Köln war im Mittelalter eine Hochburg der Beginen – sechs Prozent der Bevölkerung sollen ihnen angehört haben. Das heißt, dass es in fast jeder Familie eine Frau gab, die als Begine lebte. Zur Blütezeit existierten 170 Kölner Konvente (Beginenhäuser).
Das Beginentum (männliches Pendant waren die Begarden) entstand vor mehr als 800 Jahren. Um 1200 erfasste eine Armuts- und Frömmigkeitsbewegung von Flandern aus viele Länder Europas. Vor allem für Frauen entwickelte sich eine ganz neue Lebensform, meist mit mehreren zusammen in einer Gruppe, aber auch in eigenen Häusern. Anders als Nonnen mussten sie keine lebenslange Verpflichtung eingehen und auch nicht nach strengen Ordensregeln leben. Gleichwohl hatte auch jeder Konvent seine eigenen Regeln, die von der Vorsteherin überwacht wurden.
Die Beginen, die aus wohlhabenden Familien kamen, konnten lesen und schreiben, brachten dies auch anderen Beginen bei und gründeten Schulen für Mädchen. Ansonsten bestritten sie ihren Lebensunterhalt mit Textilherstellung oder Hostienbäckerei, Krankenpflege und Sterbebegleitung.
Auf Antrag eines rheinischen Geistlichen wurden umherziehende, nicht sesshafte Beginen 1311 von einem Konzil verboten. Die Kölner Beginen konnten jedoch noch über hundert Jahre weiterwirken, zumal sie dringend gebraucht wurden. Erst 1421 wies der Papst den Kölner Erzbischof an, die Beginenkonvente auszulösen. Viele nahmen daraufhin Ordensregeln der Klöster (meist der Cellitinnen) an.
Nach 1968 erlebte Deutschland eine zweite Frauenbewegung. Es entwickelte sich eine feministische Theologie sowie eine eigene Frauengeschichtsforschung. Dadurch kamen die Beginen wieder ins kollektive Bewusstsein.
Heute wünschen sich viele Frauen zum Beispiel ein Leben in der Gemeinschaft als Antwort auf Vereinsamung und Isolierung. Weitere Motive sind Zugehörigkeit und Sicherheit im Sinne von Wahlverwandtschaften sowie Vernetzung von Frauen. Hinzu kommt sozial-karitatives, gesellschaftspolitisches und soziales Engagement, getragen von dem Wunsch nach sinnstiftenden Aufgaben und einer konfessionsübergreifenden Spiritualität.
Die heutigen Beginen setzen sich für folgende Ziele ein: Entwicklung innovativer Wohn-, Lebens- und Arbeitsformen, Gewaltfreiheit, Gleichstellung der Frau, schonender Umgang mit der Natur und den Ressourcen unseres Planeten, gegenseitige Unterstützung und Nutzung der Unterschiede der Frauen für die individuelle Weiterentwicklung und die der Gemeinschaft (affidamento) und nicht zuletzt die Suche nach neuen Werten jenseits kapitalistischer und patriarchalischer Systeme.
Beginen Köln e.V. (www.beginen.de)
Der Verein wurde 1994 von Lie Selter gegründet, der ersten Frauenbeauftragten der Stadt Köln. Mitglieder sind ausschließlich Frauen unabhängig von Alter, Lebenssituation, Nationalität, Religionszugehörigkeit und sexueller Orientierung.
Der Verein ist unabhängig und autonom in Programm und Vereinszielen und verfolgt gemeinschaftsbezogene, gesellschaftspolitische, soziale, feministische, kulturelle und spirituelle Anliegen. Zurzeit hat er über 110 Mitfrauen. Seit 2004 ist er mit anderen Beginengruppierungen im Dachverband der Beginen vernetzt.
Nach Innen hat der Verein das Ziel, ein tragendes Vereinsleben hervorzubringen, in dem persönliche Lern- und Entwicklungsprozesse sowie Wachstum möglich sind. Zur Unterstützung gibt es vereinsinterne Angebote.
Nach Außen unterstützt und fördert der Verein Anliegen von Frauen, Kindern und Frauenprojekten. Das Geld dafür fließt über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Im Beginenfenster (Markmannsgasse 7) werden übers Jahr gesammelter Trödel, Bücher und Kunst gegen Spenden abgegeben.
Einmal im Jahr wird der mit 5000 € dotierte Kölner Beginen-Preis vergeben und damit jeweils ein Kölner Frauenprojekt gefördert (bisher z.B. Frauengeschichtsverein, Frauenberatungsstelle FrauenLeben, das Feministische Frauen-Gesundheits-Zentrum Hagazussa, das Handwerkerinnenhaus und das Frauenhaus).
