Köln ist die Stadt meines Lebens, die mir Ausbildungen, Berufstätigkeiten und Ehrenämter mit vielfältigen Erlebnissen, Erfahrungen und persönlichen Verbindungen ermöglichte.
Kindheit und Jugend
Aufgewachsen bin ich (*1955) als älteste von sechs Geschwistern in der im Norden Köln-Mülheims neu errichteten Bruder-Klaus-Siedlung, deren Bewohner*innen neben kölschen Arbeiterfamilien viele Vertriebene/ Flüchtlinge (wie auch meine Eltern) aus Schlesien und Pommern waren. Geprägt war die katholische Bruder-Klaus-Gemeinde in den 1960er Jahren durch kinderreiche Familien, die sich in vielfältigen katholischen Vereinsveranstaltungen begegneten. 1962 begann hier meine Schulzeit, getrennt nach Mädchen- und Jungenklassen. 1966 wechselte ich aufs Genoveva-Mädchengymnasium im Zentrum Köln-Mülheims. In der Schule erlebte ich 1971 die Folgen der Bildungsreform, die Einsetzung der Koedukation in unteren Klassen und die Einführung von Oberstufen-Leistungskursen. Ich wählte Mathe und Sozialwissenschaften und beendete die Schulzeit mit einer Abschlussfahrt nach Prag. Meine Sozialisation durch geflüchtete Familienangehörige, katholische Kontexte und geschlechtergetrennte Schulbildung prägte meinen Blick auf gesellschaftliche Strukturen und motivierte mich, Soziologie zu studieren.
Studium und wissenschaftliche Arbeit an der Universität zu Köln
Dafür musste ich mich sehr einsetzen, da das familiär nicht vorgesehen war, konnte aber von der eingeführten BAföG-Unterstützung profitieren und blieb in Köln wohnen. So nahm ich im Wintersemester 1974/75 an der Universität zu Köln das Studium von Volkswirtschaftslehre, Soziologie und Sozialpsychologie auf, ein Studiengang mit nur wenigen Frauen. Nebenbei machte ich diverse Nebenjobs, u.a. in einer privaten Textilfabrik, wo alle Näherinnen Arbeitsmigrantinnen aus Jugoslawien waren. Meine Diplomarbeit über Determinanten und Konsequenzen der Entwicklung und Einführung neuer Arbeitsstrukturen in der industriellen Fertigung absolvierte ich bei der ersten Kölner Soziologie-Professorin Dr. Renate Mayntz.
1980 plante das Institut für Sozialpsychologie Migration als Forschungsthema aufzunehmen, und ich bewarb mich um Mitarbeit. Gesellschaftlicher Hintergrund war, dass der Ende 1973 erfolgte Anwerbestopp für ‚Gastarbeiter‘ den Familiennachzug der bereits hier lebenden Arbeitsmigranten stark ausweitete und strengere Regelungen zur Familienzusammenführung zu befürchten waren. Mein erstes Forschungsprojekt Dokumentation und Analyse von Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation ausländischer Frauen in NRW wurde 1981/82 durch das nordrheinwestfälische Ministerium für Arbeit, Gesundheit & Soziales, Leitstelle Frauenpolitik, gefördert. Die Ergebnisse erlangten große Aufmerksamkeit und führten mit vielen Reaktionen zur Vertiefung der Erforschung von Eingliederungs-Wirkungen. Die Reflexion des Umgangs mit Ausländerinnen regte mich zu meiner Dissertation an: Akkulturation von Migrantinnen – Eine Studie zur Bedeutsamkeit sozialer Vergleichsprozesse von Türkinnen mit deutschen Frauen.
