Anlässlich des hundertjährigen Bauhaus-Jubiläums 2019 zeigte das Kölner Museum für Angewandte Kunst (MAK) die ein wenig feministisch ambitionierte Ausstellung „2 von 14. Zwei Kölnerinnen am Bauhaus“. Präsentiert wurde das Werk avantgardistischer Künstlerinnen, die bislang noch nicht im Fokus des öffentlichen Interesses gestanden hatten: die Keramikerin Margarethe Heymann-Loebenstein und ihre Cousine, die Bildhauerin und Bühnenbildnerin Marianne Ahlfeld-Heymann.

Dabei hatte Margarethe Heymann-Loebenstein mit dem Bauhaus keine guten Erfahrungen gemacht. Aufgrund der frauenfeindlichen Atmosphäre verließ sie die Schule bereits nach wenigen Monaten und ging ihren eigenen Weg.

Aus: Die Bauhaus-Frauen, © Verlag Elisabeth Sandmann München 2009

Grete, wie Margarethe Heymann im Familienkreis genannt wurde, kam am 10. August 1899 in Köln zur Welt. Zusammen mit ihren beiden Geschwistern wuchs sie in Lindenthal in einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie auf. Die Eltern förderten die künstlerische Begabung ihrer Tochter. Zunächst widmete sich Grete der Malerei. Ab 1916 besuchte sie die Kunstgewerbeschule in Köln und wechselte zwei Jahre später auf die renommierte Kunstakademie Düsseldorf.

Inzwischen galt ihr Interesse vor allem der Keramik. Sie horchte daher auf, als sie vom Bauhaus erfuhr, das Walter Gropius 1919 in Weimar gegründet hatte. Ziel dieser innovativen Lehranstalt war es, Architektur, Kunstgewerbe und Design des 20. Jahrhunderts eine ganz neue Richtung zu geben. Die jungen Wilden rüttelten an Prüderie, Konventionen und Klassenschranken des Kaiserreichs. Gropius proklamierte: „Keine Unterschiede zwischen dem schönen und dem starken Geschlecht!“ Doch schon bald fürchtete er, die große Anzahl könne dem Ansehen seines Projekts schaden.

Nachdem Margarethe Heymann zunächst zwei Absagen erhalten hatte, bekam sie im Herbst 1920 endlich den ersehnten Studienplatz. Doch ihre Hoffnung, in der Keramikwerkstatt aufgenommen zu werden, erfüllte sich zunächst nicht. Zwar hatte es im Gründungsmanifest geheißen, das Bauhaus nehme jeden auf, „ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht“. Doch nun hieß es plötzlich, zurzeit würden keine Frauen akzeptiert. Doch Grete blieb hartnäckig und erstritt, dass sie „versuchsweise“ teilnehmen konnte. Aber schon im Herbst 1921 ging Grete freiwillig. In den Akten hieß es, sie sei „talentiert, aber ungeeignet für die Werkstatt“ – was immer das auch bedeuten mag.

Grete Heymann kehrte in ihre Heimat zurück, arbeitete zunächst in einer Keramikwerkstatt in Frechen, bevor sie künstlerische Mitarbeiterin einer Steingutfabrik im brandenburgischen Velten wurde.

Am 4. August 1923 heiratete sie den promovierten Ökonomen Gustav Loebenstein und gründete noch im gleichen Jahr mit ihm und seinem Bruder die Haël-Werke für künstlerische Keramik im nördlich von Berlin gelegenen Marwitz. Der etwas ungewöhnliche Name setzt sich aus den Initialen von Heymann und Loebenstein (HL) zusammen.

Grete Heymann-Loebenstein übernahm die künstlerische Leitung des Unternehmens, das schon bald florierte. Das Programm der Werkstätten zeichnet sich durch große Formen – und Stilvielfalt aus. Nach avantgardistischen Entwürfen wurden Kaffee- und Teeservices, Vasen, Schalen und anderes mehr hergestellt, allesamt kleine Kunstwerke. Zu einem der markantesten Markenzeichen wurden die doppelten Scheibengriffe von Tassen und Kannen in allen erdenklichen Farben und Materialien. Gretes Keramik sprach vor allem jene wohlhabende Klientel an, die sich von der „breiten Masse“ abheben wollte. 1927 beschäftigte das Unternehmen 62 Mitarbeiter*innen und trug das Bauhaus in die ganze Welt.

