Die Gründungsphase
Nach dem Aufbau von Frauenzentren waren in den 70er Jahren Frauennotruf, Frauenhäuser, Frauenbuchläden und -cafés die ersten Projekte, die Feminist innen gründeten. In Köln eröffnete die Betriebswirtin Gisela Koschig-Gehm zusammen mit Ulla Böll – später abgelöst durch Annette Ahaus – am 22. Januar 1977 in der Engelbert Straße das erste Frauenbuchladencafé. Mit einem zum Teil geliehenen Startkapital von 20.000 DM für Kaution, Renovierung, Miete, Einrichtung und ersten Bestellungen wollten sie einen Treffpunkt für Frauen schaffen.
Der Frauenbuchladen stieß nicht nur auf Gegenliebe: Die Vermieterin ARAG hatte Vorbehalte gegenüber politischen Aktivitäten, der ‚Andere Buchladen‘ befürchtete Konkurrenz, die Frauenszene klopfte die Inhaberinnen auf ihre inhaltlichen Vorstellungen ab, und die Verlage verlangten Referenzen. Es gab auch Unterstützerinnen. Sie beschlossen einen ‚Jour fix‘, auf dem regelmäßig neue Bücher besprochen werden sollten.
Anders als in vielen anderen Städten waren die Gründerinnen von Anfang an entschlossen, bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen. Gisela Koschig-Gehm, die bis zur Gründung als gut bezahlte Managerin in der Wirtschaft gearbeitet hatte, sagte: „Ich wollte nicht mehr entfremdete Arbeit tun, zu der ich keine innere Beziehung hatte, sondern mich für eine Sache voll einsetzen.“ Konsequent war es und mutig: Das Einkommen verringerte sich, die Frauen mussten ihre Lebensgewohnheiten zum Teil radikal umstellen und gaben jede finanzielle Sicherheit auf.

© Kölner Frauengeschichtsverein e.V.
Der Frauenbuchladen als Sozialraum, Infobörse und politisches Basislager
Am 29. Januar 1979 zogen die Frauen in einen größeren Laden in die Moltkestraße. Irene Franken kam dazu und brachte durch ihre abgeschlossene pädagogische Ausbildung ab 1981 eine Ausbildungsermächtigung ein. Später sprach die IHK Ginster Votteler die Ausbildungsermächtigung zu. Die Arbeit der Buchladenfrauen hatte viele Facetten. Auswahl und Bestellungen, Buchverkauf und -beratung, Archivierung vergriffener Bücher gehörten ebenso dazu wie die Anleitung von Auszubildenden. Im Laufe der Zeit wurden etwa 10 Frauen im Frauenbuchladen zur Buchhändlerin ausgebildet, Martina Hesse war die erste Azubine. Einige wissenschaftlich oder bibliothekarisch tätige Frauen unterstützten den Frauenbuchladen, indem sie dort Fachbücher für ihre Institute bestellten. Umgekehrt berieten die Buchladenfrauen Studierende bei der Literatursuche für Referate und Hausarbeiten. Auf Kongressen, Lesungen und Veranstaltungen waren Büchertische gefragt, z.B. anlässlich des 1. Kölner Bücherherbst 1989 auf dem Neumarkt. Dort signierten Franziska Becker und Papan ihre Karikaturen. Zu den Veranstaltungen der Melanchthon-Akademie oder VHS brachten die Buchladenfrauen regelmäßig themenbezogene Büchertische.
Der Buchladen erweiterte sich zu einem Kommunikations- und Kulturzentrum. Adressen und Information zu vielfältigen, von Frauen initiierten Gruppen, Initiativen, Kongressen, Kulturwochen und Veranstaltungen wurden gesammelt und ausgetauscht. Politische Aktionen und Demonstrationen wurden angekündigt. Der Frauenbuchladen wurde zu einer zentralen Informationsquelle für alle Frauenveranstaltungen und Treffpunkte in Köln und darüber hinaus. Manchmal gingen direkte politische Aktionen vom Buchladen aus, etwa die Organisation des Kongresses ‚Frauen gegen Militär und Atom‘ 1979 oder eine ‚Frauenradrallye zu Raketenstützpunkten 1981, die im Rahmen der bundesweiten Aktion ‚Gegenwind‘ stattfand.
Die Buchladenfrauen waren zudem Ansprechpartnerinnen für jede Art von Problemen, ob eine Wohnung gesucht, Eheprobleme gelöst oder eine Hebamme gefunden werden mussten. Gelegentlich wurden sie mit Erwartungshaltungen konfrontiert, die im traditionellen Buchhandel undenkbar waren, z.B. Kinder zu beaufsichtigen oder ein Buch zu kopieren. Als Reaktion auf die Nachfragen bauten die Buchladenfrauen Serviceleistungen aus. Sie erstellten eine Frauenärzt*innen-Kartei und organisierten eine fachliche Beratung für psychologische und rechtliche Problemsituationen.
Anders als in Frauenbuchläden in anderen Städten konnten in Köln auch Männer einkaufen. Sie wurden als Kunden angesehen und freundlich bedient. Das fanden nicht alle Frauen gut…

