Vom Beginn…

Ende der 1970 er Jahre hatte sich eine Gruppe von Frauen zusammengefunden, um sich mit der psychosozialen Situation von Frauen zu beschäftigen. Sie analysierten die Landschaft der Kölner Einrichtungen, die Frauen in Krisen- und Problemsituationen Unterstützung geben sollten. Dabei stellten sie fest, dass Frauen nur in ihren Rollen als Ehefrau, Hausfrau und Mutter angesprochen wurden. Das Bild einer unabhängigen berufstätigen Frau, die frei und selbstbestimmt lebt, einflussreiche Positionen bekleidet und das öffentliche Leben mitgestaltet, war in den 1970er Jahren in Westdeutschland nicht erwünscht. Beflügelt durch die Aufbruchstimmung der zweiten Frauenbewegung beschlossen die Frauen, das zu ändern. 1981 gründeten sie einen Verein, mieteten ein Ladenlokal, das sie aus Mitgliedsbeiträgen selbst finanzierten und boten Beratung, Gruppen und Vorträge zu emanzipatorischen Themen aus ihren Fachbereichen (Medizin, Psychologie, Soziologie, Soziale Arbeit, Pädagogik et cetera) an. Sie gaben sich den Namen „Frauen lernen leben – Beratung, Bildung, Information“ um auszudrücken, dass sie für sich selbst, aber auch für die Frauen, die zu ihnen kamen, nach neuen Freiheitsgraden und Lebensentwürfen suchten.

… bis heute

Viele Frauen schlossen sich dem Projekt an, nutzen es, gestalteten es mit und ergänzten Zweige. Ein Bespiel hierfür war das Institut für Weiterbildung, welches zudem eine höhere finanzielle Sicherheit bot als die psychosoziale Beratung. Denn allein mit ABM-Stellen (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur vorübergehenden Finanzierung einzelner Mitarbeiterinnen), Mitgliedsbeiträgen und Spenden hatten die Frauen, die sich für eine hauptamtliche Tätigkeit entschieden hatten, keine Sicherheit.

Das Ladenlokal wurde zu eng, 1985 zog das Projekt um in die Venloer Straße 405-407.

Team und Vorstandsfrauen von FrauenLeben 2021
Team und Vorstandsfrauen von FrauenLeben 2021, © Antonia Lange

Inzwischen arbeiten 7 Mitarbeiterinnen (auf 3,5 Vollzeitstellen) in der Frauenberatungsstelle. Sie gestalten selbstbestimmt ihre Arbeit und entscheiden basisdemokratisch. Das Land NRW finanziert die Stellen zu 85%, die Stadt Köln gibt Zuschüsse zu Sach- und Personalkosten, die Differenz muss durch Mitgliedsbeiträge und Spenden aufgebracht werden.

Inhaltliche Arbeit

Zu Beginn der Beratungsarbeit wurden häufig allgemeine Frauenthemen aufgegriffen, zum Beispiel Menstruationsschmerzen, Mütter-Töchter-Beziehung, Selbstbehauptungstraining. Mit der Zeit kristallisierten sich drei Schwerpunktthemen heraus, die auch heute noch gefragt sind.

Mit Essstörungen konnten die traditionellen medizinischen und psychologischen Einrichtungen in den 1980er Jahren nicht viel anfangen. Bei FrauenLeben wurden die Mädchen und Frauen ernst genommen, unterstützt und beraten. Die Beraterinnen erforschten das Thema und vernetzten sich international mit feministischen Fachstellen. 1991 veranstalteten sie im Jugendgästehaus Riehl einen zweitägigen Kongress mit 250 Teilnehmer*innen und einschlägigen Referentinnen, unter anderem mit Susie Orbach aus London, die den Bestseller „Das Anti-Diätbuch“ geschrieben hatte. Den teilnehmenden Frauenberatungsstellen war es ein Anliegen, auch die gesellschaftliche Dimension von Essstörungen zu verstehen und sie nicht nur als individuelles Problem zu betrachten. Der Wunsch, Kontrolle über den Körper zu erlangen/behalten wird umso zwingender, je ohnmächtiger Frauen sich in ihrer Lebenslage fühlen.