Während meiner Dissertation hatte ich geheiratet und gebar 1984 mein erstes Kind. Als schwangere und mütterliche wissenschaftliche Mitarbeiterin erfuhr ich Diskriminierungen durch meine männlichen Kollegen; und auch noch keine sozialrechtlichen Unterstützungen. Dies motivierte mich zum Einsatz für strukturelle Verbesserungen. Naheliegend war die anstehende Einführung der Gleichstellungskommission und Gleichstellungsbeauftragten an der Uni Köln. Dabei lernte ich die an der Uni Köln als allererste berufene Professorin Cornelia Harte persönlich kennen. Sie bewarb mich nebenbei als Mitglied für den großen Kölner Club des Deutschen Akademikerinnenbunds (DAB). Gleichzeitig trat ich dem Arbeitskreis Wissenschaftlerinnen in NRW bei, 1986 erweitert zum Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung (Netzwerk FGF) NRW, deren durch die damalige erste Ministerin für Wissenschaft und Forschung in der Landesregierung NRW, Anke Brunn (1985-98), eingeführte landesmäßige Unterstützung bis heute existiert.
Meine persönlichen Erfahrungen in den Uni-Jahren bewirkten mein Interesse an der Erforschung des Umgangs mit Frauen in unserer Gesellschaft; als Studentin, Wissenschaftlerin, Migrantin und erwerbstätige Mutter. Und die sich in Köln in den 1980er Jahren entwickelnden verschiedenen Fraueninitiativen motivierten mich auch.
Außeruniversitäre sozialwissenschaftliche und gesellschaftliche Tätigkeiten
Anlässlich der Geburt meines zweiten Sohnes 1990 führte ich in den folgenden Jahren meine öffentlichen Vorträge, Lehr- und Forschungsaufträge ohne feste Anstellung durch, beginnend mit der Analyse und Prognose der Mitgliederentwicklung der Kath. Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), deren Ergebnisdiskussion auch den 1903 in Köln gegründeten Kath. Dt. Frauenbund (KDFB) einbezog, der mich u.a. für den Vorstand ihrer gesellschaftspolitischen Kommission (in Berlin) anwarb. Zeitgleich war ich bereits im Vorstand des Kölner DABs anlässlich der deutschen Wiedervereinigung aktiv darum bemüht, die ostdeutschen Akademikerinnen in den DAB zurückzugewinnen und eine Partnerschaft mit Thüringerinnen aufzubauen. Die Erfahrungen dieser Zeit motivierten mich zur Erforschung des aktuellen gesellschaftlichen Engagements von Frauen. 1995 übernahm ich bei der Jakob-Kaiser-Stiftung die Leitung des bundesweiten BMFSFJ-Modellprojekts Frauen ins politische Ehrenamt, in dem es prioritär um die Motivierung und Unterstützung von ostdeutschen Frauen für politische Ehrenämter im wiedervereinigten Deutschland ging – mit dem Nebeneffekt differenzierter Einblicke in die neuen Bundesländer.
Hochschullehrerin
Ich wurde 1997 als Professorin für Soziologie im Fachbereich Sozialwesen der Kath. Fachhochschule (KFH) NW an die Abt. Aachen berufen. Später erfolgte die Umbenennung in Kath. Hochschule (KatHO) NRW. 2004 wechselte ich in die Abt. Köln. Der Studiengang Soziale Arbeit umfasst seit Beginn 1971 überwiegend weibliche Studierende und sprach im Laufe der Jahre zunehmend migrantische Studierende an. Neben meiner Lehrtätigkeit führte ich von Beginn an mit einem Kollegen ein erstmaliges europäisches Forschungsprojekt (BRD/Italien/Greece) durch. Da Forschung an Fachhochschulen noch ungewöhnlich war, widmete ich mich dann als gewählte Prorektorin (2000-2006) insbesondere der ‚Auffrischung‘ der Senatskommission für Forschung inkl. der Gründung von verschiedenen Forschungsschwerpunkten/-instituten sowie auch dem Aufbau der Senatskommission für Gleichstellung und einer gendergerechten Personalentwicklung.
In den folgenden Jahren übernahm ich die Leitung des Forschungsschwerpunkts Gender & Transkulturalität, später Bildung und Diversity. Das immer größer werdende Spektrum der sozialen Arbeit führte zu vielen öffentlich geförderten Forschungsprojekten, die sich mit den entsprechenden gesellschaftlichen Herausforderungen auseinandersetzen.
