden zu dienen“ (Strobl) und änderte ihr Image vollständig, wurde eine frühe Vertreterin des Gothic-Style und demonstrierte eine nihilistische Haltung zur Welt. Auch wenn ihre neuen Lieder kommerziell wenig erfolgreich waren, wurde ihr 1974 produzierter Song „It has not taken long“ 2018 von der Zeitschrift Rolling Stone unter die besten 111 Songs Deutscher Herkunft gewählt. In den 70ern begann Nico, Heroin zu spritzen, nicht unüblich in der damaligen RockmusikerInnen-Szene. Ihre Mutter starb. Ihr Sohn Ari war weit weg, da die französischen Großeltern ihn adoptiert hatten. Sie tauchte einige Zeit in der Versenkung ab, gab aber ab und zu ein Album heraus. In den 1980ern trat sie mit der Band ‚The Faction‘ auf. Nico verarmte, lebte mit dem Experimentalfilmer Philippe Garrel in Paris in sehr bescheidenen Verhältnissen: „Ich muss nicht nach draußen gehen u. a.ßerhalb zu sein. Ich kann mich auch in einer kleinen Zelle so fühlen. Tatsächlich bin ich gerne eingesperrt.“ Ihre Musik „brachte in ihr die Verlassenheit, den Verlust und den Schmerz zum Ausdruck, die sie mit dem Heroin zu betäuben versuchte“ (Strobl). Sie mythisierte ihre Vergangenheit, verklärte ihr früheres Leben als Star in Warhols Factory um sich Auftritte zu verschaffen. Im Musikbusiness wie in der Presse als „kaputte Junkie-Frau“ verschrien war sie gleichzeitig ungewöhnlich kreativ: Sie trug häufig ein Aufnahmegerät mit sich, um ungewöhnliche Klänge aufzunehmen und alltägliche Geräusche zu ’sammeln‘, wie es erst viel später in den 1990ern modern wurde. 1982 gab sie im besetzten „Stollwerck“ einen letzten Kölner Auftritt.
1987 zog Nico zusammen mit Ari nach Ibiza. Sie hatte einen Entzug hinter sich, hatte ihr Leben geändert und fasste noch einmal Fuß im Musikbusiness. Sie erhielt einen Kompositionsauftrag für das Berliner Musikfestival „Fata Morgana“ im Planetarium und gab dort am 6. Juni 1988 zwei umjubelte Vorstellungen vor ausverkauftem Haus. Zurück auf Ibiza stürzte sie am 18. Juli 1988 mit dem Rad und starb wenig später, im Alter von nur 49 Jahren. Ihr Grab auf dem Friedhof in Berlin-Grunewald ist eine internationale Pilgerstätte.
Gekürzte Version eines Textes von Irene Franken für den Kölner Frauengeschichtsverein (https://www.frauengeschichtsverein.de/start-und-news/frau-des-monats-2020/juli-2020/), bearbeitet von Susanne Zickler
Die Zitate von Ingrid Strobl stammen aus einem Manuskript, das im Kölner Frauen Geschichtsverein einzusehen ist.