Die Ende des 19. Jahrhunderts so prachtvoll gestalteten Kölner Ringe geben heutzutage ein eher tristes Bild ab. Eine erfreuliche Ausnahme bildet zumindest die kleine Parkanlage am Kaiser-Wilhelm-Ring. Als Blickfang dient der imposante Gothaer Brunnen oder auch Fischbrunnen genannt, eine Stiftung der benachbarten Gothaer Versicherung anlässlich ihres Firmenjubiläums 1971. Dabei handelt es sich um ein Werk der Kölner Bildhauerin Elisabeth Baumeister-Bühler, deren Arbeiten auch an anderen Stellen der Stadt bewundert werden können. Als erste Kölner Dombildhauerin schuf sie mehrere Figuren an der West- und Südseite der Kathedrale, ebenso zwei Skulpturen für den nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebauten Rathausturm.
Elisabeth Bühler kam am 22. April 1912 in Thale zur Welt, einer Kleinstadt am nordöstlichen Rand des Harzgebirges, die heute zu Sachsen-Anhalt gehört. Schon früh zeigte sich ihre künstlerische Begabung, die auch von den verständnisvollen Eltern gefördert wurde. Nach Schulabschluss begann Elisabeth eine private Ausbildung in Grafik und Malerei und absolvierte ab 1931 ein zweijähriges Studium an der Kunstakademie Weimar, das sie schließlich in Berlin fortsetzte. 1939 ging sie als Meisterschülerin an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Hier erwarb die junge Frau alle notwendigen Fertigkeiten, um 1941 in Berlin ihr erstes Atelier zu eröffnen. Der Zeitpunkt mitten im Zweiten Weltkrieg war freilich denkbar ungünstig. Es gab keine lukrativen Aufträge, und Elisabeth Bühler hielt sich mehr schlecht als recht mit mit Zeichnen von Kinderporträts für Privatleute über Wasser. Als Berlin nun immer häufiger das Ziel von Bombenangriffen wurde, beschloss sie 1943, die Stadt zu verlassen und in ihren abgelegenen Heimatort Thale zurückzukehren. Hier fand sie einige Schüler, denen sie Unterricht im Zeichnen und plastischen Gestalten geben konnte.

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Bühler lernte den Arzt Dr. Alexander Baumeister (1895-1957) kennen, heiratete ihn und zog mit ihm nach Weimar. Hier lebte das Ehepaar bis 1951, dann erfolgte der Umzug nach Köln, wo Dr. Baumeister seine Praxis eröffnete.
Die künstlerische Betätigung trat nun in den Hintergrund, Elisabeth Baumeister-Bühler half stattdessen in der Praxis aus. Erst nachdem ihr 17 Jahre ältere Mann im Alter von 62 Jahren gestorben war, trat ihr kreatives Potenzial erneut in den Vordergrund. Inzwischen hatte sie sich vorwiegend der Bildhauerei zugewandt. 1958 erhielt sie eine Anstellung an der Kölner Dombauhütte und wurde damit die erste Dombildhauerin überhaupt. Im Auftrag des damaligen Dombaumeisters Willy Weyres fertigte sie mehrere Großplastiken für das Dreikönigsportal an der Westseite an, das im Oktober 1943 beim Einschlag einer Fliegerbombe schwer beschädigt worden war. Manche Figuren waren völlig zerstört, anderen fehlten die Köpfe. Sie sollten jedoch nicht originalgetreu wiederhergestellt werden, sondern im Stil der Zeit: Abel, Hiob sowie die Königin von Saba. Letztere ähnelt, wie Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner schmunzelnd feststellte, einer Filmdiva aus Hollywood im Abendkleid und mit kegelförmigem Busen, vergleichbar dem von Jean-Paul Gaultier kreierten BH, den die Popkünstlerin Madonna 1990 berühmt machte. Daneben restaurierte Baumeister-Bühler zahlreiche im Krieg beschädigte Figuren im Bereich des Südportals.
Doch künstlerisch hatte sich die Bildhauerin längst weiterentwickelt, ihr Stil wurde zunehmend abstrakt. Bestes Beispiel ist der bereits erwähnte Fischbrunnen am Kaiser-Wilhelm-Ring. Von 1922 bis 1939 stand hier der opulente Vater-Rhein-Brunnen des jüdischen Künstlers Adolf von Hildebrand (1847-1921), eine etwa zwanzig Meter lange grottenähnliche Szenerie aus Kalkstein. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde er 1939 entfernt, vielleicht weil ihnen die idyllische „Rheinromantik“ ein Dorn im Auge war.

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Nun sollte Elisabeth Baumeister-Bühler einen neuen Brunnen konzipieren, zwar im modernen Stil, aber gleichwohl als Reminiszenz an den „alten Vater Rhein“. Mit der ihr eigenen Formensprache nahm sie die Wassersymbolik wieder auf und schuf eine rund sechs Meter hohe Skulptur aus Granit und Bronze, die in einem großen flachen Wasserbecken steht. Gut zu erkennen ist ein prall gefülltes Netz, in dem u.a. ein Schwertfisch steckt.
Auch am Rathausturm lassen sich zwei Werke von Baumeister-Bühler bewundern. Als die Figuren in den 1980er Jahren neu konzipiert wurden, erhielt sie den Auftrag, die Skulpturen von Kaiserin Theophanu und des im 8. Jahrhundert lebenden Kölner Bischofs Agilolf anzufertigen. Eine andere Plastik von ihr ist leider spurlos verschwunden. Baumeister-Bühlers expressionistischer „Ikarus“, der die Kölner Kunsthalle zierte, wurde kurz vor deren Abriss im Jahr 2002 gestohlen und ist nie wieder aufgetaucht.
Elisabeth Baumeister-Bühler wirkte nicht nur in Köln, auch in anderen Städten finden sich zahlreiche Arbeiten von ihr, Plastiken, Reliefs, Brunnen und manches mehr.
In späteren Jahren gehörte neben der Bildhauerei auch die Medaillenkunst zu ihrem Oeuvre und gemeinsam mit Hilde Domizlaff zählte sie zu den bedeutendsten Kölner Medailleur*innen des 20. Jahrhunderts. Baumeister-Bühler war auf zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen vertreten, 1975 zum Beispiel auf der Ars Sacra in Köln, auf der zeitgenössische sakrale Kunst präsentiert wurde.
Elisabeth Baumeister-Bühler starb am 13. Juni 2000 in Köln und wurde auf dem Südfriedhof im Grab ihres Mannes beigesetzt. Ihr zu Ehren hat man in Köln-Lindenthal die Baumeister-Bühler-Straße nach ihr benannt.
Karin Feuerstein-Prasser