Brigitte Maser war eine freie Journalistin und feministisch-lesbische Aktivistin aus Köln. Sie starb nach einer längeren Krankheit im November 2023 und liegt auf Melaten begraben.
Brigitte wuchs in Berlin auf und wurde dort schon in der 1972 gegründeten, eher männerlastigen HAW (Homosexuelle Aktion Westberlin) aktiv. Dort war sie erstmals mit Differenzen zwischen Schwulen- und Lesbengruppen konfrontiert. Ob sie 1974 die Separierung der Lesben mitvollzog (Gründung des Lesbischen Aktionszentrum Westberlin LAZ und Beginn der bundesweiten Lesbenfrühlingstreffen) ist nicht bekannt. Lebenslang betonte sie eher das Miteinander als die Spaltung politischer Gruppen.
Ende der 1970er Jahre zog sie nach Köln, u. a. der Universität zu Köln Theater-, Film- und Fernwissenschaften, Germanistik und Pädagogik zu studieren mit dem Abschluss MA. Später machte sie mehrere Weiterbildungen, unter anderem als „Kulturmanagerin“ an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Köln und als Online-Redakteurin.
Kulturmanagerin
Bereits während ihrer Studienzeit war sie in der Projektgruppe ‘Frauen im Theater’ aktiv und beteiligte sich an freien Theaterproduktionen – sei es als Regieassistentin oder Dramaturgin. In den 1990er Jahren arbeitete sie im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie im Veranstaltungsmanagement: Im Bereich Ausländerkulturarbeit, Obdachlosigkeit, beim Kölner Frauen-Filmfestival “Feminale“ oder beim „TürkeiFilmFestival“. Des Weiteren war sie als Dozentin tätig – also eine typische Existenz als bisweilen prekär lebende Freiberuflerin.
Journalistin und Publizistin
Vermutlich aus diesem Grund machte sie zeitweilig ‚Hintergrundarbeit‘ für diverse TV-Produktionen, u.a. beim Privatfernsehen. In der Szene wurde sie seit 2003 durch ihre Mitarbeit beim lokalen Szene-Magazin Stadt-Revue und bei der taz bekannt. Ihre Beiträge mit den Schwerpunkten Gesellschaft und Soziales fanden viel Anerkennung. In längeren Artikeln behandelte sie die Kölner Frauenbewegung wie auch die lesbische und schwule Community, einige Artikel sind noch online nachzulesen. Ihr Anspruch war: politisch, präzise, pointiert. – Mit einer langjährigen Partnerin veröffentlichte sie Schulbuchtexte im Verlag an der Ruhr.
Aktivistin im SCHuLZ
Als Studentin hatte sie erstmals das Schwulen- und Lesbenzentrum Schulz in der Bismarckstraße betreten, das 1985 eröffnet worden war. Hier lagen ihr vor allem die lesbischen Mitglieder am Herzen. So nahm sie Kontakte mit der GLF-Frauengruppe auf und engagierte sich in der Kulturgruppe des Vereins (lglf-Kulturgruppe), was thematisches Neuland war. Sie begann, Kulturveranstaltungen im Schulz zu organisieren, bald aber auch in anderen Locations wie der Comedia Colonia. Ein Highlight waren die mehrtägigen Sappho Rosa Kulturtage. Sie holte dazu unbekannte wie bekanntere Künstler*innen wie Georgette Dee oder Janice Perry, Georgette Dee & Terry Truck aus Berlin oder auch ‘Claus Vincon’ aus Köln. Sie betätigte sich auch im Vorstand des Bildungswerks des SCHuLZ. Die Aktivistinnen des entre nous-Vereins, die im Kontext des SCHuLZ die Zeitschrift subtrawista herausgeben, konnten auf Unterstützung durch ihr journalistisches Wissen rechnen. Das Schwulen- und Lesbenzentrum, das später an den Kartäuserwall zog, war für sie die Keimzelle der queeren Bewusstwerdung, ein Ort, der einen großen Freiraum bot und kreative Kräfte freisetzte.
Lesbenkultur
Eines Ihrer wichtigsten Anliegen war und blieb es, Lesben in der LSBTIQ+ Community sichtbar zu machen. So organisierte sie 1991 erstmals auf den Kölner Uni-Wiesen ein Lesben-Fußballevent mit dem Lesben-Fußballclub “Pirates” – das erste internationale Lesben-Fußball-Turnier. Noch heute treten LSBTIQ+ und heterosexuelle Fußballteams beim “Come-together-Cup” gemeinsam und gegeneinander an. Die Frauenbootsfahrten unter dem Motto Get Wet waren sommerliche Highlights.
Gewerkschafterin
Brigitte war von 1999 bis 2023 Mitglied der Gewerkschaft ver.di; Sie arbeitete aktiv in der ver.di Bezirkskommission der Selbständigen mit und besuchte als Delegierte für den Bereich Selbständige verschiedene Konferenzen. Sie war aber auch ganz bodenständig jährlich beim der 1. -Mai-Demo- und Kundgebung in Köln zu sichten.