Das Beginenfenster
1997 mieteten die Beginen, damals ‚Beginen e.V. – Frauenunternehmen‘, von der Stadt Köln Räume in der Markmannsgasse 7 und nannten sie ‚Das Beginenfenster. Hier wollten sie die Selbstständigkeit berufstätiger Frauen fördern und als Frauenunternehmen finanzielle Mittel erwirtschaften, um Frauen und Kinder zu unterstützen. So entstand zunächst eine Frauendienstleistungsagentur, später ein Edel-Secondhand-Laden. Durch aufwändige und glanzvolle Benefizveranstaltungen, z.B. die Matinée „Klänge-Kleider-Kurzgeschichten“ versuchten die Frauen an finanzielle Mittel zu kommen und gleichzeitig neue Mitglieder zu werben.
Ab 2001 entschlossen sich die Beginen zu einer radikalen Umorientierung: Abkehr vom politisch-öffentlichen Raum; Besinnung auf ein mehr nach innen gerichtetes beginisches Selbstverständnis. Die Kursänderung fand Ausdruck in der Umbenennung in „Beginen Köln e.V.“ als gemeinnützigen Verein. Das Vereinsleben wurde durch gemeinschaftsfördernde Aktivitäten (Supervision, Dialog nach D. Bohm, Pilgern, Wandern, monatlicher Stammtisch, Feste, Ausflüge und gemeinsame Ferien) intensiviert. Die „Kulturarbeit“ etablierte sich durch öffentliche Lesungen, Diskussionen, Vorträge zu frauenspezifischen und spirituellen Themen. Das soziale Engagement bekam mehr Gewicht durch Trödelmärkte in der Oster- und Weihnachtszeit, Bücher-Basare und ein Bücher-Café. Die erwirtschafteten Überschüsse werden für soziale Aufgaben verwendet.
Heute ist das Beginenfenster nach wie vor ein wichtiger Ort der Kölner Beginen, insbesondere für die Frauen, die in der Stadt wohnen.
Der Beginenhof
Seit 2013 hat der Verein – außer dem Beginenfenster – einen neuen Schwerpunkt, den Beginenhof in Köln-Widdersdorf.
Neben dem sozial-karitativen Engagement bietet der Verein in den großen Veranstaltungsräumen des Beginenhofs ein breit gefächertes öffentliches Veranstaltungs- und Begegnungsprogramm zu verschiedenen kulturellen Aspekten.
Das Veranstaltungsformat umfasst Vorträge, Seminare, Kunstausstellungen, Theater- und Musikdarbietungen, Filmvorführungen und Lesungen. Themenschwerpunkte sind: Politik / Gesellschaft, Psychologie / Philosophie, Literatur, Kommunikation, Spiritualität, Gesundheit und Bewegung, Lebenshilfe und Tanz.
Der Beginenhof in Köln-Widdersdorf (www.beginenhof.koeln.de) liegt in einem Neubauviertel im Westen der Stadt. Sein Bau war das Highlight der bisherigen Vereinsaktivitäten. Die eigens gegründete Genossenschaft ist die erste Wohnungsbaugenossenschaft von Frauen in NRW, zuständig für den Bau und die Verwaltung des Hofes. Diese Rechtsform erlaubt – anders als ein Investorenmodell – eigene Hausherrinnen zu bleiben und selbst gestalten zu können. Der Hof bleibt in Frauenhand und sichert langfristig günstigen Wohnraum für Frauen, insbesondere für nachfolgende Generationen. Vom Land NRW wurde der Beginenhof als zukunftsweisendes Projekt anerkannt.
Das Credo lautet: Individuelles Leben in einer Frauengemeinschaft. Es ist ein generationsübergreifendes Lebens- und Wohnprojekt von Frauen für Frauen nach dem Prinzip der Wahlverwandtschaften und offen für alle Frauen, die sich der Beginen-Idee verbunden fühlen. Jede Frau soll in finanzieller, emotionaler und psychosozialer Hinsicht selbstständig leben können.
Es gibt drei Wohnformen: öffentlich geförderte Wohnungen (zugänglich mit dem WBS A und B), frei finanzierte Wohnungen und Wohnungen mit Dauerwohnrecht (eigentumsähnlich).
Von den 110 Vereinsfrauen leben momentan 27 im Beginenhof. Die Wohnungen sind zwischen 40 und 75 qm groß, jede Wohnung verfügt über eigenen Balkon oder Terrasse. Darüber hinaus gibt es ca. 200 qm Gemeinschaftsbereiche, einen Veranstaltungsraum, den Raum der Stille und eine Werkstatt, ferner eine große Gartenfläche für eine Wildblumenwiese, einen Nutzgarten und zwei begrünte Innenhöfe. Der Beginenhof wurde nach ökologischen Gesichtspunkten gebaut. Eine Zisterne und ein Brunnen liefern Nutzwasser für den Garten und die Balkonpflanzen.
Autorin: Christine Müthrath