Den „Abtreibungsparagrafen“ 218 gibt es seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871, und fast ebenso lange begehren Frauen dagegen auf.

Hundert Jahre später, am 6. Juni 1971 veröffentlichte der „Stern“ auf seinem Titelbild Fotos zahlreicher Frauen, die öffentlich erklärten: „Ich habe abgetrieben.“ Unter ihnen waren Prominente wie Romy Schneider, Veruschka von Lehndorff und Senta Berger. 374 Frauen forderten in der Illustrierten die ersatzlose Streichung des § 218, der im Falle einer Abtreibung eine mehrjährige Gefängnisstrafe vorsah. Auch Kölnerinnen wie Carola Stern oder Gertraut Müller unterschrieben die brisante Erklärung. Nicht alle Unterzeichnerinnen hatten tatsächlich eine Abtreibung hinter sich, zeigten sich jedoch solidarisch, obwohl auch ihnen ein Strafverfahren drohte. Initiiert wurde die Kampagne von Alice Schwarzer nach französischem Vorbild. Sie zog Frauen aus Köln hinzu, die Kontakt zum Beispiel zu obdachlosen Frauen hatten.

Coverbild Stern 6. Juni 1971
Titelbild Stern vom 6. Juni 1971, © Verlag Gruner 1971

Diese und andere Frauen formierten sich im Mai 1971 zur Gruppe „Aktion 218 Köln“. Ähnliche Gruppen bildeten sich auch in anderen deutschen Städten.

Die Kölner*innen sammelten Unterschriften für die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs, starteten teils aufsehenerregende Aktionen und Informationskampagnen, gaben Adressen von Kölner Ärztinnen und Ärzten weiter, die bereit waren, auch Minderjährigen die Pille zu verschreiben und sammelten Geld für eine Arbeiterin, die aus finanzieller Not in Jugoslawien eine Abtreibung durchführen ließ.

Die erste größere Demonstration der Aktion 218 Köln fand am 22. November 1971 vor dem Opernhaus statt. Zeitgleich mit Frauen in ganz Westeuropa (zum Beispiel Simone de Beauvoir in Paris) setzten sich Aktivistinnen wie Ingund Mewes für die Abschaffung des § 218 ein.

Am 11. Juni 1972 organisierte die Kölner Gruppe im Gürzenich ein bundesweites Tribunal, um all diejenigen anzuklagen, die den Frauen das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper verweigerten: Ärzt*innen, Kirchenvertreter, Politiker*innen, Jurist*innen. Trotz prominenter Beteiligung – bekannte Feministinnen wie Hilde Wackerhagen, Verena Stefan und Helma Sander waren mit von der Partie – war das Echo zwiespältig. Während viele Journalistinnen des Lobes voll waren, kritisierten Feministinnen anderer Städte die schlechte Vorbereitung.

Im gleichen Jahr fand die Bundestagswahl statt. Viele Frauen wählten damals die SPD in der Erwartung, die von Willy Brandt geführte Partei würde den § 218 abschaffen. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht, das Engagement musste also weitergehen.

Politisches Nachtgebet
Politisches Nachtgebet, © Kölner Frauengeschichtsverein

Von Anfang an zählten Medienfrauen und Sozialarbeiterinnen zu den wichtigsten Aktivistinnen. Daneben gab es auch einige Männer, die sich für das Anliegen (nicht nur) der Frauen einsetzten. Neben Gertraut Müller, einer Sozialarbeiterin mit Kontakten zu den Ärmsten der Gesellschaft (obdachlose Frauen mit Kindern) waren u.a. Ingund Mewes (WDR-Sprecherin, zweifache Mutter), Barbara Schleich (Rundfunk und Gewerkschaftspresse) und Sieglinde Kistner aktiv.

Doch allmählich begann sich die Gruppenzusammensetzung zu verändern, was zu einem Kurswechsel bei der Schwerpunktsetzung führte. Anlass war der erste Bundesfrauenkongress in Frankfurt am Main im März 1972, zu dem ca. 400 Frauen aus etwa 40 Städten zusammenkamen. Dort wurden erstmals Themen jenseits des § 218 wie zum Beispiel Sexualität diskutiert. Und erstmals outeten sich Frauen vor einer größeren Öffentlichkeit als lesbisch, was eine Änderung des Diskurses zur Folge hatte. Die lesbischen Frauen betonten, dass das Thema § 218 für sie nicht die gleiche Relevanz habe wie für heterosexuelle Frauen. Sie wollten aber aus politischen Gründen weiter gegen den § 218 kämpfen. Durch den Kongress wurde deutlich, dass die Unterdrückung der Frauen in einem umfassenderen gesellschaftlichen Kontext zu sehen ist. Das spiegelt das neu gedichtete Lied „Frauen gemeinsam sind stark“ (Weiberrat Frankfurt). Es vermittelte eine neue Emotionalität und Zusammengehörigkeitsgefühle.

Die Teilnahme von Männern an der Kölner Gruppe der Aktion 218 wurde ein Diskussionspunkt. Hintergrund war die Erfahrung, dass sich Männer bei gemischten Treffen gerne in Szene setzten und versuchten, die Frauen zu belehren. Die Schriftstellerin Anne Jüssen erinnert sich an einen Abend, als die Frauenrunde von einem Mann gestört wurde, der immer alles besser wusste –

„bis wir entschieden: Entweder der hält jetzt den Mund oder er fliegt raus. Natürlich hielt er nicht den Mund. Es ging um den Paragrafen 218. Die Frauen kämpften wie gebrannte Kinder vehement gegen jede Form von Bevormundung, ganz besonders gegen das Abtreibungsverbot.“

Am 26. Juni 1972 fasste die Aktion 218 Köln den Beschluss, Männer für einen „mittelfristigen“ Zeitraum aus der Gruppe auszuschließen. Dabei ging es auch darum, Redehemmungen gegenüber Männern abzubauen. Manche der Verbannten mutmaßten, „jetzt würden die Lesben die Macht in der Gruppe übernehmen“, wie sich Getraut Müller erinnerte. Das war aber nicht der Fall, vielmehr ging es den Frauen um Selbstbestimmung und Solidarität.

Dieser Prozess, der zeitgleich auch in anderen Städten ablief, veränderte den Charakter der Gruppe. Seit Ende 1972 wurde der Aspekt des Kampfes gegen den § 218 zunehmend durch andere Themen verdrängt. Im Frühjahr 1973 erfolgte daher die Umbenennung der Aktion 218 in Frauenbefreiungsaktion (Aktion 218), im Oktober desselben Jahres wurde auch dieser Zusatz gestrichen. Das bedeutete das Ende der Aktion 218 Köln, aber kein Ende der radikalemanzipatorischen Frauenbewegung.

Ihren letzten großen Auftritt hatte die Aktion 218 Köln am 2. Juni 1973 mit der Teilnahme an der zentralen Demonstration gegen den Abtreibungsparagrafen in Bonn und der anschließenden Übersendung von Unterschriften für eine Reform an das Bundeskanzleramt.

Es sollte noch mehrere Jahre dauern, bis der § 218 notdürftig reformiert wurde. Heute steht der Paragraf noch immer im Strafgesetzbuch. Den Frauen und Ärzt*innen wird jedoch unter bestimmten Bedingungen Straffreiheit zugesichert, zum Beispiel wenn eine Pflichtberatung durchgeführt wurde und mindestens 3 Tage zwischen Beratung und Abbruch liegen.

Autorin: Irene Franken

Bearbeitung: Karin Feuerstein-Prasser

Quellen