Das FrauenKultur-Café Rhiannon
1982 übernahm Ginster Votteler den Frauenbuchladen. Sie brachte spezielles Wissen mit über matriarchale Kulturen und Geschichte und war international gut vernetzt. 1983 wurden Lillemor Hösl und Irene Franken Teilhaberinnen. Gemeinsam mit einer Frauenkulturgruppe gründeten die Buchladenfrauen den Frauenkulturverein ‚Rhiannon‘ – benannt nach einer keltischen Göttin – und beantragten 1985 mit Erfolg zwei ABM-Stellen. Ursula Armbruster übernahm 1984 die Stelle von Irene Franken.
Die Programme vieler Jahre spiegeln das rege und vielfältige Wirken der Kulturvereinsfrauen wider: Lesungen und Diskussionen fanden statt, so waren Audre Lorde, Anja Meulenbelt, Mary Daly, Christina Thürmer-Rohr, später dann Leslie Feinberg und Cathy Dunsford sowie viele andere berühmte Autorinnen zu Gast. Es gab Vorträge über Alltag, Sexualität, Musik, Gewalt, Schwarze Frauen, Ökologie, Macht, Lesben im Nationalsozialismus, den Volkszählungsboykott und vieles mehr. Zusammen mit Ulrike Rosenbach initiierte Ginster Votteler das Kulturfestival ‚Der uferlose Weg‘, und ließ das Schaufenster künstlerisch gestalten durch MAF Räderscheidt. Auf der Blüte seiner Zeit genoss der Kölner Frauenbuchladen auch über Köln hinaus großes Ansehen. Das wird auch deutlich an den vielen Projektgründungen in dieser Zeit. Projekte wie der erste Kölner Frauensportverein, das Frauennacht-Taxi und die Frauenzeitschrift KOBRA erlebten hier ihre Geburtsstunden. Auch der Frauennotruf war eine Zeit lang in der Moltkestraße 66 beheimatet. Im Untergeschoss tagte die Lesbenkunstgruppe, und Professorin Ulrike Rosenbach hatte hier ihre Schule für kreativen Feminismus.
Rauschende Frauenfeste
1987 wurde in der Comedia Colonia ein rauschendes Frauenfest zum 10jährigen Jubiläum gefeiert. Viele prominente Frauen trugen dazu bei, dass dieser Abend unvergesslich wurde: Die Comedian Hella von Sinnen trat als Putzfrau des Frauenbuchladens auf und plauderte aus dem Nähkästchen, MAF Räderscheidt trug kreative Kunstobjekte bei, Christa Zavelberg und Hanne Hippe-Davis moderierten, und der ‚Oberharzer Engelchor‘ – die späteren ‚Rheintöchter – hatte hier einen seiner ersten Auftritte.
Beim „Nikolausia-Fest“ beispielsweise wurde bei Glühwein und Weihnachtskeksen ein satirischer Vortrag zur modernen Frauenlyrik ein Lacherfolg.

