Das Leben von Ingund Mewes wurde entscheidend von ihren Erfahrungen während des Nationalsozialismus geprägt.  Sie machten sie schon früh zu einer „chronischen Pazifistin auf Lebenszeit“. Später engagierte sich die gelernte Schauspielerin in der Frauenbewegung und gründete mit dem Piccolo-Theater 1986 ein erstes feministisches Schauspielhaus, das sie gemeinsam mit ihren Töchtern führte.

Ingund Mewes, geboren am 5. Mai 1934 in Hannover, wurde in ihrer Jugend von zwei wichtigen Faktoren beeinflusst: Da war zum einen die entschiedene Gegnerschaft ihrer Familie zum NS-Regime, aber auch die eigenen Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs, als das Kind im Luftschutzbunker Todesängste ausstehen musste. Beides machte sie zur dezidierten Antifaschistin.

Ungleich positiver war der zweite Faktor, denn Ingund wuchs in einer Familie auf, in der Kultur eine maßgebliche Rolle spielte. Es wurde, zumindest in Friedenszeiten, gemalt und musiziert, oft und gern das Theater besucht. So beschloss das junge Mädchen, sich nach dem Schulabschluss 1951 an der Staatlichen Akademie für Musik & Theater in Hannover zur Schauspielerin ausbilden zu lassen. Seit 1954 hatte sie Engagements an verschiedenen deutschen Bühnen, wo sie vor allem als „Heilige Johanna“ von George Bernhard Shaw große Erfolge feierte.

Nach ihrer Hochzeit 1959 und der Geburt von Tochter Dorothea stand kurze Zeit später Ingund Mewes am Scheideweg:

„Kein Mann wird vor die Frage gestellt: Familie oder Beruf. Wir Frauen stehen immer dazwischen. Machen wir nur unseren Beruf, heißt es, wir sind Karrierefrauen. Machen wir nur ´in Familie`, gelten wir als Schmarotzerinnen unserer Männer. Machen wir beides, vernachlässigen wir Familie und Beruf gleichermaßen. Es gibt keinen Weg für uns in dieser Gesellschaft, es richtig zu machen.“

Trotz aller Schwierigkeiten und der häufigen Abwesenheit ihres Mannes entschied sich Ingund Mewes, ihren Beruf weiterhin auszuüben, auch nach der Geburt ihrer zweiten Tochter Christine 1964.

Ingund Mewes mit ihren Töchtern
Ingund Mewes mit ihren Töchtern, © Hanne Horn, Kölner Frauengeschichtsverein

1966 zog die Familie nach Porz, wo sich Ingund Mewes beim WDR in Köln neue Perspektiven eröffneten, weil sie nun auch als Hörfunk-Sprecherin arbeiten konnte und als erste Frau im ARD-Magazin Monitor einen Kommentar sprach. Und das zu einer Zeit, in der Männer das Medium dominierten und Frauen als Nachrichtensprecherinnen noch nicht etabliert waren.

Daneben engagierte sie sich in der linksgerichteten Porzer Gesellschaft für Politik und Bildung und konnte bekannte Künstler wie Hanns-Dieter Hüsch, Franz-Josef Degenhardt oder Günther Grass zu Auftritten verpflichten.

In dieser Zeit trennte sie sich von ihrem Mann, zog mit den Töchtern aus und ließ sich 1975 scheiden. Damals begann sie, sich in der noch jungen Frauenbewegung zu engagieren und begeisterte ihre Geschlechtsgenossinnen schon bald durch ihr rhetorisches Talent. So kämpfte sie in der „Aktion 218 Köln“ für die Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch, nicht zuletzt, weil sie sich selbst mehreren Abtreibungen unterzogen hatte – mehr als zwei Kinder konnte sich die Familie nicht leisten:

„Ich selbst habe viermal abtreiben müssen, und das unter ganz schaurigen Umständen. So, dass ich einmal fast gestorben wäre“,

berichtete sie später in einem Interview. Im Juli 1971 brachte sie gemeinsam mit 29 anderen Frauen 86.000 Unterschriften gegen den § 218 zu Bundesjustizminister Gerhard Jahn nach Bonn.