Besonders markant war das vom BMFSFJ unterstützte Projekt Transkulturelles und interreligiöses Lernhaus der Frauen (in Köln/Berlin/Frankfurt). Und in Köln fand das Projekt Emina putzt – Vorurteile weg viel Aufmerksamkeit und Unterstützung, u.a. durch das kommunale Gleichstellungsamt und den großen Sozialverband IN VIA Köln, wo ich 2009-2019 auch ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende war. In den KatHo-Jahren hatte ich vielfältige Kooperationen mit Studierenden, Kolleg*innen, jungen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und interessanten sozialen Organisationen.
Aktuelle Situation
Seit Ende 2021 bin ich nun Rentnerin. Hinter mir liegen intensive und anregende Lebensjahre mit einer über 40jähriger Berufstätigkeit in sozialwissenschaftlicher Lehre und Forschung wie auch vielfältige verantwortliche Ehrenämter. Überraschenderweise erhielt ich 2009 für meinen persönlichen Einsatz zur Verbesserung der politischen und gesellschaftlichen Partizipation von Frauen einen Bundesverdienstorden. Doch die gesellschaftlichen Herausforderungen aller bearbeiteten Themen bleiben erhalten und benötigen weiterhin unsere politische und zivile Unterstützung.
Angelika Schmidt-Koddenberg
Ausgewählte Veröffentlichungen:
Klomann, Verena/ Schmidt-Koddenberg, Angelika (Hrsg.) 2023: Studienpionier:innen und Soziale Arbeit. Motive, Herausforderungen und gesellschaftliche Konsequenzen. Wiesbaden, Springer Verlag, 255 S.
Fischer, Veronika/Genenger-Stricker, Marianne/Schmidt-Koddenberg, Angelika (Hrsg.) 2016: Soziale Arbeit und Schule. Diversität und Disparität als Herausforderung, Schwalbach/Ts. (Wochenschau-Verlag), 382 S.
Schmidt-Koddenberg, Angelika/Zorn, Simone 2012: Zukunft gesucht! Berufs- und Studienorientierung in der Sek. II. Opladen & Farmington Hills (Barbara Budrich Verlag), 183 S..
Schmidt-Koddenberg, Angelika 2011: „Eminas Arbeitsplatz“ – Eine Initiative zur beruflichen Partizipation von Frauen mit Migrationshintergrund. In: Journal Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW, Nr. 28, S. 31-36.
Genenger-Stricker, Marianne/Hasenjürgen, Brigitte/Schmidt-Koddenberg, Angelika (Hrsg.) 2009: Transkulturelles und interreligiöses Lernhaus der Frauen. Ein Projekt macht Schule. Opladen & Farmington Hills (Barbara Budrich Verlag), 270 S.
Schmidt-Koddenberg, Angelika 1999: Frauen mischen sich öffentlich ein. Modellprojekt zur politischen Bildungsarbeit mit Frauen aus Ost- und Westdeutschland. In: Praxis politische Bildung, Heft 2/99, S. 85-94 (Juventa-Verlag).
Schmidt-Koddenberg, Angelika 1995: Frauenbildungsarbeit an der Kölner VHS. In: Kölner Frauengeschichtsverein (Hg.):“10 Uhr pünktlich Gürzenich“. Hundert Jahre bewegte Frauen in Köln. Münster 1995, S. 370 – 377 (Agenda Verlag).
Schmidt-Koddenberg, Angelika 1990: Soziale Vergleichsprozesse von in- und ausländischen Frauen. Ein Beitrag zur Operationalisierung von ’sozialer Identität‘. In: Schlüter/Stahr (Hg.): Wohin geht die Frauenforschung? Köln 1990, S. 79- 93. (Böhlau Verlag).
Schmidt-Koddenberg, Angelika 1989: Akkulturation von Migrantinnen. Eine Studie zur Bedeutsamkeit des sozialen Vergleichs von Türkinnen mit deutschen Frauen. Opladen 1989, 269 S. (Leske Verlag).
Schmidt-Koddenberg, Angelika 1984:Ausländerinnen im Gespräch. Dokumentation und Analyse von Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation ausländischer Frauen. Hg.: Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, Düsseldorf 1984, 98 S.