In den turbulenten Zeiten der aufblühenden Frauenbewegung der 1970er Jahre entstand ein Projekt, das nicht nur feministische Geschichte schreiben, sondern auch das Leben Tausender Frauen verändern sollte: das Frauenbildungshaus Zülpich. Diese Geschichte beginnt 1979, als eine Gruppe visionärer Frauen – darunter Heide Stoll, Henny Taraschewsky, Brigitte Höck, Gerlinde Iser und Evelyn Schmidt – im Rahmen eines Projektstudiums an der FH Köln eine Idee entwickelten, die weit über die Grenzen der Eifel hinausreichen sollte.
Der Plan wurde konkret, als die Frauen einen Verein gründeten und ein Gehöft in der Prälat-Franken-Strasse in Zülpich fanden. Die Sanierungsphase nutzten die Frauen zur Öffentlichkeitsarbeit, um ihr Vorhaben überall bekannt zu machen. Sie erfuhren sehr viel Resonanz, sowohl von Unterstützer*innen in Form von Spenden als auch von potenziellen Referentinnen und Besucherinnen. Henny Taraschewski und Brigitte Höck starteten ihr Anerkennungsjahr im Haus.

Ein Ort der Bildung und Frauensolidarität
Am 1. Juli 1979 eröffnete das Frauenferienhaus in der Eifel seine Pforten und entwickelte sich schnell zu einem Bildungs- und Tagungshaus, das Frauen aus ganz Deutschland anzog. Hier fanden sie nicht nur ein vielfältiges Angebot an Workshops und Seminaren – von Atemtherapie und Selbstbehauptung/Selbstverteidigung über Kommunikationstraining bis hin zu berufsspezifischen Fortbildungen wie der Ausbildung zur Heilpraktikerin –, sondern auch eine Atmosphäre, die von feministischer Perspektive, gemeinsamem Lernen und dem Ziel geprägt war, Frauen in ihrer Selbstbestimmung zu fördern. Dieser Ort war mehr als nur ein Haus; er war ein geschütztes Umfeld, in dem Frauen sich entfalten konnten.
Es war die erste Einrichtung dieser Art in Deutschland. Ähnliche Versuche waren an der Selbstverwaltung, d.h. an der Arbeit mit ausschließlich Ehrenamtlerinnen, gescheitert. Deswegen sah das Konzept des Frauenbildungs- und -ferienhauses Zülpich von Anfang an bezahlte Arbeitsplätze vor. Es sollte weitgefächerte Seminarangebote geben, die möglichst durch das Weiterbildungsgesetz gefördert würden. Die Frauen wollten im Team arbeiten und gleichen Lohn für alle im Haus Arbeitenden bezahlen. Eine Stunde Lebenszeit sollte für alle gleich viel Geld wert sein. Für die Teilnehmerinnen sollten die Preise erschwingliche sein.
Das Projekt wurde anfangs kollektiv geführt. Alle Arbeiten wurden gleich bezahlt. Die Arbeitsbereiche und die Vereinsvorstandsfrauen rotierten. Anfang der 1980er Jahre wurde das Kollektiv zum „Team“, und die Struktur wandelte sich zu einer flachen Hierarchie.

Herausforderungen und Erfolge
Die Teamfrauen trafen kluge Entscheidungen, um ihren Traum zu verwirklichen und nachhaltig abzusichern. Von Anfang an beantragten sie öffentliche Mittel und richteten den Verein so aus, dass das Haus gekauft und einige Jahre später eine Scheune mit einer vom Arbeitsamt geförderten Frauenbaustelle umgebaut werden konnte. Es wurden Zimmer im Dachboden ausgebaut. Ein Glashaus ersetzte die alte Balustrade. Und die alte Scheune wurde von 12 Handwerkerinnen unter der Bauleitung von Architektin Gertrud Oeding baubiologisch umgebaut.
Das Haus verstand sich außer als Bildungshaus auch als Ferienhaus für Frauen- und Lesbengruppen oder einzelreisende Frauen. Von Anfang an bemühte das Team sich um eine soziale Preisgestaltung: Teilnehmerinnen mussten sich per Selbstauskunft einschätzen und Beiträge zahlen, die ihrem Einkommen und ihrer Lebenslage entsprachen. Für mittellose Frauen bestand die Möglichkeit, sich als Helferin in Haus und Hof zu verpflichten (drei bis fünf Stunden Arbeit gegen Kost und Logis).
Es wurden noch zwei weitere Vereine mit je einem staatlich geförderten Bildungswerk gegründet: der Verein für politische Frauenbildung e.V. und Donna Futura – Frauenbildungswerk des Vereins Feministische Frauenbildung e.V. Wichtig war zu dieser Zeit auch die Mitgliedschaft in der LAAW e.V., einem Zusammenschluss der alternativen geförderten Bildungseinrichtungen in NRW.

