Im Jahr 1990 war sie wohl in fast allen deutschen Wohnzimmern präsent. Damals flimmerte ein Werbespot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über den Bildschirm. Es ging um die Kampagne „Gib AIDS keine Chance“: Ein etwas schüchterner junger Mann (Ingolf Lück) legt Verhütungsmittel auf das Warentransportband, während die Kassiererin alias Hella von Sinnen lautstark durch den Raum ruft: „Tina, wat kosten die Kondome?“ Heute lässt sich kaum mehr erahnen, wie sehr der Spot dazu beigetragen hat, das Thema „Kondome“ aus der Schmuddelecke zu holen.

© k. tornatzky

Zuschauer des Privatfernsehens kannten Hella von Sinnen schon länger. In schrillem Outfit moderierte sie seit 1988 zusammen mit Hugo Egon Balder im damals noch jungen Sender RTL die Comedy-Spielshow „Alles Nichts, Oder?“. Die beiden lieferten sich dabei einen – nicht ernst gemeinten – verbalen Schlagabtausch, und es flogen auch Sahnetorten, die in Wirklichkeit aus Rasierschaum bestanden. Später sagte Hella von Sinnen in einem Interview: „Das war eine sehr sehr schöne Zeit. Wir standen damals am Anfang des Privatfernsehens und konnten uns zusammen mit sehr kreativen und lustigen Autoren und Regisseuren lustige Spielchen und Späßchen ausdenken. Wir hatten reinen Spaß am Fernsehmachen.“

Damit begann ihre steile Karriere als Komikerin und Fernsehmoderatorin. Dass sie als Frau eindeutig im Vordergrund stand, war geradezu revolutionär. Sie selbst sagt: „Ende der 80-er Jahre gab es nur dressierte Ko-Moderatorinnen, und da war ich ja etwas ganz Neues. Allerdings hätte es ohne Partner wie Hugo Egon Balder, der das Ganze mitmacht, nicht funktioniert.“ Offen gibt Hella von Sinnen zu, dass sie Balder viel zu verdanken hat – wohl weil sie für die Sendung eine ungeheure Bereicherung war.

Geboren wurde Hella Kemper – so ihr bürgerlicher Name – am 2. Februar 1959 in Gummersbach. Hier besuchte sie das gleiche Gymnasium wie Jürgen Domian, mit dem sie noch heute gut befreundet ist. Nach dem Abitur 1977 zog sie nach Köln und begann ein Studium der Theater-, Film und Fernsehwissenschaften, Germanistik und Pädagogik, das sie allerdings nach der Zwischenprüfung abbrach. Viel mehr als trockene Theorie lag ihr die schauspielerische Praxis. 1980 gründete sie mit Dirk Bach und Dada Stievermann die Kabarettgruppe „Stinkmäuse“. Schon bald gehörte sie zum festen Ensemble von Walter Bockmeyers „Theater in der Filmdose“ an der Zülpicher Straße. Dafür ist sie noch heute dankbar, wie sie in einem Interview verriet: „Um in meinem Beruf Karriere machen zu können, gehören die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt, Chancen und Glücksmomente dazu, die einem plötzlich Wege öffnen.“ Ohne Talent geht es nicht, aber das allein reicht nicht unbedingt aus.

Schon bald konnte sie mit ihrem eigenen humorvollen Bühnenprogramm „Ich bremse auch für Männer“ durch Deutschland touren. Zum großen Vergnügen des Publikums schlüpfte sie dabei in verschiedene Rollen und erwies sich als wahre „Rampensau“.

1991 machte Hella von Sinnen mit ihrem Privatleben Schlagzeilen, als ihre lesbische Beziehung zu Cornelia Scheel, Tochter des früheren Bundespräsidenten, öffentlich wurde. Gemeinsam engagierte sich das Paar im Kampf gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben und forderte die „Ehe für alle“, die jedoch erst 2017 Realität wurde.

Hella von Sinnen mit Dirk Bach in der Sendung psst….

Auch als Synchronsprecherin war Hella von Sinnen erfolgreich und lieh der Hyäne Shenzi im „König der Löwen“ ihre Stimme. Gemeinsam mit ihrem besten Freund Dirk Bach, mit dem sie lange in einer WG zusammengelebt hatte, synchronisierte sie einige Figuren aus der Serie „Little Britain“.

Aber sie arbeitet auch „hinter der Kamera“. 1998 gründete Hella von Sinnen zusammen mit Cornelia Scheel das Unternehmen Komikzentrum GmbH. Es entwickelt Komikkonzepte, Gags und Pointen zum Beispiel für Werbespots, Shows oder Galaveranstaltungen.

Mit Dirk Bach verband sie eine Seelenverwandtschaft. Als der unvergleichliche Entertainer, den die meisten aus der RTL-Sendung „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ kannten, am 1. Oktober 2012 im Alter von nur 51 Jahren an Herzversagen starb, brach für sie eine Welt zusammen. In einem Interview sagte sie einmal: „Das mit Dirk war so ein Geschenk, das habe ich vor und nach ihm nicht mehr erlebt. Er fehlt und ist unersetzbar.“

Hella von Sinnen bekannte, dass sie sich der Trauerarbeit lange Zeit komplett verweigert habe: „Ich bin eine Verdrängerin.“ Erst zehn Jahre später konnte sie den Verlust in dem zusammen mit Cornelia Scheel verfassten Buch „Dear Dicki“ verarbeiten. Darin erinnern prominente Weggefährten an den unvergesslichen Schauspieler und Komiker.

Hella von Sinnen, deren Auftritte meist quirlig, schrill und laut sind und der man das zweifelhafte Image einer „Ulknudel“ verpasst hat, besitzt also noch eine ganz andere Seite, die der Öffentlichkeit weniger bekannt ist. Zwar gibt sie zu, dass sie auch im privaten Leben gerne und laut lacht und gesteht: „Lachen ist für mich überlebenswichtig.“ Das heißt, dass sich hinter der schillernden Fassade die private Hella verbirgt, eine ernsthafte, nachdenkliche und empathische Frau, die das Leben keineswegs nur von der leichten Seite nimmt, sondern es nur mit viel Humor erträgt. Vielleicht ganz nach dem Motto von Kurt Tucholski: „Lerne lachen, ohne zu weinen.“

Im Laufe ihrer Karriere ist Hella von Sinnen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, angefangen vom Bambi über den Deutschen Comedy-Preis, den sie gleich viermal erhielt, bis zum deutschen Fernsehpreis und weiteren Auszeichnungen.

Auch weiterhin ist Hella von Sinnen im Fernsehen zu sehen, erst unlängst wieder zusammen mit Hugo Egon Balder in der Neuauflage der beliebten Quizshow „Genial daneben.“ Doch die Arbeit hat sich verändert: „Du kannst heute überhaupt nichts mehr machen, ohne dass gleich die Marktforschung eingeschaltet wird“, sagt sie zu den Einschränkungen, die es früher so nicht gab. „Heute läuft alles so stromlinienförmig, was mir persönlich überhaupt nicht passt.“ Tatsächlich ist das ein Attribut, das man wohl am wenigsten mit Hella von Sinnen in Verbindung bringen kann.

Autorin: Karin Feuerstein-Prasser, autorisiert von Hella von Sinnen

Quellen