Am 20. November 1971 sprach Ingund Mewes im Rahmen einer „konzertierten Aktion“ auf einer Kundgebung auf dem Offenbachplatz in Köln zur Abschaffung der Abtreibungsgesetze, während andere Frauen zeitgleich in Westeuropa, darunter Simone de Beauvoir in Paris, ähnliche Reden hielten.

In den folgenden Jahren baute sich Ingund Mewes eine Existenz als feste Rundfunksprecherin beim WDR auf, arbeitete aber auch für andere ARD-Anstalten und die Deutsche Welle. Daneben wirkte sie an Stücken an dem neu gegründeten Theater Comedia Colonia (heute Comedia Köln) im Bereich freies Kinder- und Jugendtheater mit.

1985 entschloss sich Ingund Mewes zu einem ausgesprochen mutigen Schritt: Zusammen mit ihrer Tochter Dorothea übernahm sie von einem Freund eine kleine Bühne im Hinterhof der Zülpicher Straße 28 und gründete das Piccolo-Theater, die erste feministische Bühne überhaupt. Ihre Motivation ist leicht nachzuvollziehen: „Männertheater“ gebe es genug. 300.000 Mal pro Jahr würden Faust, Hamlet oder dergleichen Heldenepen aufgeführt. Dem wollten „Mewes & Töchter“ die Sicht von Frauen entgegensetzen: „Die Kraft, die wir in die anderen Theater investieren und in die Herren, die diese selbstverständlich leiten, können wir ausnahmsweise mal in uns investieren.“ Am 22. Februar 1986 öffnete das Piccolo-Theater seine Pforten. Von nun an widmete Ingund Mewes die ganze Kraft ihrem Haus, brachte politisch und feministisch ausgerichtete Stücke auf die Bühne und nahm nur noch gelegentlich Sprecherinnenaufträge an. Daneben arbeitete sie weiterhin bei Hörspielproduktionen für den WDR mit.

Portrait Ingund Mewes
© Hanne Horn, Kölner Frauengeschichtsverein

Auch wenn es großartig war, ihr feministisch-pazifistisches Engagement mit den Aufführungen des Piccolo-Theaters verbinden zu können, so war doch das finanzielle Risiko erheblich, wenngleich Mutter und Töchter oft allein auf der Bühne standen und sich obendrein um „das ganze Drumherum“ kümmerten. Am 8. März 2001 wurde Ingund Mewes für ihr „feministisches, pazifistisches und humanistisches Lebenswerk“ mit dem Inge-von Bönninghausen-Preis „Sternschnuppe“ ausgezeichnet.

Doch es kam, wie es kommen musste, es wurde ein ständiger Kampf um den Erhalt des Theaters, der Ingund Mewes zunehmend zermürbte. 2003 stand ihr Haus endgültig am Rande des Existenzminimums und musste schließen. Unheilbar an Krebs erkrankt, starb Ingund Mewes am 18. Februar 2005 im Alter von 70 Jahren und wurde auf dem Kölner Melatenfriedhof beigesetzt.

Klaus Jürgen Dilewsky vom Förderverein des Theaters schrieb in seinem Nachruf: „Wir trauern um eine Humanistin, Feministin und Pazifistin als Schauspielerin, Kollegin und Freundin.“

Werke während der Zeit ihrer Leitung des Piccolo-Theaters hat Ingund Mewes folgende Bühnenstücke verfasst:

  • Die Töchter der „Hexen“. Premiere: 9. September 1987. Mewes spielte in der Inszenierung der Uraufführung die Rolle der Katharina Henot selbst. 1991 ausgezeichnet mit dem Kölner Theaterpreis.
  • WahnsinnsFrauen in Zusammenarbeit mit dem Ensemble. Premiere: 22. Oktober 1993.
  • Power-Frauen in Zusammenarbeit mit ihrer Tochter Dorothea Mewes. Premiere: 28. Juli 1998.

Literatur:

Ursula Linnoff, Margit Stolzenburg: Einig Frauenland? Mütter und Töchter in West und Ost. Neues Leben, Berlin 1995, ISBN 978-3-355-01449-6

Ehrungen:

Ingund Mewes war die zweite Preisträgerin des Inge-von-Bönninghausen-Preises ‚Sternschnuppe‘, der zwischen 1998 und 2010 zweijährlich vergeben wurde.

Textbearbeitung: Karin Feuerstein-Prasser

Quellen