Straßenbahn (KVB) Banner mit „10 Jahre Frauenberatungsstelle“
Straßenbahn Banner „10 Jahre Frauenberatungsstelle“, © Maria Beckermann

Der zweite Schwerpunkt war das Beratungsangebot für Lesben und für Frauen, die sich ihrer sexuellen Orientierung nicht sicher waren. Homosexualität war in den 1970/1980er Jahren noch stark tabuisiert. Sich als Lesbe zu outen, war in diesem Klima sehr mutig, denn die Frauen mussten mit Anfeindungen, Enttäuschungen, Distanzierungen bis hin zur Enterbung rechnen. Im Psychotherapiesetting konnten Frauen sich nicht sicher fühlen, denn ihre Orientierung wurde oft genug als persönliches Defizit, Krankheit oder ‚Verweigerung der Frauenrolle‘ gedeutet. In diesem Klima der Stigmatisierung waren ein offener Umgang mit Homosexualität, offensives Outing als Zielvorstellung und eine bedingungslose Akzeptanz die Basis für eine Vertrauensbeziehung in der Beratung. Heute haben sich die Anliegen der Ratsuchenden verändert. Der Status von homosexuellen Menschen ist rechtlich durch die ‚Ehe für alle‘ abgesichert. Frauenpaare lassen sich zum Kinderwunsch beraten oder sprechen über ihre Beziehungsprobleme.

Das dritte Thema ist die Gewalt gegen Frauen. Es war zur Zeit der Gründung der Beratungsstelle ein absolutes Tabuthema. Es gab keine Leitlinien oder Handlungsempfehlungen für den Umgang mit von Gewalt betroffenen Frauen. Die Fachfrauen in den verschiedenen Frauenprojekten, angefangen von Frauenhausinitiativen, über den Notruf bis hin zu den Beratungsstellen, haben sich seit den 1980er Jahren miteinander methodische Kompetenzen erarbeitet und sich über die Landesgrenzen vernetzt. Sie haben die gesellschaftlichen Strukturen hinter der Gewalt gegen Frauen erkannt und angeprangert. Sie fordern wirksamen Opferschutz, faire Rechtsprechung (‚Nein heißt nein‘, Gewaltschutzgesetz) und gezielte Prävention. Heute wird in der Frauenberatungsstelle die Prävention sexualisierter Gewalt ebenso mit öffentlichen Mitteln (Land NRW) gefördert wie psychosoziale Beratung, Krisenintervention und Begleitung von Frauen, die von Gewalt betroffen sind. FrauenLeben e. V. ist auch geschult für die Beratung zum Fond Sexueller Missbrauch, der den von Kindesmissbrauch Betroffenen Hilfen gewährt. Doch bei allem Fortschritt und aller Differenzierung bleibt noch viel zu tun. Die Me-too Kampagne trägt dazu bei, das wahre Ausmaß von Gewalt gegen Frauen aufzuzeigen. Gegen Femizide hingegen, die schwersten aller Verbrechen gegen Frauen, reagieren Politik und Rechtsprechung bislang eher mit Achselzucken und behandeln sie als Beziehungsdrama. Diesem widersetzt sich der Dachverband der Frauenberatungsstellen stetig und kämpft um Aufklärung und gesellschaftliche Veränderungen.

Logo FrauenLeben e.V.
© FrauenLeben e. V.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist durch die Intervention von Marlies Bredehorst, der früheren Grünen Sozialdezernentin der Stadt Köln, hinzugekommen. Frauen, die ALG II beziehen, werden vom Jobcenter an die Frauenberatungsstelle vermittelt, um dort über ein halbes Jahr lang wöchentlich psychosozial beraten und unterstützt zu werden. Die Beraterinnen wenden ressourcenfördernde und traumasensible Methoden an, damit die Frauen ihre Stärken und Fähigkeiten wieder wahrnehmen können. Das sind Voraussetzungen, um sich einen beruflichen Wiedereinstieg zuzutrauen oder sich beruflich neu orientieren zu können.

