Olga Oppenheimer, 1913-1935 verh. Worringer, ist eine avantgardistische Malerin und Grafikerin. Sie war Gründungsmitglied der Künstler*innenvereinigung Gereonsklub. 1941 wurde sie als Jüdin in der Euthanasieanstalt Hadamar ermordet. Jahrzehnte vergessen, fand Oppenheimers Engagement nicht nur als Malerin, sondern auch als Ausstellungsveranstalterin erstmals wieder 1979 eine Würdigung in der Ausstellung „Rheinische Expressionisten“ in Bonn, Krefeld und Wuppertal. Hier wurden fünf erhaltene Werke gezeigt.

Als ältestes Kind des jüdischen Versicherungskaufmanns Max Samuel Oppenheimer (1852-1922) wird Olga am 9. Juni 1886 in Köln geboren. Sie hat noch fünf jüngere Geschwister, einen Bruder und vier Schwestern. Ihr Zeichentalent wird früh gefördert. Ihre reichen Eltern mieten Olga schon zu Schulzeiten ein eigenes Atelier in der Köl­ner Ru­bens­stra­ße. 1906/07 folgt Ol­ga Op­pen­hei­mer mit der acht Jah­re älteren Emmy Worrin­ger (1878-1961) den Freundinnen Marta Schmitz und Agnes Oster an die Damenakademie in München, um hier und in Dachau ihre Kunstmalerausbildung fortzusetzen. Bereits 1907 ent­steht ein pas­tell­far­be­nes Por­trait (Abb.2) im im­pres­sio­nis­ti­schen Stil, den sie vom Studium in München kannte.

1909 finanzieren die Eltern ein Studienjahr in Paris an der Académie Ranson bei Paul Sérusier (1864-1927), einem Schüler von Paul Gauguin (1848-1903). Op­pen­hei­mer knüpf­t in Paris wich­ti­ge berufliche Kon­tak­te. Die folgenden drei Jahre lebt sie erneut im Elternhaus im Mar­sil­stein 28. 1910 richtet sie in dem neu erbauten Gereonshaus (Abb. 4) im Geschäftsviertel, in dem sich auch die Versicherungsagentur des Vaters befand, unter dem Dach ihr Atelier ein und eröffnet die „Mal- und Zei­chen­schu­le Ol­ga Op­pen­hei­mer“ (Abb.3). Schwer­punkt der Leh­re bilden Por­traits, Ak­te und Still­le­ben. Von Ok­to­ber bis De­zem­ber 1910 beteiligt sie sich mit zwei ih­rer Por­traits an der zwei­ten Aus­stel­lung des „Köl­ner Künst­ler­bun­des“.

Im Januar 1911 bildet sich aus dem Kreis des 1909 gegründeten Kölner Künstlerclubs der „Gereonsklub“ als Forum für moderne Kunst. Hier planen Olga Oppenheimer und der expressionistische Graphiker Franz M. Jansen (1885-1958) mit Emmy Worringer das Ausstellungs- und Vortragsprogramm und setzen es um. Jansen entwirft die Einladung zur Eröffnungsveranstaltung der ersten Ausstellung am 21. Januar 1911. Auch im Restaurant des Zoologischen Gartens (heute: „Zoo Event“, Abb. 5), das die Witwe Berta Worringer mit ihrem jüngsten Sohn Adolf betreibt, finden vom „Gereonsklub“ organisierte Ausstellungen und Künstlertreffen statt. Die ers­te Aus­stel­lung der Ge­sell­schaft zeigt Beispiele der eu­ro­päi­schen Avant­gar­de, dar­un­ter Wer­ke von Op­pen­hei­mers Leh­rer Paul Sé­ru­si­er, Gus­tav Klimt (1862-1918) und Pa­blo Pi­cas­so (1881-1973) so­wie Vincent van Go­ghs (1853-1890). Die Schau ver­ein­te die künst­le­ri­schen Ein­flüs­se der bei­den Mit­in­itia­to­ren Op­pen­hei­mer und Jan­sen und of­fen­bar­te gleich­zei­tig die Ziel­set­zung des Klubs: die För­de­rung avangardistischer eu­ro­päi­scher Kunst im Rhein­land und ih­res Dia­logs mit der rhei­ni­schen Kunst­sze­ne. Bereits im Oktober 1911 öffnet der „Gereonsklub“ die erste Ausstellung mit Bildern von Franz Marc (1880-1916), der in München den „Blauen Reiter“ gegründet hatte. Der mit Olga Oppenheimer befreundete Bonner Expressionist August Macke (1874-1914) leitet ab 1912 den Klub. Im Ja­nu­ar 1912 übernimmt er die le­gen­dä­re ers­te Aus­stel­lung des „Blau­en Rei­ter­s“ von der Münch­ner Ga­le­rie Thann­häu­ser, erst­mals sind die Wer­ke der neuen Be­we­gung in Köln zu sehen. Im Ju­ni des Jah­res organisier­te die Ver­ei­ni­gung in der Dom­stadt auch die zwei­te Aus­stel­lung des „Blau­en Rei­ter­s“. Nach dem Umzug an den Friesenplatz 1913 werden z. B. noch Robert Delauney (1885-1941) und Paul Klee (1879-1940) präsentiert.