© KFGV
Gründung einer GmbH
1986 verließ Ginster Votteler den Frauenbuchladen. Um den Laden erhalten zu können, initiierten Lillemor Hösl und Martina Hesse die Gründung einer GmbH. 34 Gesellschafterinnen wurden gefunden, die bereit waren, den Frauenbuchladen finanziell und ideell zu unterstützen. Der Kölner Notar Dr. Brambring ließ es sich nicht nehmen, die formelle Gründung am 7.4.1987 persönlich zu beurkunden, denn eine GmbH mit so vielen Gesellschafterinnen hatte er bis dahin noch nicht erlebt. Lillemor Hösl und Martina Hesse wurden als Geschäftsführerinnen berufen.
Seit 1989 nahm der Buchladen die gesamte Ladenfläche ein, das Café musste schließen. Die räumliche Vergrößerung war notwendig geworden, um eine größere, breit gefächerte Auswahl an Frauenliteratur anbieten zu können. Gaby Rugel-Spiegel wurde nach dem Ausscheiden von Lillemor Hösl im Jahr 1989 zusammen mit Martina Hesse Geschäftsführerin. Nach dem Ausscheiden von Gaby Rugel-Spieler wurde Sibylla Mohnen in die Geschäftsführung berufen. Viele Jahre begleitete die Betriebswirtin Annette Wachter ehrenamtlich die wirtschaftliche Entwicklung des Frauenbuchladens. Nach neun Jahren Zugehörigkeit wechselte Martina Hesse 1993 in die Verlagsbranche, und Sibylla Mohnen war alleine Geschäftsführerin.

Im Oktober 2002 zog der Frauenbuchladen auf die Venloer Straße. Die neuen, großen, schönen Räume boten viel Platz für eine übersichtlichere Präsentation und Veranstaltungen. Ziel war es, hier weiterhin alle frauenrelevanten Themen anzubieten und den Laden in eine sicherere Zukunft zu führen, indem er auch „Stadtteilbuchhandlung“ wurde.
Das Fraueninternetcafé „web4her“ von Ellen Trude bot Schulungen und Seminare rund um das Thema Internet, Grundlagen von Emailverkehr und dem Textprogramm Word. Frauen, die keinen PC oder Internetzugang hatten, konnten die Anwendungen hier nutzen.
Im Laufe des Jahres 2003 eröffneten weitere Buchhandlungen auf dem kurzen Stück zwischen Innerer Kanalstraße und Ehrenfeldgürtel, so dass es mit den bereits bestehenden drei weitere Buchhandlungen in unmittelbarer Nähe gab. Gleichzeitig veränderte sich das Einkaufsverhalten der Frauen. Immer mehr kauften in ihren jeweiligen Stadtteilbuchhandlungen oder Buchkaufhäusern und sahen keine Notwendigkeit, in den Frauenbuchladen zu kommen. Nur zum Erwerb von Eintrittskarten für die diversen Frauenfeste und -partys fanden sie den Weg hierher. Schlussendlich musste der Frauenbuchladen im Juli 2004

schließen.
Heute macht der Onlinehandel dem Einzelhandel mit dem Argument der Zeitersparnis Konkurrenz. Damals waren es die Stadtteilbuchhandlungen in der Nähe des Wohnorts der einzelnen Frauen oder die Buchkaufhäuser in der Innenstadt, durch die dem Frauenbuchladen die Kundschaft abhandenkam. Längst war feministische Literatur kein Nischenthema mehr, sondern im Mainstream angekommen.

Text auf der Grundlage von: Katharina Regenbrecht, „Bitte einen Roman ohne Probleme, mit Humor!“, in: Kölner Frauengeschichtsverein, 10 Uhr pünklich Gürzenich, agenda Verlag Münster 1995, Kürzungen und Ergänzungen von Maria Beckermann, Lillemor Hösl, Martina Hesse, Irene Franken und Sibylla Mohnen
Quellen:
Kölner Frauengeschichtsverein (Fotos, Plakate, Broschüren)
Wikipedia-Eintrag: Frauenbildungs- und Tagungshaus Zülpich – Wikipedia
Homepage ‚#lila_bunt: #lila_bunt | Feministische Bildung, Praxis und Utopie (lila-bunt-zuelpich.de), ausgerufen am 30.3.2024
Frauenbildungsstätte nach der Flut: Eine Katastrophe nach der anderen – taz.de
