Ingeborg Weiser wurde am 26.7.1938 in Köln Raderberg geboren. Die Eltern betrieben eine große Metzgerei, sie sahen für ihre Tochter nach der Mittleren Reife einen „brauchbaren Brotberuf“ vor. Die Lehre in einem Büro langweilte Ingeborg. Sie widersetzte sich – im Gegensatz zu ihrer „braven“ Schwester – aller kleinbürgerlichen Enge und studierte in Köln und Paris umfassend Malerei und Grafik. Nach einem zweiten Studium in Psychologie und Kunsttherapie promovierte sie im Alter von 65 Jahren mit einer Dissertation über die „Ästhetik des Kitschs.“ Sie pflegte internationale Kontakte zu Karikaturisten-Zirkeln in Polen, Frankreich und Ungarn. Ihre künstlerische Arbeit wurde mit Auszeichnungen geehrt.
Die „Scribapinga“ (so genannt von Albrecht Fabri und anderen Künstlerfreunden) schrieb unzählige Gedichte, die vertont und in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Sie schuf auch zwei Romane und arbeitete journalistisch für verschiedene Rundfunksender und Zeitschriften. Als Künstlerin porträtierte sie zahlreiche Zeitgenoss*innen. Im Archiv der Zentralbibliothek Köln, im LIK (Literatur in Köln-Archiv) befinden sich zu Ingeborg Drews etwa 90 Eintragungen.
2016 gab Ingeborg Drews dem Kölner Frauengeschichtsverein die Rechte an einem Jugendporträt für das Programmcover, so lernte ich sie kennen und war sofort von ihrem Temperament und ihrer Vielseitigkeit beeindruckt.
Bei der Premiere meiner elfteiligen Führung „Schriftstellerinnen in Köln“ im März 2017 las Ingeborg die folgenden O-Töne selbst, zur Freude aller Teilnehmerinnen.
Ausschnitt aus: „Mein Paris trägt grüne Schuhe“ (2012)
„…Zu Giorgio Campi, genannt Gigi, zu kommen, das war schon mal was, es war der einzige kosmopolitische Ort in dieser Stadt, sonst gab es ja nichts. Er war wie das Bullauge, durch das man hinausblicken konnte in die Welt. Für uns junge Wesen gab es keine Literatur, kein Theater, kaum ein Kino, kein Schwung, kein Tanz, kein Song. Alberne Schlager, kitschige, die haben WIR NICHT mitgesungen. Bei den Erwachsenen war nach den Aufregungen der Bombennächte Stille eingetreten. Aber es war eine, die den grauen Charakter der Leere hatte. Für Laura stand fest: Mit so einer Leere wollte sie IHR Leben NICHT beginnen.
Da entdeckte sie die erste Eisdiele. Dass die in ihrer Stadt und in ihrem Leben DIE geistige Institution für Jahrzehnte werden sollte, konnte sie damals nicht wissen. Es roch so ganz anders in dieser Eisdiele, nach Espresso, Vanille und Frascati. Es gab eine lange, schöne, glänzende Theke und ihr gegenüber eine Spiegelwand, die das Café vergrößerte. Die Besitzer sprachen mit ihren Freunden Italienisch, was ganz von allein wie Musik, wie Singen, wie Theater war. Sie lachten auf Italienisch. Sie lachten überhaupt. Es machte auf Laura den aufregenden Eindruck, dass sie hier die WAHRE WELT entdeckt hatte…“
Dann las Ingeborg noch eine Kindheitserinnerung (etwa 11jährig) an Irmgard Keun,erschienen in „Ganz unter uns – Geschichten über Kölner und Imis“ (2002)
Ausschnitt aus: „Die kecke Keun“
…„Da vorn an der Theke, das ist Irmgard Keun, sagte meine Mutter. Ich sah hin, da stand eine Frau ganz allein vor ihrem kleinen Glas. Sie stand einfach selbstständig da, … wie Geschäftsmänner. Das Schöne war, dass sie sich überhaupt nicht genierte. Die Frau sprach mit dem Mann hinter der Theke. Es war zu merken, dass sie allein war. Sie sagte auch nicht: Mein Mann kommt gleich! Dann steckte sie sich eine Zigarette an. Das war eine ganz andere Frau als meine Mutter. Obwohl Mama gelegentlich rauchte und stets beteuerte, dass sie eine richtige Geschäftsfrau sei. Die Frau da vorn war mehr so wie eine …Filmschauspielerin? Ich wagte es kaum zu denken, es konnte ja gegen Mama sein. Ich fand die Frau prima, wie sie da stand in der Kneipe. Ganz selbstverständlich, wo doch Leute wie sie gar nicht vorkamen. Meine Mutter schaute zu ihr mit einem misstrauischen Blick, obwohl sie doch immer sagte, Missgunst sei niedrig … Sie meinte nun leise zu meinem Vater: Der Wirt sagt, sie trinkt. Dieser Satz gefiel mir überhaupt nicht, ich konnte das schlecht verbergen. Aber ich schwieg. … Es stehen doch sonst noch viele an der Theke. Männer. Hieße es dann: Der trinkt? Auf unserem Weg zum Ausgang ging ich lächelnd als Leuchtkugel auf sie zu. Sie stand da. Ich sah hinauf, und ein wenig von ihrem Glanz fiel auf mich herab…“
Ingeborg Drews starb am 19.8.2019. Ihre Tochter Inga Drews organisierte 2020 eine ambitionierte Ausstellung („Tout est possible“) bei der Kölner Galerie Koppelmann und gab bei der Finissage Teile aus dem Nachlass an verschiedene Archive.
Literatur von Ingeborg Drews:
- Am Rande der Stunden (Gedichte), Bielefeld 1989
- Die gewöhnliche Sternstunde (Gedichte), Düsseldorf 1999
- Verboten, verbannt, verbrannt – Porträts verfemter Autoren der NS-Zeit in Wort und Bild, Köln 2008
- Mein Paris trägt grüne Schuhe (Roman) Köln 2012
- Johanns Limousinen (Roman) Köln 2015
Autorin: Ina Hoerner-Theodor