1928 kamen Gustav Loebenstein und sein Bruder Daniel bei einem Autounfall ums Leben. Grete, inzwischen Mutter von zwei Kindern (Michael *1924 und Stephan *1927) musste die Werkstätten allein weiterführen. Doch dank ihres unternehmerischen Talents gelang ihr das ganz hervorragend, selbst in schwierigen Zeiten der Weltwirtschaftskrise.

Angesichts der Machtübernahme durch die Nazis geriet Grete Heymann-Loebenstein zunehmend in Bedrängnis. Als ihr jüngerer Sohn 1933 bei einem häuslichen Unfall starb, wurde sie der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht beschuldigt und vorübergehend inhaftiert.

Gleichzeitig forderte die Konkurrenz, ihre Firma unverzüglich zu „arisieren“. Das wollte Grete unbedingt verhindern. Aber dann wurde sie im Sommer 1933 von zwei Angestellten denunziert wegen „Verächtlichmachung und Herabsetzung der deutschen Staatsautorität“. Um einer weiteren Verhaftung zu entgehen, floh Grete mit ihrem Sohn Michael nach Bornholm. Im April 1934 sah sie sich gezwungen, die Haël-Werkstätten zu verkaufen, wenn auch weit unter Wert für nur 45.000 Reichsmark. Gleichwohl waren ihre begehrten Erzeugnisse noch mehrere Jahre lang im Handel, obwohl eine NS Zeitschrift sie als „entartet“ diffamiert hatte.

Weil sie in Dänemark keine Zukunft sah, beschloss Grete 1936, nach Großbritannien zu emigrieren, wo sie mit Hilfe von ehemaligen Geschäftspartnern beruflich wieder Fuß fassen konnte. Sie lernte Harald Marks kennen, der ihr zweiter Ehemann wurde. 1941 kam die gemeinsame Tochter zur Welt. Zusammen mit Marks gründete sie 1938 wieder eine eigene Firma, die Greta-Pottery. Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs machte alle anfänglichen Erfolge zunichte und setzte der Firma ein jähes Ende.

Erst nach Kriegsende ging es allmählich wieder aufwärts. 1945 eröffnete Grete Marks ein Keramik-Atelier in London, ohne jedoch an ihre früheren Erfolge anknüpfen zu können. Vielleicht erinnerte sie sich deshalb an ihre künstlerischen Anfänge. Sie begann wieder zu malen und war auch regelmäßig auf Ausstellungen vertreten. Aber der große Durchbruch blieb ihr verwehrt, und ihr Name geriet allmählich in Vergessenheit.

Ab 1961 war die Künstlerin als Opfer der NS-Verfolgung anerkannt und erhielt 1985 Entschädigung für den Verlust ihres Betriebs. Am 11. November 1990 starb sie hochbetagt in London. Erst das wachsende Interesse an emigrierten Künstlern führte dazu, dass man sich auch wieder an Margarethe Heymann-Loebenstein-Marks erinnerte und sie als modernistische Keramikerin würdigte. Heute befindet sich ein Großteil ihres Nachlasses im Jüdischen Museum Berlin.

Seit 2019 erinnern mehrere Stolpersteine vor Gretes Elternhaus in der Lindenthaler Kinkelstraße 9 an das Schicksal der jüdischen Familie Heymann. Während sie und ihre Geschwister rechtzeitig ins sichere Ausland emigrierten, wurde Mutter Emma 1943 deportiert und im KZ ermordet.

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser

Quellen

  • Ulrike Müller, Die Bauhaus-Frauen, Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design, München 2009, S. 70-75
  • Ausstellungskatalog: Keramik und Bauhaus, Berlin 12. April bis 28. Mai 1989