Ein kleines Messingschild am Eingang des Hauses Albertusstraße 13-17 verrät, dass sich hier die Geschäftsstelle des Kölner Lyceum Clubs befindet. Dabei handelt es sich um einen Frauenverein, der laut Satzung allen offensteht, „die sich für Kunst, Literatur, Musik, Wissenschaft und soziale Probleme interessieren und durch ihr persönliches Engagement und die vielfältigen Aktivitäten des Clubs die kontinuierliche Förderung von Wissen und des kulturellen Austauschs auf der ganzen Welt unterstützen“. Kaum jemand weiß, dass dieses Haus den Namen von Johanna Hesse trägt, der langjährige Präsidentin des Clubs, die ihn in der schwierigen Nachkriegszeit mit großem Engagement neu aufgebaut und und schließlich zur Blüte geführt hat.

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Johanna Bornheim wurde als erstes Kind der Familie am 7. Juni 1890 in Köln-Ehrenfeld geboren. Die Eltern, die in der Piusstraße 48 lebten, verfügten dank der florierenden Margarinefabrik von Vater Wilhelm (1865-1923) über ein solides Einkommen, denn das Streichfett war damals ein überaus beliebtes Produkt. Vermutlich wird Johanna eine gute Ausbildung erhalten haben, aber darüber ist leider nichts bekannt. Volljährig geworden, heiratete sie am 11. Mai 1912 den Regierungsrat Kurt Hesse, mit dem sie vermutlich vorerst in Köln lebte. Ansonsten aber kennt man keine Einzelheiten aus ihrem Privatleben.
Wie viele Damen aus den gehobenen Kreisen war auch Johanna Hesse sowohl künstlerisch und kulturell als auch frauenpolitisch engagiert. In den Zwanziger Jahren trat sie dem Anfang des Jahrhunderts gegründeten Kölner Frauenclub und nachmaligen Lyceum Club bei, der 1927 in der Innenstadt das Vereinshaus Albertusstraße 29 erwarb. Doch in der Zeit der Nazidiktatur wurde der Club zunächst „arisiert“, schließlich aufgehoben, sein Vermögen konfisziert, und das ebenfalls enteignete Vereinshaus versank im Bombenhagel in Schutt und Asche.

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Womöglich hätte es nach Kriegsende keinen Neubeginn für den Club gegeben, hätte sich Johanna Hesse, die inzwischen in Bonn Bad-Godesberg lebte, nicht mit aller Kraft dafür eingesetzt. So schaffte sie es bereits 1946, dem Club wieder neues Leben einzuhauchen, indem er sich der internationalen Gemeinschaft der Lyceum Clubs anschloss. 1949 wurde Johanna Hesse zur Ersten Vorsitzenden gewählt. Was jedoch dringend fehlte, war ein fester Treffpunkt. Laut Protokoll beschloss die Versammlung daher, die Wiedergutmachung des Hauses Albertusstraße zu betreiben. Es dauerte eine Weile, aber schließlich gelang es Johanna Hesse in geschickten Verhandlungen, zumindest ein anderes Grundstück in der gleichen Straße zu bekommen. So konnte in den 1950er Jahren ein neues Gebäude errichtet werden, das seit 1954 den Namen der ersten Präsidentin trägt, die den Kölner Club achtzehn Jahre lang geleitet hat: Johanna-Hesse-Haus.

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Unter der Präsidentschaft von Johanna Hesse begann die Blütezeit des Kölner Lyceum Clubs. Sie selbst schrieb über die Anfänge: „Wir begannen unsere Arbeit zunächst mit einer Künstlerhilfe, die nach dem Zusammenbruch besonders wichtig war, da viele Theater geschlossen und zerstört worden waren.“ Nachdem also zunächst die Künstlerinnen im Fokus der Clubarbeit gestanden hatten, gab es schon bald einen weiteren Schwerpunkt, der in der Nachkriegszeit von ganz besonderer Bedeutung war: Völkerverständigung. Dabei war es durchaus von Vorteil, dass das nahe gelegene Bonn der Regierungssitz der jungen Bundesrepublik wurde. Johanna Hesse, die selbst im Diplomatenviertel Bonn Bad-Godesberg lebte, gelang es, zu den Kölner Clubnachmittagen die Ehefrauen ausländischer Diplomaten einzuladen und um Zusammenarbeit zu bitten: „In internationalen Nachmittagen vermittelten wir mit Hilfe unserer Mitglieder aus allen Nationen Kenntnisse aus deren Ländern, Volk, Kunst, Kultur und Erzeugnissen.“ 1961 erhielt Johanna Hesse für ihre Verdienste das Bundesverdienstkreuz, und ein Jahr später konnte sie die Ehefrau des amtierenden Bundespräsidenten, Wilhelmine Lübke, als Ehrenpräsidentin des Kölner Clubs gewinnen.
Die Dankesrede der Trägerin des Bundesverdienstkreuzes schloss mit den Worten: „Und wenn ich einen Wunsch offen hätte, dann würde ich keinen anderen haben als diesen, dass ich noch genug Zeit habe, mich für Frieden und die Verständigung unter den Völkern einzusetzen. Dann wäre ich glücklich.“
Leider ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Nachdem Johanna Hesse sich bis zum Schluss mit unvermindertem Engagement für den Club eingesetzt hatte, starb sie bereits am 1. Mai 1964 kurz vor Vollendung ihres 74. Lebensjahres an den Folgen einer Magenoperation. Beigesetzt wurde sie im Grab ihrer Eltern auf dem Kölner Melatenfriedhof.
Johanna Hesses Vermächtnis, das Frauennetzwerk des Kölner Lyceum Clubs, lebt bis heute fort, sowohl was die Unterstützung junger Künstlerinnen betrifft, als auch das völkerverbindende Element durch Partnerschaft und freundschaftliche Verbindungen mit den Mitgliedern internationaler Clubs.

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Karin Feuerstein-Prasser
Quellen:
- Archivmaterial des Lyceum Clubs Köln