Von den beteiligten Vereinen und dem Bildungswerk wurden jährlich etwa 150 Veranstaltungen durchgeführt. Zugleich war das Haus offen für selbstorganisierte Seminare und Klausurtagungen von Frauenvereinen, Lesbengruppen, Netzwerken und ähnlichen Initiativen.
Inhaltlich konzentrierte sich das Bildungsangebot im Frauenbildungshaus vor allem auf die Bereiche Beruf und Management (Schlüsselqualifikationen, Fach- und Führungskompetenzen), Gesundheit und Therapieverfahren (gesundheitsfördernde und unterstützende Methoden, berufliche Weiterbildung in heilenden, pflegenden, therapeutischen Berufen), Kreativität und Umwelt (Kenntnisse und Fertigkeiten über die gesamte Bandbreite der Kunst- und Naturbildung), Lebensgestaltung und Spiritualität (persönliche Weiterentwicklung, spirituelle Theorie und Praxis).
Im Laufe der Zeit wurden die Seminarangebote inhaltlich dem Zeitgeist angepasst und immer in einen feministischen Kontext gestellt. Ebenso war die Vernetzung mit anderen Projekten der bundesdeutschen Bildungslandschaft wichtig, und das Haus wurde zum Treffpunkt vieler feministischer Verbände, Vereine und Projekte.

- Die Reise geht weiter…
- Das Frauenbildungshaus Zülpich war mehr als ein Ort der Bildung, es war ein Symbol für Selbstbestimmung und Solidarität unter Frauen. Es zeigte, dass mit Mut und Engagement auch die größten Träume wahr werden können.
- Der Wunsch, dass das Projekt eines Tages von neuen Generationen übernommen und nach ihren Träumen gestaltet werden kann, ist 2019 mit dem „queer_feministischen Kollektiv“ unter dem Namen „#lila_bunt – Feministische Bildung, Praxis und Utopie“ e.V. #lila_bunt | Feministische Bildung, Praxis und Utopie (lila-bunt-zuelpich.de) erfüllt worden.
Dank!
Als Anerkennung und zum Dank für das langjährige Engagement für Frauen sollen hier im Kölner Frauen*Stadtplan die Frauen genannt werden, die das Frauenferien- und -bildungshaus Zülpich mit aufgebaut, entwickelt und unterhalten und am Ende in feministische Hände übergeben haben. Nicht alle können genannt werden, aber bitte lasst es uns wissen, wenn wir die ein oder andere nachtragen sollen: mail@stiftung-frauenleben.koeln .
Danke an: Heide Stoll, Henny Taraschewsky, Brigitte Höck, Gerlinde Iser, Evelyn Schmidt, Petra Hansberg, Renate Meyer, Sylvia Kolk, Margitta Steib, Brigitte Siegel, Anna Biermann, Marie Sichtermann, Ann Marie Krewer , Christine Möbes.
Heide Stoll, Brigitte Siegel, Sylvia Kolk, Christine Möbes und Maria Beckermann
Quellen:
Kölner Frauengeschichtsverein (Fotos, Plakate, Broschüren)
Wikipedia-Eintrag: Frauenbildungs- und Tagungshaus Zülpich – Wikipedia
Homepage ‚#lila_bunt: #lila_bunt | Feministische Bildung, Praxis und Utopie (lila-bunt-zuelpich.de), ausgerufen am 30.3.2024
Frauenbildungsstätte nach der Flut: Eine Katastrophe nach der anderen – taz.de