Nachdem Macke Oppenheimer dem Direktor des Wallfraff-Richartz-Museums Alfred Hagelstange (1874–1914) vorstellt, ist sie 1910, 1911 und 1913 in dem Museum mit Holzschnitten und Ölbildern vertreten. 1911 ist Oppenheimer neben Macke und Jansen Gründungsmitglied der „Kölner Sezession“, einem Zusammenschluß von avant­gar­dis­ti­schen Künst­lern, der sich vom kon­ser­va­ti­ven „Köl­ner Künst­ler­bun­d“ abwendete. 1912 werden einige ihrer Arbeiten im Kunstgewerbemuseum gezeigt. Klar ist bislang nicht, welche Werke präsentiert wurden. Auch welche, vielleicht gar die gleichen, in der 4. und letzten Ausstellung des Düsseldorfer „Sonderbundes“ im gleichen Jahr in Köln präsentiert sind, wissen wir nicht. Im Frühjahr 1913 ist Oppenheimer bei der Armory Show, einer Kunstmesse auf Wanderung in New York, Boston und Chicago mit sechs Holzschnitten als einzige Künstlerin aus Deutschland, neben acht Bildern von Pablo Picasso (1881–1973) und zwölf von Henri Matisse (1869–1954) vertreten. Sie sind in der 1911 beim Berliner Fischer-Verlag erschienen Erzählung „Van Zan­tens glück­li­che Zeit“ des dänischen Autors Lau­rids Bruun (1864-1935) abgebildet. Die Kunstmesse gilt bis heute als eine der wichtigsten Kunstausstellungen des 20. Jahrhunderts, die den Beginn der Beschäftigung mit der europäischen Avantgarde in den USA bedeutete.

© Kunstmuseum Bonn, Dauerleihgabe aus Privatbesitz seit 2013: Olga Oppenheimer: Bildnis Bertha Oppenheim (Großmutter) 1907. Öl auf Leinwand.

Im Ju­li 1913 lädt Au­gust Ma­cke die Künst­le­rin mit zwei Still­le­ben zu den 16 Künst­lern der Aus­stel­lung „Rhei­ni­sche Ex­pres­sio­nis­ten“ in die Bon­ner Buch­hand­lung Fried­rich Co­hen. Wenig später ist Olga Oppenheimer an der Aus­stel­lung glei­chen Na­mens in Ot­to Feld­manns Rhei­ni­schem Kunst­sa­lon in Köln letztmalig als Künstlerin und Ausstellungsexpertin beteiligt. Bald danach lösen sich der „Ge­re­ons­klub­s“ und die „Köl­ner Se­zes­si­on“ auf.

Im Oktober 1913 heiratet sie Adolf B. Worringer (1882–1960) und lebt mit ihm in Köln-Riehl in der Bodinusstr. 2nahe dem Zoo. Sie bekommt die Söhne Ro­bert (1914-1985), später Gastwirt wie sein Vater, und Ul­rich (1916-1986), der nach dem Zweiten Weltkrieg als Ban­kier arbeitete. Warum sie ihr Atelier mit der Eheschließung aufgibt, darüber wissen wir ebenso wenig wie über den Verbleib der Mehrheit ihrer Kunstwerke.