www.frauenleben.org

Anhang

Besondere Ereignisse im Laufe der Zeit

  • 1983 Mitorganisation des Kongresses gegen Gewalt gegen Frauen in der Pädagogischen Hochschule
  • 1986 90minütiger Beitrag bei FrauTV von Christa Donner über Frauen lernen leben e. V.
  • 1991 Organisation des Kongresses zu Essstörungen „Die unerträgliche Schwere des weiblichen Seins“
  • 1996 15-Jahre leben lernen mit Anja Meulenbelt
  • 2001 Namensänderung in FrauenLeben
  • 2004 Mitorganisation des 2. Kölner Frauengesundheitstages „Gewalt macht krank“ und Erarbeitung von Handlungsempfehlungen
  • 2008 Verleihung des Beginenpreis als Anerkennung des langjährigen Engagements von FrauenLeben für die psychosozialen Belange von Frauen in Köln
    2008 Mitgründung von „Lila in Köln – Bündnis autonomer Frauenprojekte gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“. Seither u.a. gemeinsame Organisation eines jährlichen Protestmarsches zum Internationalen Frauentag unter dem Motto „Take back the night – Wir nehmen uns die Nacht“
  • 2011 Jubiläumstagung 30 Jahre FrauenLeben e. V. „Nur Mut“
  • 2017 Präsentation der Ausstellung mit Begleitveranstaltungen „Und das soll Liebe sein – Warnsignale häuslicher Gewalt erkennen und handeln“
  • 2018 Kampagne „Stark für Frauen“: Aktionsstand auf der Schildergasse mit eigens hierfür entworfenen Taschentüchern zu „Nein heißt Nein!“ mit dem Warnhinweis: „Sexualisierte Gewalt schadet massiv der Gesundheit von Frauen“
  • 2019 aktive Beteiligung an der Social Media Kampagne „SayYesToYourself“
  • 2020 Beteiligung an der Online – Kampagne „Gewaltfrei? Aber Sicher!“ des Dachverbandes der autonomen Frauenberatungsstellen, um auch in Zeiten der Corona Pandemie gewaltbetroffene Frauen zu erreichen und auf die Hilfsangebote der Frauenberatungsstelle aufmerksam zu machen.
  • 2021 Jubliäumstagung 40 Jahre FrauenLeben e.V. „Neue Wege gehen-Visionen leben“
  • 2021 Entwicklung einer großen Consent – Kampagne „Nur Ja heißt Ja“ als Weiterentwicklung von „Nein heißt Nein“.

Wichtige Frauen bei FrauenLeben im Laufe der Zeit

  • Gründerinnen: Elisa Brökling, Annette Schäfer, Dr. Maria Beckermann, Dr. Anne Gutzmann, Romy Herzberg, Krista Lange, Hildegard Kroll, Mäddie Wirminghaus, Hete Langela, Maggie Gutzen, Ursula Wirtz, Brigitte Heidebrecht, Irmgard Esch, Ingrid Stölting, Christiane Simonis, Christiane Ratsch
  • Institut für feministische Bildung: Marlies Dick, Henny Taraschewski, Ursula Hösch, Astrid Peters
  • Mitarbeiterinnen nach Umzug in die Venloer Straße: Elisa Brökling, Romy Herzberg, Hildegard Kroll, Krista Lange, Angela Krüger, Marie Höver, Gwen Edith Kiesewalter, Dorothea Hoffmann, Jutta Hummel, Ilse Deters, Barbara Steinbach (Büro). Später: Margret Schnetgöke, Agnes Grevers, Monika Wirtensohn, Heide Valder (Büro), Angela Goebel, Michaela Wollersheim, Karin Diebold-Overlöper, Britt Bürgel
  • Margret Schnetgöke, Stephanie Lange, Antje Strick, Andrea Wirbka, Karina Feldmann (Elternzeit), Gabi Höll, Teresa Kaudewitz und Laura Bianca (Elternzeitvertretung), Ida Haas (Studentische Hilfskraft, Büro).
  • Ehrenamtliche Vorstandsfrauen: Dr. Maria Beckermann seit 1981, Dr. Anne Gutzmann seit 2000, Dr. Susanne Zickler seit 2019. Frühere Vorstandsfrauen: Angela Krüger, Agnes Grevers
  • Supervisorinnen: Ursula Hommerich, Dr. Karin Bell, Hildegard Schmedding, Dr. Karin Martens-Schmid, Brigitte Büchler-Schäfer, Tanja Rohde, Christa Wirtz-Stützer, Brigitte Büchler-Schäfer.
  • Ehrenamtliche Beratung: Andrea Cornelsen, Dr. Birgit Rosenbaum, Edda Schneider-Ratz

Vernetzungen der Frauenberatungsstelle FrauenLeben e. V.

  • Arbeitskreise in Köln: AK gegen Gewalt an Frauen, AK Essstörungen in Köln, AK Berufsrückkehrerinnen, AK K.o.-Tropfen
  • Regionale Netzwerke: Netzwerk Schwanger und Gewalt, Lila in Köln – Bündnis autonomer Frauenprojekte gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, Kölner Initiative gegen Sexualisierte Gewalt – Edelgard, ASS (Anonyme Spurensicherung nach Sexualdelikten), Kölner Netzwerk gegen Häusliche Gewalt
  • Landesebene: Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen NRW e.V., Der Paritätische Nordrhein-Westfalen
  • Bundesebene: bff (Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe) Frauen gegen Gewalt e. V., AKF e. V. (Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft), BFE (Bundesfachverband Essstörungen).

Autorin: Maria Beckermann und Stephanie Lange