Marlies Hesse ist eine in mehreren Ehrenämtern tätige Feministin und Journalistin, die sich mit großem Engagement in verschiedenen Frauen-Netzwerken einen Namen gemacht hat.

Geboren wurde sie am 03.10. 1935 in Peine. Nach Einberufung des Vaters zur Wehrmacht zog die Mutter mit der Vierjährigen zu den Großeltern in ihr Heimatdorf in der Lüneburger Heide. Dass der Vater die Schlacht um Stalingrad nicht überlebte, erfuhr die Familie erst zehn Jahre später. Abgesehen von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs für die Kriegskindergeneration, erlebte sie auf dem Land eine relativ sorglose Kindheit und Jugend. Davon zeugen ihre ins Bewusstsein gebrachten Erinnerungsbilder.      

Portrait Marlies Hesse
© Marlies Hesse

Nach dem Schulbesuch absolvierte sie zunächst eine Lehre als Buchhändlerin in der nahen Kreisstadt Uelzen, der sie eine Ausbildung zur Diplom-Bibliothekarin anschloss. 1961 übernahm sie die Leitung der Bibliothek des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung an der Universität Hamburg. Nebenher arbeitete sie als Redaktionsassistentin an der vom Institut herausgegebenen Zeitschrift „Rundfunk und Fernsehen“ mit. Ihre erste Berührung mit dem Journalismus. Anhaltende Abwerbungsversuche aus Köln veranlassten sie 1995 als Redakteurin in die Pressestelle des Deutschlandfunks (DLF) zu wechseln. Nach der Pensionierung des Pressechefs übernahm sie für eineinhalb Jahre kommissarisch seine Stelle. In den 70er Jahren wählten sie zwei amtierende Intendanten nacheinander zur persönlichen Referentin. Funktionen, die seinerzeit noch von keiner Frau in einem anderen Sender der ARD wahrgenommen wurden. Im Jahr 1979 wurde ihr die Leitung des neu aufgebauten Referats Aus- und Fortbildung übertragen. Zuvor war sie bereits in die Entwicklung eines Rahmenkonzepts für die journalistische Ausbildung bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingebunden. Bis heute ist es noch weitgehend verbindlich.

Hausintern überzeugte sie den DLF, bei der Volontärausbildung mindestens 50 Prozent Frauen zu berücksichtigen. Für die Festangestellten installierte sie einen Frauenförderplan. 

Je mehr sie sich mit Gleichstellungsfragen beschäftigte, umso mehr stabilisierte sich ihr Engagement in der Frauenbewegung.  Von daher versteht sich ihre externe Mitarbeit im autonomen Frauenpressedienst IFPA, für den sie bis zu seinem Ende 2000 mitverantwortlich zeichnete.

Nach fast 30jähriger Zugehörigkeit zum Deutschlandfunk verabschiedete sich Marlies Hesse 1994 in den Vorruhestand. Noch nicht berufsmüde, übernahm sie unmittelbar danach die Geschäftsführung des Journalistinnenbundes. Dieses bis 2010 wahrgenommene Ehrenamt brachte ihr große Anerkennung ein. Unerwartet eröffnete es ihr eine zweite Karriere. Ihr Augenmerk richtete sie vorrangig auf die Medienbeobachtung mit dem Ziel, den Frauenanteil in den Medien spürbar zu erhöhen. Im Auftrag des Berufsverbandes koordinierte sie von 1995-2020 das weltweite „Global Media Monitoring Project“ (GMMP) zum Bild der Frau in den Nachrichten. Sie reiste quer durch Deutschland und stellte auf Veranstaltungen und in Institutionen die unbefriedigenden Ergebnisse der Untersuchung vor. Überall brachte sie das Anliegen ein, mehr für die Sichtbarkeit der Frauen in Führungspositionen zu tun und damit für Geschlechterdemokratie zu sorgen. Der noch vorherrschenden Männerdominanz hielt sie entgegen:

Marlies Hesse - 30 Jahre Journalistinnenbund (Tasche)
Marlies Hesse – 30 Jahre Journalistinnenbund (Tasche), © Eva Hehemann

„Medienpräsenz ist nicht zwangsläufig ein Zeichen für Erfolg. Oftmals ist sie nur die Illusion von Erfolg.“

Marlies Hesse

Ihre Aussage fand Eingang ins Buch der Zitate.

„Erfolg buchstabiert sich T-U-N“

erschienen im Ulrike Helmer-Verlag 2011

Zur Vernetzung der Feministin zählt noch immer ihre lange Mitgliedschaft im Kölner FrauenForum der Köln Agenda. Seit vielen Jahren beobachtet sie die Stadtpolitik insbesondere mit Blick auf eine gendergerechte Haushaltsführung. Als Sitzungsleiterin motiviert sie die Mitglieder des Netzwerks, sich aktiv an Initiativen zu beteiligen, die der Sicherung von Geschlechtergerechtigkeit dienen.

Hedwig-Dohm-Weg
© Marlies Hesse

Im Verlauf ihrer Berufstätigkeit erhielt Marlies Hesse zwei große Auszeichnungen. Der Journalistinnenbund verlieh ihr 2003 die Hedwig-Dohm-Urkunde für ihr journalistisches Wirken und ihr frauenpolitisches Engagement. Wenig später überreichte ihr der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma das Bundesverdienstkreuz am Bande für ihren jahrzehntelangen Einsatz für die Gleichberechtigung.  Für den journalistischen Nachwuchs, der ihr besonders am Herzen liegt, stiftete sie selbst bereits 2002 einen Förderpreis. Zunächst anonym verliehen, trägt er seit 2015 offiziell den Namen Marlies-Hesse-Nachwuchspreis. 

Seit 1994 lebt die Journalistin im Kölner Stadtteil Sürth zusammen mit ihrer Lebensgefährtin in zwei Doppelhaushälften, die sich ganz nah am Hedwig-Dohm-Weg befinden. Sich persönlich für die Namensnennung der Publizistin, die schon im 19. Jahrhundert für Frauenrechte kämpfte, erfolgreich eingesetzt zu haben, gehört mit zu den schönsten Erinnerungsmomenten in ihrem erfüllten Leben.

Autorin: Marlies Hesse

Zeitzeugin Marlies Hesse – YouTube