© Unbekannte*r Künstler*in: Olga Oppenheimer,  Öl auf Papier, auf Hartfaserplatte aufgezogen, 30,2 x 24,2 cm, Kölnisches Stadtmuseum, 2011 aus dem Privatbesitz eines Sammlers erworben.

Der Soldatentod Au­gust Ma­ckes und ih­res ein Jahr jüngeren Bru­ders Fried­rich Alex­an­der trifft sie 1914 schwer. Da ihr Mann bis 1917 ebenfalls an der Front dient, lebt sie mit der Schwiegermutter Berta und der Schwägerin Emmy. In jene Jahre fällt laut familiärer Erzählung der Beginn einer psychischen Erkrankung, über die aber auch nichts Genaues bekannt ist. Nach Kriegsende wird Olga Worringer auf Initiative ihres Mannes in das Marienkrankenhaus der Kranken- und Pflegeanstalt Wald­breit­bach bei Neu­wied ein­ge­wiesen. Den bei­den Söh­nen verschweigt die Familie den Verbleib der Mutter, so die jüngste Tochter ihrer Freundin und Schwägerin Marta, Lucinde Sternberg-Worringer, gegenüber der Autorin 1998.  Adolf Worringer betreibt Ende der 1920er Jahre in Köln insgesamt drei große Gaststätten erfolgreich, die Söhne wuchsen unter Betreuung eines Kindermädchens mit Großmutter und Tante auf. Ab 1933 verzeichnet der Zoo immer weniger Besucher, so bleiben auch im dortigen Restaurant Gäste aus. Sein Betreiber wird von Lieferanten ob seiner jüdischen Familie diffamiert sowie die Pacht willkürlich durch den Zoodirektor gekündigt. Adolf Worringer wird im Vorfeld der Verkündung der Nürnberger Gesetze 1935 die Ehe mit einer Jü­din zum Vorwurf gemacht. Daraufhin reicht er im Herbst 1935 die Scheidung ein. Wie aus ihren Anträgen auf Widergutmachung nach 1945 zu entnehmen ist, waren beide Söhne in ihren Wünschen bei der Ausbildung als „Halbjuden“ eingeschränkt. Robert wurde 1944 denunziert, die Gestapoakten sind leider zerstört, und war vom 8. Februar 1944 bis zur Befreiung politischer Häftling im KZ Buchenwald.

Bereits am 10. Februar 1941 wird Olga Worringer geb. Oppenheimer im Rahmen einer „Sonderaktion“ zur Vernichtung jüdischer älterer Patientinnen und Patienten in die Zwischenanstalt Andernach verlegt, am Tag darauf gelangt sie in einem Sammeltransport in die Tötungsanstalt Hadamar und wird dort sofort in der Gaskammer ermordet.

In den offiziellen Papieren wurde von der Euthanasie-Zentrale in Berlin bewusst irreführend „Cholm“ (ein Ort östlich von Lublin) gegenüber den Angehörigen als Tarnadresse für den Ort des Todes angegeben. (Abb. 6) Die Patientenakten wurden nach Berlin verschickt und sind zum großen Teil vernichtet, so auch die von der Kölner Malerin.

Am 13. Juni 2025 wurde ein Stolperstein für Olga Oppenheimer vor dem Haus Bodinusstr. 2 verlegt. 2026 wird am Gereonshaus eine Informationstafel zu Leben und Werk der Künstlerin enthüllt.

© Unbekannt: Das Gereonshaus 1910, in: Die Architektur des XX. Jahrhunderts. 9. Sonderheft 1911. Banken und andere Verwaltungsgebäude von Carl Moritz. Architekt in Cöln. Ernst Wasmuth, Berlin 1911, S. 87.

© Stephan Berg (Hrsg.): Ein Expressionistischer Sommer, Bonn 1913, Katalog der Ausstellung. München 2013, S. 18. Anzeige für Olga Oppenheimers Mal- und Zeichenschule im Katalog der Internationalen Kunstausstellung des Sonderbundes westdeutscher Kunstfreunde und Künstler, 1912.
    

