Wie so viele Frauen aus dem damaligen Großbürgertum förderte Ada Deichmann nicht nur Kunst und Kultur, sie besaß auch eine „soziale Ader“. Immerhin gehörten die protestantischen Deichmanns, Besitzer eines florierenden Bankhauses, zu den reichsten Familien der Stadt Köln. Vor allem aber war Ada Deichmann die Mutter von Freya, Ehefrau des Juristen und später als Widerstandskämpfer hingerichteten Helmuth James von Moltke.
Am 12. April 1886 kam Ada Schnitzler in Köln zur Welt. Ihr Vater Paul, verheiratet mit Fanny Joest, arbeitete zunächst als Richter am Kölner Landgericht, war später aber im kaufmännischen Bereich tätig und brachte es zu solidem Reichtum. 1913 wurde er zusammen mit seinen drei Brüdern von Kaiser Wilhelm II. in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben. (Kuriosität am Rande: Adas jüngerer Cousin Karl-Eduard von Schnitzler 1918-2001 wurde später auf recht unrühmliche Weise berühmt: Der Journalist übersiedelte in die DDR, wurde 1952 Chefkommentator des Deutschen Fernsehfunks und leitete von 1960 bis 1989 die Propaganda-Sendung „Der schwarze Kanal“. In der Bundesrepublik bezeichnete man den politischen Hardliner gerne als „Sudel-Ede“.)
Ada Schnitzler heiratete am 2. August 1905 den Privatbankier Carl Theodor Deichmann (1866-1931), einen der wohlhabendsten Männer der Stadt. Der Aufstieg des Geldinstituts hatte mit seinem Großvater Wilhelm Ludwig Deichmann (1798-1876) begonnen, der 1857 das Bankhaus Deichmann & Co an der Trankgasse gründete. Hier, in der Trankgasse 7 a, wurden auch die drei Kinder geboren, Carl 1905, Hans 1907 und 1911 schließlich Tochter Freya. Im Gegensatz zu ihrem zwanzig Jahre älteren Ehemann, einem konservativen Monarchisten, wurde Ada von ihrem Sohn als „liberal“ eingeschätzt, was immer das auch bedeuten mochte. Jedenfalls war die Ehe nicht sonderlich harmonisch, beide hatten kaum etwas gemeinsam und gingen nach Möglichkeit getrennte Wege.
Ada Deichmann stand in engem Kontakt zu dem progressiven evangelischen Pfarrer Carl Jatho (1851-1913), der seit 1891 als Pfarrer an der Christuskirche (am Stadtgarten) wirkte und auch ihre drei Kinder getauft hatte. Jatho war eine überaus charismatische Persönlichkeit, er sprach die Menschen an. Sie strömten in die Kirche, um seine Predigten zu hören, in denen er eigene Gedanken äußerte, die nicht immer mit der offiziellen Lehre der evangelischen Kirche übereinstimmten. Seine Toleranz gegenüber anderen Religionen, sein ganz andersartiges Christusbild stießen daher zunehmend auf Kritik, sodass Jatho 1911 aus dem Dienst entlassen wurde.
Vielleicht auf Jathos Anraten war Ada Deichmann auch karitativ tätig und arbeitete zwischen 1909 und 1918 als ehrenamtliche Armenpflegerin der Stadt Köln.
1913 wurde das Wohnhaus der Familie in der Trankgasse abgerissen und durch ein repräsentatives Geschäftsgebäude ersetzt, das Deichmannhaus am Bahnhofsvorplatz. Nun bezog man eine Villa am Georgsplatz 16, nach dem Urteil des Sohnes Hans „ein sich mit wohlüberlegt bescheidener Vornehmheit darbietendes altes, aber 1913 modernisiertes Patrizierhaus“.
Hier brillierte Ada Deichmann als Gastgeberin großer Gesellschaften, hier gab sich die städtische Elite, darunter auch Oberbürgermeister Konrad Adenauer, die Klinke in die Hand. In einer großbürgerlichen Familie wie der der Deichmanns war es üblich, dass man nicht nur Kunstwerke sammelte, sondern auch Künstler und Künstlerinnen unterstützte. So war es für Ada Deichmann als Kunstfreundin und -mäzenin selbstverständlich, 1929 an der Gründung der GEDOK Köln beteiligt zu sein. Die ursprünglich 1926 in Hamburg ins Leben gerufene „Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen“ (GEDOK) hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Künstlerinnen zu fördern, indem sie ein Netzwerk engagierter Mäzeninnen aufbaute, zu denen auch Ada Deichmann gehörte.
Doch das kultivierte großbürgerliche Leben der Familie nahm schon bald ein jähes Ende. Die Weltwirtschaftskrise zog auch das Bankhaus Deichmann in Mitleidenschaft, sodass es im September 1931 Insolvenz anmelden musste. Noch ein letztes Mal feierte man im Haus am Georgsplatz am 18. Oktober ein frohes Familienfest, die Hochzeit von Tochter Freya mit dem Juristen Helmuth James von Moltke (1907-1945), Erbe des schlesischen Gutes Kreisau. Doch Carl Theodor von Deichmann, der es nicht verwinden konnte, dass seine einst so florierende Bank nicht mehr existierte, schied drei Tage später aus dem Leben. Er wurde im Familiengrab auf dem Melatenfriedhof beigesetzt.
Für Ada Deichmann brachte der Tod ihres Mannes einige Änderungen mit sich, doch stand ihr nach wie vor genügend Geld zur Verfügung. Nachdem ein Teil des Nachlasses 1932 versteigert worden war, verließ sie Köln und zog in das ehemalige Sommerhaus der Familie in Bad Godesberg. In den nächsten Jahren unternahm sie zahlreiche Reisen, besuchte Sohn Carl, der inzwischen im schweizerischen Bern lebte, Hans in Frankfurt am Main und Freya im schlesischen Kreisau. Der Zweite Weltkrieg jedoch riss die Familie auseinander. Die Kinder überlebten, doch Freyas Ehemann, der mit mehreren Gleichgesinnten, dem „Kreisauer Kreis“, Widerstandspläne Hitler und das NS-Regime geschmiedet hatte, wurde am 23. Januar 1945 hingerichtet. Damit stand die Tochter mit ihren beiden Söhnen vor einer völlig ungewissen Zukunft, zumal sie auch ihr Zuhause verlor, nachdem Schlesien nun zu Polen gehörte.
Als Freya von Moltke 1947 beschloss, nach Südafrika zu gehen, wo die Verwandtschaft ihrer verstorbenen Schwiegermutter lebte, wohnte auch Ada Deichmann vorübergehend in der Nähe von Kapstadt. Von dort aus korrespondierte sie mit dem früheren Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, um Näheres über die Situation im kriegszerstörten Nachkriegs-Deutschland zu erfahren. 1949 kehrte sie zurück nach Bad Godesberg. Auch in den nächsten Jahren war sie wieder viel auf Reisen, mehrmals besuchte sie ihre Tochter Freya, die inzwischen in den USA lebte. Ada Deichmann starb 1975.
Karin Feuerstein-Prasser
Quelle:
Ada Deichmann – FrauenGeschichtsWiki
Hans Deichmann: Gegenstände, DTV 1996.
Frauke Geyken: Freya von Moltke. Ein Jahrhundertleben 1911-2010, Beck München 2011.