Vermutlich gibt es noch immer zahlreiche Haushalte, in denen längst vergessene „Schätze“ schlummern: private Foto- und Filmaufnahmen aus früheren Jahrzehnten, die irgendwann im Keller oder auf dem Dachboden abgestellt wurden. Es ist Georgia Friedrich zu verdanken, dass dieses aufschlussreiche Filmmaterial eine neue Heimat finden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. 2019 initiierte sie die Kölner Filmerbe-Stiftung und übergab ihr auch ihre eigene Sammlung: insgesamt 60.000 Dias und Filme, sie sie im Laufe ihres Lebens in rund hundert Ländern gemacht hat. Nicht nur zahlreiche Urlaubsreisen, auch ihre berufliche Tätigkeit als Psychotherapeutin führten Georgia Friedrich nämlich rund um die halbe Welt.

© Filmerbestiftung
Während der Studienzeit lernte Georgia ihren späteren Ehemann kennen, den protestantischen Theologen Helmut Friedrich, den sie bald darauf heiratete. 1969 erhielt er eine Stelle als Gemeindepfarrer an der neu gebauten Epiphaniskirche in Köln-Bickendorf. Damit war Georgia Friedrich zur Pfarrfrau geworden, von der man ganz selbstverständlich erwartete, dass sie ihren Mann bei der Gemeindearbeit unterstützte. Das war auch der Fall, doch ihren Beruf aufzugeben kam für die junge Psychologin nicht infrage. Allerdings blieb sie dem protestantischen Milieu verbunden, war Mitarbeiterin und später auch Amtsleiterin der evangelischen Familienberatung. Hier organisierte sie ein vielfältiges Angebot, von dem vor allem Frauen profitierten: Ehe- und Schwangerschaftskonfliktberatung sowie Informationen zu Trennung und Scheidung. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass bis 1977 noch das Schuldprinzip galt, sodass eine Frau, die die Scheidung einreichte, keinen Anspruch auf Unterhalt hatte.
Gleichzeitig war Georgia Friedrich im evangelischen Kinderheim Anna Stiftung in Köln-Vogelsang tätig. Hier war es die Aufgabe der Psychologin, Kinder und Jugendliche, die teils aus schwierigen familiären Verhältnissen stammten, in ihrer Persönlichkeit zu stärken und sie zu einem selbstständigen und eigenverantwortlichen Leben zu befähigen.

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Aber auch als Pfarrfrau war sie aktiv und beschritt zusammen mit ihrem Ehemann ganz neue Wege. Sie suchten nicht nur den Kontakt zu benachbarten katholischen Gemeinden, sondern kümmerten sich auch um die Betreuung der „Gastarbeiter“-Kinder, die damals keinen Platz im Kindergarten bekamen. Toleranz und Weltoffenheit waren und blieben der Kompass des Ehepaars. Ihr Interesse an fremden Kulturen führte in den siebziger Jahren zu ausgedehnten Reisen durch die Türkei und den Nahen Osten, Erlebnisse, die die begeisterte Fotografin und Hobbyfilmerin Georgia Friedrich in Film, Fotografie und Tagebuchaufzeichnungen festhielt.
Nach dreizehn Jahren in Bickendorf fand Helmut Friedrich 1982, dass es jetzt Zeit für einen Neuanfang sei. In den folgenden Jahren lebte und arbeitete das weltoffene Ehepaar Friedrich überwiegend im Ausland. Während Georgia zunächst für die Mission der evangelischen Kirche im gesamten Nahen Osten tätig war, betreute Ehemann Helmut als Seelsorger die Mitarbeiter großer deutscher Baufirmen, die in der arabischen Welt agierten. 1994 wurde Georgia Friedrich im Auftrag der evangelischen Goosner Mission für drei Jahre nach Indien und Nepal geschickt. Der Schwerpunkt der Mission lag auch hier in der Stärkung der Frauen, der Überwindung von Armut und Hilfe zur Selbsthilfe. An der Universität der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu half Georgia Friedrich beim Aufbau der Abteilung für Klinische Psychologie und führte Studien zu den Lebensverhältnissen der dort lebenden Frauen durch. In dieser Zeit erlernte sie auch die Landessprache Nepali. Weil es kein Wörterbuch Nepali-Deutsch gab, verfasste sie kurzerhand selber eins. Bis heute ist es als einziges auf dem Buchmarkt erhältlich. Und selbstverständlich gibt es auch eine umfangreiche Foto- und Filmdokumentation aus dieser Zeit.

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Die nächsten Jahre führten Georgia Friedrich u.a. in die Krisengebiete Kosovo und Ost-Timor, wo sie in Flüchtlingslagern wirkte und psychologische Hilfe für traumatisierte Kinder und deren Familien leistete.
Eine traurige Zäsur in Georgia Friedrichs Leben bildete der Tod ihres Ehemanns, der 2005 starb. Das nahm sie zum Anlass, 2009 die „Helmut und Georgia Friedrich Stiftung“ zu gründen, um die Studierenden am Psychologischen Institut der Universität Bonn zu fördern.
Im Laufe ihres Lebens hatte Georgia Friedrich im beruflichen wie auch im privaten Kontext rund 60.000 Dias und Filme angesammelt, aber es stand zu befürchten, dass das ganze Bild – und Filmmaterial nach ihrem Tod auf der Müllkippe landen würde. Weil sie das unbedingt verhindern wollte, nahm sie 2019 ihr letztes großes Projekt in Angriff: Die Kölner Filmerbe-Stiftung. Diese hat die Aufgabe übernommen, das historische Filmerbe mit Aufnahmen von Köln und der Region, vor allem aber das Material von Privat-, Hobby- und Amateurfilmern und -filmerinnen für die künftigen Generationen zu sichern. Sie stellen schließlich wichtige Zeitdokumente zur Kultur- und Sozialgeschichte dar.
Aus Anlass der Stiftungsgründung war Georgia Friedrich im August 2019 zu Gast bei einem Bickendorfer Filmabend, an dem sie ihre eigenen Filmaufnahmen aus den Siebziger Jahren in Bickendorf kommentierte.
Wenig später setzten ein Schlaganfall sowie ein schwerer Sturz der unermüdlichen Schaffenskraft der 76-Jährigen Georgia Friedrich ein jähes Ende. Sie wurde zunehmend schwächer und beschloss, den Zeitpunkt ihres Todes selbst zu bestimmen, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 den Weg dafür frei gemacht hatte. Wenig später reiste sie in die Schweiz, nachdem sie bereits Kontakt zu einem Verein für Sterbehilfe ausgenommen hatte. Ihr Leben endete am 5. März 2020 und sie wurde, wie sie es testamentarisch verfügt hatte, in aller Stille anonym beigesetzt.
Karin Feuerstein-Prasser