Kurzbiografie auf Grundlage des Vortrags „Die Frauen um Karl Marx“ (2018 ff.) von Ina Hoerner-Theodor
Am 12.2. 1814 kam Jenny von Westphalen in Salzwedel zur Welt und wuchs in Trier in großbürgerlich – liberalen Verhältnissen auf. Sie erhielt Hausunterricht und besuchte eine private Töchterschule. Schon früh begeisterte sie sich für Sprachen, Kultur und Politik. Nach der Trennung von einem wenig anregenden Leutnant verliebte sie sich unsterblich in den 18jährigen Karl Marx, ihren Freund seit Kindertagen. Stellen Sie sich vor: eine Adelige mit einem vier Jahre jüngeren Studenten ohne Einkommen und Vermögen, das war skandalös! Aber Jenny gab nichts auf Konventionen und den Verlust von Standesprivilegien, das war ihre kleine Revolution. Karl studierte in Berlin, sie sahen sich lange Zeit nicht. Jenny erarbeitete sich im Selbststudium ein breites Wissen. Die beiden schrieben sich unzählige Briefe und lebten von der Sehnsucht. 1841, Jenny war 27 (!), verbrachten sie ihre erste Nacht im „Kölnischen Hof“.
Durch das Verbot der Rheinischen Zeitung verlor Marx seine Arbeit als Chefredakteur, und so heiratete Jenny von Westphalen einen mittellosen Doktor der Philosophie.
Das Paar ging nach Paris. Sie arbeiteten für den „Vorwärts“ und lebten im Umfeld linker Exilierter. Dort kam Jenny, das erste Kind, zur Welt. Sie engagierte sich später für die irische Freiheitsbewegung. – Ein Ausweisungsbefehl zwang Marx nach Brüssel, wo sie trotz Auflagen in der sozialistischen Bewegung agierten. Dort lebte die inzwischen fünfköpfige Familie (Laura, Edgar) in beengten Verhältnissen. Helena Demuth, einst Haushälterin im Trierer Elternhaus, stand ihnen zur Seite. Die Kinder wuchsen frei auf und wurden wie kleine Erwachsene respektiert.
Im belgischen Exil radikalisierte sich Jennys Denken. Davon zeugt das „Kommunistische Manifest“, dessen erster metaphorischer Satz („Ein Gespenst geht um in Europa …“) ihre Idee war. Im Revolutionsjahr 1848 gründeten Karl Marx und sein Freund Friedrich Engels in Köln die „Neue Rheinische Zeitung“. Sie wurde zur politischen Instanz. Die Marxens zogen in die Cäcilienstraße 7, nahe der Redaktion am Heumarkt. Jenny beteiligte sich engagiert an der journalistischen Arbeit: Debattieren, Redigieren, Lektorieren, die Redakteure legten Wert auf ihr Urteil. Leider wurde die NRhZ nach einem Jahr verboten. Das Scheitern der Revolution enttäuschte, doch alle glaubten weiter unbeirrt an ihre politische Aufgabe. Karl wurde aus Preußen ausgewiesen, Jenny musste den Haushalt auflösen, und wieder war sie schwanger. Im letzten Exil in London gebar sie in armseligen Verhältnisse Guido und ein Jahr darauf Franziska. Jede Geburt war lebensgefährlich. Doch Verhütung war kein Thema, da hätte Marx von Freund Engels, der die Familie unterstützte, etwas existenziell Wichtiges lernen können. Marx schwängerte auch noch Helena Demuth, er, der die Ausbeutung proletarischer Frauen verurteilte! Das sollte lange ein Tabu in der Marx-Forschung bleiben. Jenny war tief verletzt, trotz des Vertrauensbruchs blieb sie loyal und vermied einen gesellschaftlichen Skandal. Helenas Kind kam in eine Pflegefamilie. Jenny nahm sich eine Auszeit: kein Sex, keine Geburt.
Marx wurde krank, litt an vielfältigen Symptomen und konnte zeitweilig nicht arbeiten. Er ernannte Jenny zu seiner Stellvertreterin. Sie gewährleistete, dass die „New York Daily Tribune“ von ihm und Engels über elf Jahre hinweg regelmäßig (Leit)Artikel bekam. Der Chefredakteur adressierte sie als „Geschäftsführerin der Firma Marx“. Sie sammelte Materialien und Informationen und führte Verhandlungen mit Verlegern und Übersetzern. Ihr oblag die umfangreiche Korrespondenz mit unzähligen Personen innerhalb der sozialistischen Bewegung. Auch „kneipte“ sie gerne mit der „Clique“ der Londoner Kommunisten. 1855 gebar sie eine Tochter, Eleanor, diese wurde später eine sozialistische Frauenrechtlerin. Mithilfe zweier Erbschaften konnten die Marxens erstmals ein schönes Haus beziehen. Endlich nichts mehr ins Pfandhaus bringen müssen! Das letzte Kind verlor Jenny sofort nach der Geburt – nur drei von sieben Kindern waren ihr geblieben. Auch eine Pockenerkrankung überlebte Jenny, Karl pflegte sie zuhause. Dann verfasste sie ihre Lebenserinnerungen und begleitete zehn Jahre lang die Arbeit an seinem wissenschaftlichen Hauptwerk „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie.“ Trotz der „dialektischen Spitzfindigkeiten“ gefielen ihr „Pathos und Stringenz“ des Textes.
Nun hatte sie endlich Zeit, sich mit Kunst, Musik, Literatur und vor allem Theater zu befassen. Im Zuge einer Shakespeare-Renaissance schrieb sie Theaterkritiken für die Feuilletons, man attestierte ihr Sprachwitz und Mut zur Provokation.
1881 starb sie 67jährig an einer Krebserkrankung, im Beisein ihrer Familie.
Auf der Familien-Grabplatte im Londoner Highgate – Friedhof – dem letzten Ort für Ungläubige – ist zu lesen: „Jenny von Westphalen, the beloved wife of Karl Marx“.
In der DDR wurde Jenny Marx durch eine Briefmarke und zahlreiche Namensverleihungen gewürdigt. In ihrem Geburtshaus und am Trierer Wohnhaus ehren sie eine Bronzeplastik und eine Gedenkplakette. Straßen sind nach ihr benannt, und eine Sektion der Rosa-Luxemburg-Stiftung nennt sich Jenny Marx Gesellschaft.
Autorin: Ina Hoerner-Theodor
- Jenny Marx: Kurze Umrisse eines bewegten Lebens (1865), in: Renate Schack (Hrsg:): Jenny Marx (1989)
- Angelika Limmroth, Jenny Marx Die Biografie (2014)
- Hecker/Limmroth (Hrsg) Jenny Marx Die Briefe (2014)
- Marlene Ambrosi, Jenny Marx (2015)
- Francoise Giroud, Das Leben der Jenny Marx (1997)
- Eva Weissweiler, Lady Liberty – Das Leben der jüngsten Marx-Tochter (2018)
- Jürgen Neffe, Marx Der Unvollendete (2018)