Alte und hochaltrige Frauen sind eine große und wichtige Gruppe im Kölner Frauenleben. Doch oft sind sie in den bestehenden Frauenstrukturen unsichtbar. Das liegt an der Tabuisierung und dem Verschweigen von Gewalt gegen alte Frauen, auch sexualisierter Gewalt, und an den bestehenden Hilfestrukturen. Viele Angebote, wie etwa Frauenhäuser und traumasensible psychosoziale Beratungsstellen, berücksichtigen diese Zielgruppe nicht. Häufig können oder wollen alte Frauen deren Angebote nicht nutzen, sei es aufgrund eingeschränkter Mobilität, Pflegebedürftigkeit oder aus anderen individuellen Gründen.
Daher haben Frauen im Alter oft kaum Ansprechpartner*innen, wenn sie Gewalt in unterschiedlichsten Kontexten erleben. Viele sind zusätzlich durch traumatische Erlebnisse in ihrer Lebensgeschichte belastet: sexualisierte Gewalt in der Ehe, Kriegserlebnisse, Fluchterfahrungen und vieles mehr. Ohnmachtssituationen können im Alter Erinnerungen an vergangene traumatische Erfahrungen wachrufen. Verlusterfahrungen, Pflegebedürftigkeit und das Wegfallen von Alltagsstrategien gegen die schlimmen Erinnerungen, zum Beispiel durch Arbeit, Sport oder andere Aktivitäten, können zu einer psychosozialen Belastung im Alter führen. Diese Zusammenhänge sind bekannt. Dennoch erleben alte Frauen viel zu oft, dass ihnen nicht geglaubt wird, wenn sie von aktuellen Gewalterlebnissen berichten. Ihnen wird Schutz vorenthalten oder die Traumafolgen werden falsch zugeordnet – beispielsweise als Symptome einer Demenzerkrankung.
Deshalb bietet die Kölner Beratungsstelle Paula e. V. traumasensible Beratungen für betroffene Frauen und ihre Angehörigen sowie für Fachkräfte der Alten- und Pflegearbeit an. Die Beratungsstelle möchte Betroffene im Hier und Jetzt begleiten, mit ihnen individuelle Wege zur Erleichterung ihrer Lebenssituation entwickeln. Darüber hinaus will Paula e. V. auf die Unsichtbarkeit von Gewalt und Trauma bei alten Frauen aufmerksam machen und deren Recht auf ein sicheres und gewaltfreies Umfeld stärken, ausgerichtet an ihren individuellen Bedürfnissen.
Vorgeschichte, Anlass, Motivation
Martina Böhmer, erfahrene Altenpflegerin und Autorin des Buchs „Erfahrungen sexualisierter Gewalt in der Lebensgeschichte heute alter Frauen“, war lange Jahre dem Mangel an professioneller Unterstützung für von Gewalt betroffenen älteren und hochaltrigen Frauen begegnet. Obwohl über „Gewalt gegen Frauen“ öffentlich gesprochen wurde, blieben alte Frauen als Betroffene von sexualisierter und häuslicher Gewalt unbeachtet und wurden in den bundesweiten Beratungsangeboten nicht berücksichtigt. Abhilfe tat Not. Deshalb wurde Paula e. V. gegründet, als Dach einer Beratungsstelle für Frauen ab 60, die Gewalt erlebt haben. Gründerinnen waren Martina Böhmer, Karin Griese und Lisa Schulte.
Inhaltliche und organisatorische Entwicklung
Die Beratungsstelle wird seit 2012 ehrenamtlich von Martina Böhmer geführt, zeitweise hat Daniela Halfmann ehrenamtlich Beratungen angeboten.
Tätigkeiten, Angebote
Die Angebote der Beratungsstelle sind zum einen für die von Gewalt betroffenen Frauen und deren Angehörige:
- Telefonische Beratung
- Beratung bei Paula e. V.
- Videoberatung
- Aufsuchende Beratung
Und zum anderen für Fachkräfte in der Altenhilfe und -pflege, im Gesundheitswesen, für Therapeut*innen und Berater*innen im Frauen*- und Senior*innenbereich, Politiker*innen und Interessierte:
- Informationsveranstaltungen
- Beratung (Einzel- und Teamberatung)
- Beratende Teilnahme an Pflegeplanungsgesprächen
- Fortbildungen
- Fallsupervision
Strukturen und Organisation
Ehrenamtlich geführte Beratungsstelle mit einer Frau. Die Beratungsstelle wird über kleine Spenden und einige Mitfrauenbeiträge teilfinanziert, doch es müssen immer wieder Spenden, Mietzuschüsse und Fördermittel eingeworben werden. Gleichzeitig bietet der Verein die Möglichkeit, Projekte zu initiieren und bei Fördergebern, wie zum Beispiel der Stiftung Wohlfahrtspflege, der Deutschen Fernsehlotterie unter anderem zeitlich begrenzte Finanzierungen für bestimmte Angebote zu erhalten.
Besondere Leistungen
Die besondere Leistung besteht darin, dass es die Beratungsstelle ohne öffentliche Förderung seit 2002 gibt und bisher viele von Gewalt betroffene Frauen beraten und ihnen geholfen werden konnte.
Neben den Hilfsangeboten für Betroffene will Paula e. V. durch die Öffentlichkeitsarbeit die Gesellschaft für die spezifischen Belange alter Frauen als Betroffene von Gewalt (auch aktueller Gewalt) sensibilisieren. Da alte Frauen mit ihren Gewalterlebnissen und ihren Bedarfen nach traumasensibler Unterstützung bisher nur wenig innerhalb feministischer und gesundheitspolitischer Strukturen, noch in denen der Altenarbeit angemessen berücksichtigt werden, schließen die Angebote der Beratungsstelle Paula e. V. eine Lücke.
Autorinnen: Helga Kirchner und Martina Böhmer