CSD-Mit-Organisatorin
Anfang der 1990er Jahre verlagerte sie ihren Schwerpunkt wieder stärker in ein schwullesbisches Projekt: Die Organisation der kollektiven Erinnerung an die gewalttätige Razzia gegen queere Gäste des Stonewall Inn in der Christopher Street, New York 1969. Neben zehn Männern waren sie und Andrea Krein 1991 die einzigen Frauen, die den „Kölner Lesben- und Schwulentag“ (KLuST, heute Cologne Pride) gründeten, und die treibenden Kräfte, wenn es die Rechte und Sichtbarkeit von Lesben betraf. Die Organisation verstand sich als kommunalpolitischer Dachverband und Interessenvertretung der schwulen, lesbischen und bisexuellen (dann auch trans und intersexuellen) Einwohner*innen Kölns. Am ersten CSD in Köln 1991 war es laut ihrer Erinnerung noch eine überschaubare Menge. Sie erinnerte sich anlässlich der Beerdigung ihres Freundes Thomas Spolert, der ebenfalls Gründungsmitglied des KLuST gewesen war: „Bei unserer ersten CSD Demo-Parade (1991) waren wir ca 300 Demonstranten und ein Wagen. Wir starteten auf dem Alter Markt und zogen durch die Altstadt bis zur Stephanstraße. Bunt, ein bisschen laut, ein bisschen schrill und voller Stolz! Wir wollten uns nicht mehr verstecken! Und in der Stephanstraße feierten fröhlich etwa dreitausend Lesben und Schwule. Unsere Öffentlichkeitsarbeit hat gewirkt und wir haben in den Jahren den „Kölner Lesben- und Schwulentag“ zu einer Marke für unsere Community gemacht. Wir wurden immer größer und selbst die Stadt Köln hat, nach jahrelangem Fremdeln und Ignorieren, angefangen, uns ernst zu nehmen. Heute wirbt die Stadt Köln auch mit unserem CSD, mit dem Pride-Wochenende für sich als eine tolerante, liberale und lebenswerte Stadt. Seit über 20 Jahren ist der CSD die zweitgrößte Veranstaltung in unserer Stadt.“ Da so wenig Lesben anwesend waren, hatten die Lesben der Entre Nous-Tanzparties die Idee, im nächsten Jahr jede Lesbe mit gelben Luftballons zu bestücken, um sie sichtbar zu machen.
Sie war dann einige Jahre im Vorstand des KLuSt tätig und hat dort vor allem Netzwerkarbeit geleistet. In manchen Jahren hat sie die Begrüßung für den KLuST zur Eröffnung der Gala gemacht, auch beim internationalen Treffen der Ilga 1997, wo 300 auswärtige Gäste anwesend waren, gesprochen. 1997 verfasste sie mit ihrem langjährigen Vorstandsgefährten Thomas Spolert einen Beitrag im Stadtführer Lesben und Schwule in Köln (Hrsg.: Meiger/Rogler), in dem die beiden die Geschichte des CSD rekapitulierten und die Anfänge in Köln beschrieben. „Mit der Möglichkeit, sich innerhalb des CSD einen eigenen Raum zu nehmen, wuchs die Bereitschaft, mit schwulen Männern für gleiche BürgerInnenrechte zu kämpfen.“, heißt es da. Sie freute sich darüber, dass 1995 in Köln Deutschlands größte Lesbenparty mit 1.400 Frauen stattfand. Beiden Autor*innen war klar, dass es noch ein weiter Weg bis zur gesellschaftlichen und politischen Akzeptanz sei.
Auch allgemeinpolitisch war sie stets eine aufmerksame Beobachterin: 1996 beteiligte sie sich an einer Plakataktion des Kölner Lesben und Schwulentages gegen rassistische, sexistische und ausländerfeindliche Strömungen – ein ihr wichtiges Anliegen.
Geradeaus
Brigitte Masers Persönlichkeit war meist zurückhaltend, humorvoll und verlässlich, dennoch konnte sie deutlich kundtun, wenn das Gegenüber ihrer Meinung nach nicht die gleiche Professionalität an den Tag legte. Sie bezog klare Kante gegenüber Spaltungen und Ausgrenzungen in der Community. Auch Intransparenz bei der CSD-Finanzierung monierte sie mit journalistischen Beiträgen (Anonyme Investoren 2002). 2003 lautete ein Text programmatisch: Der CSD zwischen Politik und Party. Ihre Freizeit verbrachte sie u.a. im Kino, Theater, bei diversen Veranstaltungen, mit Backgammon-Spielen, Fussballtippen und beim Feiern im ‚Gezeiten‘. Ihr Freundinnenkreis war ausgewählt.
Sie überließ dem Kölner Frauengeschichtsverein beim Umzug von Nippes nach Ehrenfeld – relativ kurze Zeit vor ihrer Erkrankung – ein paar Bücher. Danach wurde es still um sie. Die letzten Monate waren zunehmend von Krankheiten geprägt. Am zehnten Spieltag der Saison 23/24 hat sie zum letzten Mal online mitgetippt. – Die Bewegung hat eine verlässliche ‚Kämpferin‘ um Bürger*innenrechte verloren.
Autorin: Irene Franken