Wer und wie
1983 haben acht Studentinnen der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft der Universität Köln (heute: Institut für Medienkultur und Theater) die Idee, aktuelle Filme von Frauen zu zeigen: Super 8, 16mm und Video, kurze fiktionale und experimentelle Produktionen, die nicht in den Kinos zu sehen sind. (Gründerinnen: Esther Baron, Angelika Dötig, Karin Jurschick, Elke Kimmlinger, Katja Mildenberger, Biddy Pastor, Dagmar Röper, Astrid Völker).
Die Gruppe wächst, neue Frauen kommen hinzu. Was bleibt, ist der Kollektiv-Gedanke: zunächst machen alle alles – Sichtung der Filme, Programmflyer in Umschläge stecken, Moderation. Auch wenn sich nach und nach Arbeitsbereiche und Zuständigkeiten herausbilden, eine Leiterin gibt es nicht, kollektive Prozesse, zeit- und streitintensive Arbeitstreffen, aus denen Konzeption und Programmentwicklung entstehen, prägen die Organisation der Feminale.
In den folgenden Jahren beenden die Frauen ihr Studium, einige fassen Fuß in film- und mediennahen Berufsfeldern, verlassen das Festival oder bleiben ihm noch lange treu.
Das erste Mal
Der Aufruf zur Einreichung von Filmen für das erste Kölner Frauenfilmfest Feminale mit Handzetteln und Postversand an Frauen- und Filmprojekte führt 1984 zu einer Vielzahl an Einreichungen, 60 Filme werden im „Unikum“, dem damaligen Veranstaltungsort des ASTA Köln, gezeigt. Das autonome Frauenreferat der Universität Köln ist Mitveranstalter, die Organisatorinnen machen einen Crashkurs in Vorführtechnik, gezeigt werden Filme aus NRW, Hamburg und Berlin sowie ein Film der Filmpionierin Germaine Dulac von 1928.
Wie aus der Idee das Internationale Frauenfilmfestival Feminale wird
Die Resonanz auf das erste Frauenfilmfest bei Filmemacherinnen und Publikum spornt enorm an. Neugier und Lust der Organisatorinnen auf weitere und „andere Filme“ sowie das Interesse, diesen ersten Impuls weiterzutragen, führen dazu, dass sofort die nächste Ausgabe Feminale geplant und das Programm erweitert wird.
1986 öffnet sich die Feminale für aktuelle Filme aus der Schweiz und aus Österreich, filmpolitische Themen und filmhistorische Entdeckungen ergänzen das Programm.
Das Festival wächst, Filme aus den europäischen Nachbarländern, internationale Lesbenfilmprogramme, Retrospektiven, Länderprogramme, u.a. zur Türkei, zu Israel und Palästina, ein branchenspezifischer Filmmarkt, Debutfilm-Specials und das Jugendfilmprogramm „girls focus“ erweitern das Spektrum. Von der Universität wechselt das Festival ins Zentrum der Stadt, zum Forum der VHS am Neumarkt und in verschiedene Kölner Kinos.
Aus dem ersten, zum Teil improvisierten und mit großem Engagement durchgeführten Kölner Frauenfilmfest ist 1992 das Internationale Frauenfilmfestival Feminale geworden. 1994 zählt die Feminale mit ihrer siebten Ausgabe an fünf Tagen und 18.000 Besucher*innen zum zweitgrößten Frauenfilmfestival der Welt. Das Engagement der Organisatorinnen ist weiterhin immens (und wird es bleiben), die Arbeitsform kollektiv, die finanziellen Ressourcen steigen nur geringfügig, eine stabile Finanzierung ist nicht in Sicht. Dafür wächst das internationale Netzwerk von Frauenfilmfestivals, Frauenfilmverleihen, feministischen Archiven, Produktions- und Künstler*innengruppen mit jeder neuen Festivalausgabe (zwölf in 20 Jahren) bis zum Jahr 2004.
Mehr als nur Filme
Auf der Feminale sind nie „nur Filme“ gezeigt worden, jedes Programm wurde moderierend begleitet, Gespräche mit Regisseurinnen gehörten immer dazu.
Von Anfang an greifen die Organisatorinnen Themen rund um das Filmschaffen von Frauen auf, beziehen aktuelle und kontroverse Debatten mit ein – sei es 1984 bei einem Vortrag zu „Frauen und Filmförderung“, beim Workshop „Lust aus der Videothek: Frauen in Gefängnis- und Pornofilmen“ 1988, während der Tagung „Rollenwechsel – Frauen in der Filmausbildung“ 1990 , beim Festival der Kritikerinnen, wo internationale Kritikerinnen ihren feministischen Lieblingsfilm zeigen (1996) oder dem Special „Gender“ in Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien Köln 2002. Es gibt Diskussionen zu Vertriebsstrukturen im internationalen Vergleich (1994), zu Kriegs- und Krisenberichterstattung (1996), zum Lesben-Boom im Fernsehen (1998) und zu den Auswirkungen der Globalisierung auf Lebens- und Arbeitssituation von Frauen (2002).
Nicht nur eine Frage des Geldes
Finanziert wurde die Feminale über die Jahre von verschiedenen öffentlichen Fördergebern (Stadt, Land, Bund, EU) und Stiftungen, jedes Jahr von Neuem, ohne feste Stellen oder gesicherten Etat. Mit der Gründung der femme totale in Dortmund 1986 besitzt NRW die zwei einzigen bundesdeutschen Frauenfilmfestivals. Statt Anerkennung, Sparmaßnahmen: der Druck zur Zusammenlegung wird ab 2002 immer stärker. Dass aus zwei unterschiedlichen Frauenfilmfestivals eins wird, war von den Organisatorinnen nicht gewünscht, sondern aufgezwungen. Der Feminale e.V. hat sich 2008 nach der Fusion aus dieser Organisation (Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln) zurückgezogen, er veranstaltet weiterhin Filmreihen und Filmvorführungen.
Die Feminale – ein feministischer Filmfestival
1994 formuliert Eva Hohenberger für die Feminale im Festivalkatalog programmatisch: „Hartnäckig halten wir daran fest, uns als Teil einer ‚Gegenkultur‘ zu begreifen und Sinn und Funktion unseres Festivals außerhalb der gezeigten Filme in der gesellschaftlichen Realität festzumachen… wir begreifen uns als feministisches Festival, und das bedeutet von Veranstaltung zu Veranstaltung neu eine Phase der Selbstreflexion und der Vergewisserung der eigenen Kriterien.“
Regisseurinnen, Kamerafrauen, Editorinnen und Produzentinnen sind in den letzten 40 Jahren immer zahlreicher und immer sichtbarer geworden. Initiativen wie ProQuote Film seit 2014, aber auch die Me too-Debatte (2017) machen allerdings deutlich: es ist noch lange nicht gut: Feministische Film- und Theoriearbeit, Frauenfilmfestivals, Forderungen nach paritätischer Teilhabe und einer die Realität widerspiegelnden Diversität sind weiterhin dringend notwendig.
Die 20-jährige Arbeit der Feminale ist dokumentiert und archiviert: Kataloge, Plakate, Korrespondenzen aus den analogen Jahren Zeit befinden sich im Archiv des Kölner Frauengeschichtsvereins, Videokassetten und Filmdaten der eingereichten Filme im Archiv vom Hamburger Projekt bildwechsel.
Autorin: Marion Kranen, Recherche / Archiv: Carla Despineux