Autorin: Christl Wickert (Berlin / Zernien) unter Mitarbeit von Julia Worringer und Ines Siglienti

© Unbekannt, in: Joachim Brokmeier: Bild 742, Das Zoorestaurant vor dem ersten Weltkrieg.

Werke:

Die meisten Werke von Olga Oppenheimer sind mit Aus­nah­me von we­ni­gen Ar­bei­ten, teil­s nur durch Fo­tos über­lie­fert, heu­te ver­schol­len. Fünf ihrer Arbeiten aus den Jahren zwischen 1899 und 1907 haben sich in Privatbesitz, höchstwahrscheinlich Familienbesitz, erhalten. Der Bonner Kunsthistoriker Martin Pesch konnte nach intensiven Recherchen nur neun Werke von Olga Oppenheimer nachweisen.

1899 – Wil­berg, Zeich­nung, Pri­vat­be­sitz
1907 – Ern­te, Holz­schnitt, Pri­vat­be­sitz
1907 – Ve­ne­dig, Holz­schnitt, Pri­vat­be­sitz
1907 – Akt in Rü­cken­an­sicht, Holz­schnitt, Pri­vat­be­sitz
1907 – Bild­nis Ber­tha Op­pen­hei­mer, Ge­mäl­de, Pri­vat­be­sitz
1911 – Son­nen­blu­men­still­le­ben, Aqua­rell, Ver­bleib un­be­kannt, Fo­to: Rhei­ni­sches Bild­ar­chiv
1913 – Kai­ser Wil­helm II. Ge­mäl­de, Ver­bleib un­be­kannt, Fo­to: Rhei­ni­sches Bild­ar­chiv
un­da­tiert –

1913 – Frau­en­por­trait, Ge­mäl­de, Köl­ni­sches Stadt­mu­se­um, un­da­tiert

1913 – Dop­pel­bild­nis, Ge­mäl­de, Ver­bleib un­be­kann­t  

Quellen:

Stephan Berg (Hrsg.): Ein Expressionistischer Sommer, Bonn 1913, Katalog der Ausstellung, München 2013.

Helga Grebing: Die Worringers: Bildungsbürgerlichkeit als Lebenssinn – Wilhelm und Marta Worringer (1881–1965), Berlin 2004.

Martin Pesch: Olga Oppenheimer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/olga-oppenheimer/DE-2086/lido/5db1a5abde9f51.19861210 (abgerufen am 25.04.2024)

Hildegard Reinhardt: Olga Oppenheimer und die Kölner Sezession, in: Ludger Heid, Julius H. Schoeps (Hrsg.): Wegweiser durch das jüdische Rheinland, Berlin 1991.

Hildegard Reinhardt: Olga Oppenheimer – Eine verschollene Künstlerin des Kölner „Gereonsklubs“, in: Magdalena M. Moeller (Hrsg). August Macke und die Rheinischen Expressionisten, München 2002.

Auskunft der Gedenkstätte Hadamar, Madeleine Michel, vom 16. Mai 2024 www.gedenkstaette-hadamar.de.

Auskunft zum Anstaltsaufenthalt und zum Tod:

HHStAW, Best. 631a, Nr. 1-453 (Verfahren der Generalstaatsanwalt Frankfurt unter Leitung von Fritz Bauer gegen Werner Heyde, Gerhard Bohne und Hans Hefelmann 1959-1963).

LVR Archiv Brauweiler, ALVR Nr. 13.070 Aufstellung der damaligen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Andernach vom 11. Februar 1941, Aufenthaltsliste 10./11.02.1941: „Namentliche Liste derjenigen jüdischen Kranken, die auf Grund der Verfügung vom 31.1.41 VEa Nr. 434 die Anstalt passiert haben.“

Nachweis der letzten Adresse Bodinusstr. 2 mit Telefon B 7448
in:  Greven’s Adressbuch 1915, S. 671. Das Haus war das Eckhaus zur Stammheimer Str., heute ein Mehrfamilienhaus aus der Nachkriegszeit. Die Häuser Nr. 1, 5 und 7 (gg.) und 4,6,10 stehen auf der Denkmalsliste von Köln-Riehl.